Schweitzer Fachinformationen
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Es war noch keine acht, als Farner am Kornplatz ankam, den Wagen abstellte und das Kommissariat betrat. Carducci, der Mann in der Wachstube, machte große Augen.
»Aus dem Bett gefallen, was?«
»Ja, und gleich wieder aufgestanden.«
»Bravo.«
»Wie geht's Pavarotti?«
Carducci hatte einen Papagei, der nicht nur einen berühmten Namen hatte, sondern auch singen konnte.
»Er ist ein Langschläfer. Aber er hat eine neue Nummer drauf, das Trinklied aus >La Traviata<.«
»Dann sollten wir bei Gelegenheit mal darauf anstoßen.«
Carducci nickte und wünschte einen schönen Tag.
Oben in seinem Büro nahm sich Farner als Erstes die Tasche von Silvia Berger vor. Es gibt Experten, die behaupten, dass man aus dem Inhalt einer Handtasche Rückschlüsse auf die Person ziehen kann, der sie gehört. Zu denen zählte er sich nicht. Aber interessant war es trotzdem. In dem Seitenfach steckten ihre Papiere. Der Führerschein, ausgestellt am 18. August 1991 in München. Das Foto zeigte sie als junges Mädchen und war schon ziemlich vergilbt. Kreditkarten, Ausweise vom ADAC und vom Deutschen Roten Kreuz, Quittungen, ein Strafzettel von Mitte Oktober, weil sie nicht angeschnallt war, und ein halbes Dutzend Autogrammkarten. Neue wird sie nicht mehr brauchen, dachte Farner und schämte sich augenblicklich für seinen Zynismus. Er legte die Sachen auf den Tisch.
Am meisten interessierte ihn ihr Terminkalender. Die Eintragungen in der ersten Novemberwoche begannen am Montag, das war vorgestern. Dreharbeiten in Meran und dahinter in Klammern voraussichtlich bis 13.11., und, ebenfalls am Montag, um 18 Uhr Sonja. Für den 4.11. hatte sie E. R. notiert, am Tag darauf Karbacher mit einer Meraner Telefonnummer. Am Sonntag Felix, mit einem Fragezeichen, und um 13 Uhr Klassentreffen. In der Woche darauf, am Dienstag, den 9.11., Name und Telefonnummer einer Spedition und am nächsten Tag Bertoni und Kronauer, beide ebenfalls mit Telefonnummern. Möglich, dass einer dieser Einträge ihnen weiterhelfen konnte. Andere Hinweise auf den Täter hatten sie ja noch nicht.
Sein Handy klingelte. Es war Anne Felderer.
»Guten Morgen, mein Lieber. Hab' ich dich geweckt?«
»Bin schon im Büro.«
»Hast du wenigstens gefrühstückt?«
»Hab' ich auf morgen verschoben. Heute hat es nicht gepasst.«
»Unverantwortlich.«
»Ja, Mami. Aber du rufst doch nicht an, um mit mir zu schimpfen.«
»Das hol' ich nach, verlass' dich drauf. Nein, ich wollte dir sagen, dass ich schon in zwei Wochen mit meinem Buchladen umziehen kann. Also noch rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft.«
»Ist doch prima.«
»Seh'n wir uns heute Abend?«
»Wenn du nichts Besseres vorhast.«
»Mal sehen, was sich im Laufe des Tages noch so tut«, sagte sie mit einem verschmitzten Unterton. »Man soll sich nie zu früh festlegen.«
»Wem sagst du das. Ciao bella, ich muss arbeiten.«
»Dann wünsch' ich gutes Gelingen.«
Die Geschichte mit Anne Felderer lief jetzt schon über ein Jahr, und er musste zugeben, dass ihm diese Frau inzwischen mehr bedeutete, als er sich das anfangs hatte vorstellen können. Seit sie auf dem Ritten auch in seine Familie aufgenommen worden war, hatte die Beziehung ziemlich feste Formen angenommen, auch wenn sie über eine gemeinsame Wohnung noch nie gesprochen hatten.
Weiter ging's mit dem Nachlass von Silvia Berger. Eine grüne Strickmütze, ein Schlüsselbund, ein Parfum-Flakon. Der Duft von Mandarinen und Vanille stieg ihm in die Nase, als er den Stöpsel herauszog und daran roch. Eine Halskette mit einem aufklappbaren Medaillon. Das Bild darin konnte ihre Mutter sein. Kopfschmerztabletten, Pfefferminzbonbons, ein leeres Handy-Etui . Frauenhandtaschen sind unerschöpflich, hatte Gilli gesagt. Aber Farner bezweifelte, dass hier etwas dabei war, das auf die Tat oder den Täter hinwies.
Er legte die Sachen in die Tasche zurück und ging hinaus auf den Flur, um sich einen Kaffee zu holen.
Reisinger und Eller standen vor dem Automaten und redeten sich die Köpfe heiß. Es ging um Berlusconi. »Habt ihr keine anderen Sorgen?«
»Die Opposition in Rom hat seinen Rücktritt gefordert«, sagte Reisinger.
»Das juckt den doch nicht. Ist es wegen dieser Ruby-Affäre?«
»Nein, wegen Machtmissbrauch.«
»Darauf hat Anouilh* die passende Antwort. Er sagt, man sollte Mitleid mit denen haben, die sich alles erlauben können.«
»Mein Mitleid reicht gerade mal für mich selbst«, hielt Reisinger lapidar dagegen.
Farner gab ihm einen leichten Stups gegen die Brust. »Ich weiß, dass das nicht dein Ernst ist.«
Eller wollte gehen. »Lauf' nicht weg. Wir haben ein volles Programm.«
»Ich muss nur mal kurz runter an meinen Wagen. Bin gleich zurück.«
Reisinger reichte Farner den Kaffeebecher. »Vorsicht, heiß. Erzähl' mal, was war gestern Abend?«
»Komm, wir gehen in mein Büro. Du warst unauffindbar, hat Furlan gesagt.«
»Und du hast mit meiner Tochter Tennis gespielt, hat sie mir heute früh beim Frühstück erzählt.« »Wo hast du dich rumgetrieben?«
»Rumgetrieben. Wie sich das anhört. Wenn man am nächsten Morgen noch weiß, wo man war, kann es ja wohl nicht so schlimm gewesen sein. Ich habe die Dolomitenrunde gemacht.«
»Wie bitte?«
Farner schob die Tasche zur Seite, stellte den Kaffeebecher ab und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Reisinger griff sich einen Stuhl und setzte sich davor, stand aber noch mal auf und schloss das Fenster.
»Kalt ist es bei dir. Die Dolomitenrunde. Hab' ich nie davon gesprochen?«
»Nein. Ich will das auch jetzt nicht hören. Die Carabinieri werden uns gleich beehren.«
»War der Maresciallo gestern Abend dabei?«
»Zeitweise. Martell übrigens nicht. Der ist auf einer Tagung in Rom. Ein junger Staatsanwalt vertritt ihn. Riemer heißt er.«
»Kenn' ich nicht. Und? Was hast du für einen Eindruck?«
»Ich denke, er ist ganz in Ordnung.«
Eller kam zurück und setzte sich dazu.
»Wo sind Gebhard und Hallmeier?«
»Ivo hätte heute einen freien Tag gehabt. Ich hab' mit ihm telefoniert. Er verschiebt das und wird gleich hier sein. Und Desmond ist beim Medizin-Check.«
Farner berichtete, was sie bisher wussten, mit allen Details über die Tote, über den Fundort der Leiche und über den ersten Kontakt mit den Filmleuten.
»Früher hat man gesagt, Wäsche von der Leine, die Gaukler sind in der Stadt«, flachste Reisinger.
»Die sind vorläufig unser einziger Anhaltspunkt. Nach der Besprechung mit den Carabinieri fahren wir da noch mal hoch.«
Er nahm den Terminkalender aus der Handtasche und gab ihn Reisinger.
»Du versuchst bitte mal herauszufinden, wer diese Leute sind, die Silvia Berger darin notiert hat. Das war's im Augenblick. In zehn Minuten geht's weiter.«
Eller stand auf und ging hinaus. Reisinger blätterte in dem Terminkalender.
»Hast du gesehen? Das alphabetische Verzeichnis ist leer. Keine Namen, keine Adressen, keine Telefonnummern.«
»Ich nehme an, die hat sie in ihrem Handy gespeichert. Aber das haben wir noch nicht gefunden.«
Farners Telefon läutete. Gilli war am Apparat. Er sagte ihm, dass er mit seinen Leuten noch mal das Terrain bei dem Parkplatz absuchen werde. Auch auf der anderen Straßenseite.
»An den Einsatz von Hunden hast du sicher auch schon gedacht.«
»Erst schau'n wir selbst mal.«
Kaum hatte er aufgelegt, kam Furlan herein. »Valetta hat gerade angerufen. Sie werden sich verspäten. Der Maresciallo muss vorher noch seinen Wagen in die Werkstatt bringen.«
»Hauptsache, er drückt sich nicht wieder. Nach dem Abgang gestern Abend . Sind die informiert?«
»Ich habe Valetta alles gesagt, was der Staatsanwalt und du mir erzählt habt. Ich geh' mal davon aus, dass er das in seiner Truppe weitergegeben hat.«
Er legte die Zeitung, die er in der Hand hatte, auf Farners Schreibtisch.
»Die Kopien von Silvia Bergers Foto hab' ich an die Einsatzzentrale gegeben.«
»Gut, dann hoffen wir mal.«
»Die gehen also auf die Freiheitsstraße, zeigen den Leuten das Foto und fragen, ob sie diese Frau gestern gegen 18 Uhr gesehen haben.«
»Ja, warum sagst du das mit so einem abfälligen Unterton? Wir brauchen Zeugen und Hinweise.«
»Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass diese Straßenaktion was bringt.«
»Hast du schlecht geschlafen? Du bist doch sonst nicht so pessimistisch.«
»Ich hab' auch die Zeitungsberichte gelesen. Ich weiß zwar jetzt alles über diesen Film, aber einen Ansatz...
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