Schweitzer Fachinformationen
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Es hätte so ein schöner Tag werden können.
»Grumbeere?« Ich glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Der Montagmorgen hatte so vielversprechend begonnen. Nach einem stressigen Wochenende, an dem ich wie üblich durch meine Familie zu 100 Prozent fremdbestimmt war, fuhr ich heute früh gut gelaunt zur knapp einen Kilometer entfernten Dienststelle im Schifferstadter Waldspitzweg. Dass der Montag das heimliche Wochenende familiengeplagter Väter war, dürfte jedem Beamten, aber auch den meisten Arbeitnehmern bekannt sein. Als Polizeibeamter der Kriminalinspektion Schifferstadt hatte ich einen zusätzlichen Bonus zum Wochenstart: Unser Dienststellenleiter KPD, mit richtigem Namen Klaus P. Diefenbach, nutzte den Wocheneinstieg immer zur Selbstbeweihräucherung in eigener Sache. Ein endloser Monolog, noch nie hatte es ein Zuhörer geschafft, seinen Ausführungen in Gänze zu folgen, was vor allem daran lag, dass es niemand versuchte. Die Kunst während der Lagebesprechung bestand darin, möglichst natürlich nach vorne gebeugt zu sitzen, sodass KPD, der im Stehen referierte, die geschlossenen Augen nicht bemerken konnte. Ein geöffneter Schreibblock nebst Kugelschreiber vervollständigte die Tarnung. Selbst ein leichtes Schnarchen störte unseren Chef nicht, da er während seines Monologes nicht auf einzelne Untergebene, wie er uns bezeichnete, achtete.
Ich benötigte einen kurzen Augenblick, um aus meinem Dreiviertelschlaf in die Realität zurückzukommen.
»Ja genau, Grumbeere!«, wiederholte KPD und starrte mich an. Im gleichen Moment bemerkte ich, dass der Sozialraum leer war. Meine Kollegin Jutta Wagner hatte mich mal wieder nicht rechtzeitig geweckt.
»Bekommen wir endlich eine Kantine?« Im selben Moment, als ich die Frage meinem Chef entgegengeschleudert hatte, wusste ich, dass es die falsche war.
KPD schüttelte verärgert den Kopf. Breitbeinig stellte er sich vor mich. »Palzki! Haben Sie vorhin nicht richtig zugehört, als ich über das Thema gesprochen hatte? Ich kann Ihnen doch nicht immer alles mehrfach erklären. Eigentlich dürften Sie keine Pause machen, da man Sie nach der Pause jedes Mal neu anlernen muss.«
Er steigerte sich wie üblich in ein Potpourri an Beleidigungen hinein, die mir sonst wo vorbeigingen. Unseren Chef konnte man einfach nicht ernst nehmen. Teilnahmslos wartete ich seine Tiraden ab.
»Und da wir an unserer Dienststelle, dank meines Einsatzes und weil ich ein so guter Chef bin, seit Wochen keine ungelösten Kapitalverbrechen haben, unterstützen wir fortan die anderen Abteilungen. Es kann schließlich nicht angehen, dass wir meine geballte Kompetenz nicht nutzen und Sie und Ihre Kollegen die Dienstzeit damit vertrödeln, um Kaffeemaschinen zu entkalken oder Pizza zu bestellen.«
»Pizza essen wir meist nur in den Pausen.«
KPD ignorierte meinen Einwand. »Ab sofort kümmern Sie sich um die Vermisstenfälle in unserem Zuständigkeitsgebiet. Frau Wagner und Herr Steinbeißer werden Sie dabei unterstützen, sonst würde das ja gar nicht funktionieren. Ich erwarte täglich von Ihnen einen Rapport.«
Er drehte sich zur Tür, um den Raum zu verlassen.
»Und wen sollen wir finden?«, hakte ich nach. »Wird irgendwo eine Kartoffel vermisst?«
KPDs königsblaue Halsschlagader schwoll gefährlich an. Ein oder zwei weitere Kommentare von mir und sie würde platzen. Dies könnte meine Rettung sein.
»Zum Kartoffel-Käfer nach Iggelheim sollen Sie fahren. Dort wird eine Vorarbeiterin vermisst. Und danach fahren Sie zum Schulzentrum in Schifferstadt. Eine Lehrerin aus England ist abhanden gekommen, die mit einer Austauschgruppe in der Pfalz weilt.«
Ohne weiteren Kommentar oder Gruß verließ KPD den Sozialraum. Ich blieb zunächst noch ein Weilchen sitzen, um das Erlebte sich setzen zu lassen.
»Was für eine verrückte Idee hat sich KPD dieses Mal ausgedacht?«, rief ich wenig später, als ich Juttas Büro betrat, das sich in letzter Zeit als Treffpunkt unseres Teams etabliert hatte.
Gerhard Steinbeißer, der am Besprechungstisch mit dem Rücken zu mir saß, winkte ärgerlich ab. »Halt mal kurz die Klappe, Reiner.«
Neugierig trat ich näher. Gerhard beugte sich gemeinsam mit Jutta über diese modernen Kaffeekapseln aus Plastik. Daneben standen zwei leere Tassen.
»Macht ihr jetzt auf Verpackungsmüll?«, wunderte ich mich. »Bei eurem Kaffeeverbrauch kann die kunststoffherstellende Industrie Sonderschichten einlegen.«
Jutta und Gerhard hörten mir nicht zu. Während ich mich zu ihnen an den Tisch setzte, fragte Gerhard meine Kollegin: »Sollen wir es wagen?« In der Hand hielt er eine der Kapseln, die seltsamerweise keine Beschriftung hatte.
Da mir die Situation äußerst suspekt vorkam und ich mit suspekten Situationen neben meinem Chef nur sehr wenige Personen in meinem Umfeld in Verbindung brachte, versuchte ich mich erneut in einem sinnvollen Redebeitrag. »Sagt bloß, ihr habt das Zeug von Dr. Metzger? Wisst ihr, was das bedeutet? Da ist alles drin, nur nichts, was für den menschlichen Verzehr geeignet ist.«
Der Notnotarzt Dr. Metzger hatte vor einiger Zeit seine Kassenzulassung zurückgegeben und sich in der Region als freischaffender ärztlicher Berater etabliert. Dabei scheute er sich nicht, in seinem umgebauten Reisemobil, das die gleichen hygienischen Bedingungen wie ein frühmittelalterliches Bauerndorf aufwies, seine Kunden, wie er die Patienten nannte, zu operieren. Hinzu kam, dass er sich laufend neue Geschäftsideen einfallen ließ, auf die nicht einmal ein krankes Hirn im Suff kam.
»Metzger?«, fragte Jutta zurück. »Wie kommst du auf den?« Sie schüttelte sich. »Ne, wir haben Jacques getroffen.«
Jacques? Aus Sicherheitsgründen rückte ich mit meinem Stuhl ein Stück weit vom Tisch weg. Jacques Bosco, einer der letzten allgemeingelehrten Wissenschaftler und Erfinder, war seit meiner Kindheit mein Freund. Damals wohnten wir in seiner Nachbarschaft, und meine Eltern bekamen regelmäßig graue Haare sowie rote Flecken am Hals, wenn ich in seinem Labor Verstecken spielte. Jacques, der seit dem Tod seiner Frau alleine im Schifferstadter Westen im Kestenbergerweg wohnte, erfand Dinge, die erst in ein oder zwei Jahrhunderten reif für die Menschheit waren. Ich musste neidlos eingestehen, dass er uns mit seinen physikalischen Kunststücken schon mehr als einmal dabei geholfen hatte, Verbrecher zu überführen. Ich war mehr als gespannt, was Jacques mit den Kaffeekapseln zu tun hatte.
»Jacques hat die Kaffeekapseln erfunden?«
Jutta lachte kurz auf. »Neu erfunden, wenn du es so willst.«
»Wieso habt ihr überhaupt Jacques getroffen?« Mein Freund lebte sehr einsam und ging so gut wie nie in die Öffentlichkeit.
Gerhard grinste. »Er hat einen ersten Freifeldversuch gegen die Fliegenplage unternommen.«
Jetzt machte es bei mir Klick. »Meinst du seine neue Züchtung, die Staubfliegen?«
Ein doppeltes Kopfnicken gab mir die Bestätigung. Vor nicht allzu langer Zeit hatte Jacques die Staubfliegen in seiner Wohnung neu gezüchtet, um sich von der verhassten Hausarbeit zu entlasten. Die Fliegen taten nichts anderes, als Staub zu fressen. Dabei wurden sie größer als Hummeln und vermehrten sich rasant. Zwei Dinge liefen dabei ungeplant schief: Die Fliegen erzeugten absonderlich große Kotbrocken, die sie bevorzugt während des Fluges fallen ließen. Hinzu kam die kurze Lebensdauer der Staubfresser. An allen zugänglichen und leider auch an nicht zugänglichen Stellen wie zum Beispiel hinter Schränken lagen ihre Leichen und begannen zu stinken. Ich konnte ihn damals überzeugen, die Fenster seines Hauses zu öffnen. Was wir nicht bedacht hatten, war, dass die neue Züchtung die einheimischen Fliegenarten in rasantem Tempo verdrängten. Inzwischen war die Population so mächtig, dass es in Teilen Schifferstadts absonderlich nach Fliegenkot und Fliegenleichen stank. Da die Fliegen ständig auf Staubsuche waren, reichte ein geöffnetes Fenster, um sich die neue Plage ins Haus zu holen. Immerhin schien er sich auf die Suche nach einem Gegenmittel zu machen.
Ich setzte meine Fragerei fort. »Und bei dem zufälligen Treffen hat er euch die Kapseln gegeben?«
»Genau«, bestätigte Jutta. »Jacques weiß schließlich, wie gerne Gerhard und ich Kaffee trinken.«
»Seine neue Erfindung ist aber auch so was von genial«, ergänzte Gerhard.
»Wenn sie funktioniert«, zweifelte Jutta. »Jacques hat selbst gesagt, dass er bis jetzt nur erste Versuche unternommen hat und durchaus noch Kinderkrankheiten vorkommen könnten.«
Ich rückte einen weiteren halben Meter zurück.
»Sind das neue Handgranaten im Miniformat?«
Gerhard lachte auf. »Nicht ganz. Obwohl, expandieren soll der Inhalt schon, nur hoffentlich nicht explodieren.«
Jutta hatte Erbarmen mit mir. »Jacques hat das Prinzip des Kaffee to go auf die Spitze getrieben. In Zukunft brauchst du nur eine Kaffeetasse mitzunehmen und diese speziellen Pads.«
»Und eine Kaffeemaschine.«
»Eben nicht, Reiner.« Gerhard drückte mir eine der Kapseln in die Hand. »Jacques ist es gelungen, das benötigte Wasser zu komprimieren. In dieser Kapsel ist nicht nur das Kaffeepulver, sondern auch genügend Wasser für eine Tasse Kaffee.«
»Jetzt schau nicht so doof aus der Wäsche«, meinte Jutta, da ich die beiden mit offenem Mund anglotzte.
»Das kann niemals funktionieren«, entgegnete ich meinen beiden Kollegen. »Wasser kann man wie Öl nicht oder nur unwesentlich komprimieren. Wenn das gehen würde, gebe es keine Hydraulik.«
Ich war stolz...
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