Schweitzer Fachinformationen
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Es hätte so ein schöner Tag werden können.
Ich klappte die leicht vergilbte Sonnenblende meines Dienstwagens nach unten, schaltete das Frischluftgebläse eine Stufe höher und fühlte mich eigentlich recht zufrieden.
Die obligatorische Sommerhitzewelle würde erst in ein paar Wochen die Ebene zwischen dem linksrheinischen Pfälzer Wald und dem rechtsrheinischen Odenwald zum Brutnest aufkochen und die Ozonwerte in die Höhe schnellen lassen. Der meteorologische Sommeranfang lag erst ein paar Tage zurück und die Temperaturen waren rund um die Uhr erstaunlich gut auszuhalten.
Das einzige Ärgernis waren mal wieder die vielrädrigen Blechkolosse, die den rechten Fahrstreifen der vierspurig ausgebauten B 9 zwischen Speyer und Ludwigshafen im Dauerabonnement blockierten. Unter Spediteuren und Kraftfahrern hatte es sich längst herumgesprochen, dass man hier ein gutes Stück der A 61 mautfrei umfahren konnte. Die in der Presse veröffentlichten Zählstatistiken des Lkw-Verkehrs vor und nach der Mauteinführung ergaben zwar keine signifikante Erhöhung des Lastwagenverkehrs, die gefühlte Mehrbelastung sprach aber eine andere Sprache. Auch meine Kollegen von der Kriminaldirektion pflichteten mir bei. Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Ich fühlte, dass an diesem schönen Tag noch irgendetwas passieren würde.
Und schon meldete sich das Funkgerät durch ein leichtes Schnattern. Im gleichen Moment leuchtete die rote Empfangsdiode.
»Palzki«, meldete ich mich kurz und bündig.
»Du kannst dir deinen Ausflug nach Ludwigshafen abschminken. Dreh bitte schnellstmöglich um. Wir brauchen dich.«
Ich hatte Peter Kleiner erkannt. Damit fing es immer an. Und natürlich war wieder Freitag, und natürlich bedeutete das wieder Wochenendarbeit.
»Was gibt es so Wichtiges, Peter? Hat mal wieder ein Kollege den Colaautomaten mit einem Stück Draht blockiert und der Kasten hat dir eine Diätlimonade spendiert?«
»Du weißt doch ganz genau, dass du vorhin die letzte beschissene Diätlimonade abbekommen hast«, lästerte mein Kollege und wurde gleich wieder dienstlich. »Außerdem wirst du erwartet. Vor ein paar Minuten wurde uns ein Toter gemeldet, wahrscheinlich Fremdeinwirkung. Der Notarzt ist schon eingetroffen und die Spurensicherung unterwegs. Also wird es Zeit, dass auch du dort auftauchst.«
»Könntest du mir freundlicherweise noch sagen, wo ich genau hin muss?«
»Klar doch, Reiner. Schifferstadt, Mutterstadter Straße, stadtauswärts, linkerhand direkt zwischen den alten Bahngleisen und der neuen ICE-Trasse. Nicht zu verfehlen.«
»Okay, habs verstanden, in ein paar Minuten bin ich dort, Ende.«
Ich nahm die Ausfahrt Limburgerhof und fuhr kurz darauf bei Mutterstadt durchs Gewerbegebiet Fohlenweide in Richtung Schifferstadt zum Tatort.
Dabei trommelte ich wütend mit beiden Fäusten auf dem Lenkrad herum. Verdammte Scheiße, warum musste das gerade heute passieren? Warum können sich die Leute nicht am Montag oder Dienstag ermorden lassen? Wie bringe ich das nun wieder Stefanie bei? Um halb sechs will sie mit den Kindern bei mir sein. Hoch und heilig habe ich ihr versprochen, dass Paul und Melanie bis Sonntagabend bleiben können. Nichts, aber auch gar nichts könne diesmal dazwischenkommen. Am Samstag wollte ich mit meinen beiden Kindern nach Haßloch in den Holiday Park fahren und am Sonntag nach Mutterstadt ins Aquabella zum Schwimmen. Stefanie wollte nach Frankfurt zu ihrer Mutter fahren.
Ich rief mich selbst zur Ruhe. Noch war es erst kurz nach 10 Uhr morgens. Vielleicht handelte es sich ja nur um ein einfaches und offensichtliches Kapitalverbrechen. Überzeugt war ich davon aber nicht.
Fast wäre ich am Kreisel in der Fohlenweide einem VW-Passat in die Flanke gefahren, so sehr war ich in Gedanken versunken. Der schimpfende Passatfahrer zeigte mir den Vogel. Ich strafte ihn mit Nichtachtung.
Die Straße war bereits ab der Schifferstadter Umgehungsstraße komplett gesperrt. Ich wurde von einem Kollegen der Schutzpolizei durchgewunken und fuhr deswegen noch wenige Meter weiter, bis ich unter der neuen, auf einem Damm befindlichen ICE-Trasse durch war. Diese lief hier als Tangente nur etwa 100 Meter parallel zur älteren Bahntrasse und sah aus wie ein Schildbürgerstreich. Tatsächlich ging es aber um Minuten. Drei oder gar vier Minuten, wie ich mich zu erinnern glaubte. Soviel schneller jedenfalls war durch die Umgehung des langsamen Schifferstadter Gleisdreiecks die Strecke Mannheim nach Paris geworden. Dafür hatte auf schätzungsweise fünf Kilometern Länge eine beachtliche Fläche Ackerland dran glauben müssen. Das alles für vielleicht vier Minuten. Mir blieben noch etwas über sieben Stunden. Und der Kühlschrank war zu allem Überfluss auch noch leer.
Ich stellte meinen Wagen in die Parkbucht, die direkt nach der ICE-Brücke auf der rechten Seite angelegt war. Für Ortsunkundige war hier ein Stadtplan von Schifferstadt aufgestellt worden. Das Gelände war mit wilden Müllablagerungen übersät. Man könnte fast annehmen, es gäbe hier keine funktionierende Müllabfuhr. Oder warum kam sonst ein normaler Mensch auf die Idee, seinen Hausmüll hier zu entsorgen? Kopfschüttelnd bemerkte ich unter alldem sogar zwei Bettroste und einen Kühlschrank.
Direkt neben der Parkbucht standen zwei einzelne Häuser, die früher wahrscheinlich als Aussiedlerhöfe für Landwirtschaftszwecke genutzt wurden. Direkt hinter diesen Aussiedlerhöfen kam auch schon die alte Bahnstrecke, dahinter begann die eigentliche Ortsbesiedlung.
Der Landwirtschaftsweg, der von der Mutterstadter Straße zwischen den beiden Höfen in Richtung Westen führte, war mir bekannt. Eine Menschenansammlung fiel mir dort auf.
Zum Glück hatte es in den letzten Tagen nicht geregnet, was die Gemüsebauern allerdings nicht als Vorteil ansahen. Dafür staubte der sandige Landwirtschaftsweg nun umso mehr. Das Gelände war weiträumig mit rot-weißem Absperrband eingezäunt. Während ich darunter durchschlüpfte, fielen mir die exotischen Pflanzen auf dem Feld neben dem Weg auf. Wie ich wusste, handelte es sich dabei um Sudangras, eine afrikanische Hirseart. Dieses mais-ähnliche Gewächs wurde alle paar Jahre zur düngenden Bodenpflege gepflanzt, um so den Boden für die nächste Aussaat aufzubessern.
Den stämmigen und groß gewachsenen Dr. Matthias Metzger mit seinen langen feuerroten Haaren und dem unvorteilhaften Mittelscheitel erkannte ich sofort. Der Doktor der Humanmedizin gehörte zu einem ganz besonderen Menschenschlag. Wenig feinfühlig, ging er unbeirrt durchs Leben. Im 19. Jahrhundert hätte man ihn sich gut als Revolverhelden im Wilden Westen vorstellen können.
Er unterhielt sich gerade mit einem Beamten, der ein weißes Laken in der Hand hielt, um damit den Toten provisorisch abzudecken. Dieser lag noch rücklings verkrümmt in der ungemähten Grasnarbe neben dem Landwirtschaftsweg, nur zwei Schritte neben dem Acker mit dem Sudangras. Die Leiche war vollständig bekleidet.
»Tach, Herr Doktor«, sprach ich Metzger schon aus einigen Metern Entfernung an. Er drehte sich um und wandte sich mir mit einem flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr zu.
»Tach, Herr Kriminalhauptkommissar, auch schon da?«
Dabei verzog er mehrmals seinen linken Mundwinkel nach hinten. Für Fremde hatte sein nervöser Tick etwas Absonderliches. Ein Arzt mit nervösen Zuckungen, da konnte etwas nicht stimmen. Tatsächlich hatte Metzger seine Zulassung als praktizierender Arzt schon vor Jahren abgegeben und sich ins Privatleben zurückgezogen. Nur aus Langeweile fuhr er vereinzelt noch Touren als Notarzt.
»Wie kommen Sie denn zu der großen Ehre, den Toten als Erster untersuchen zu dürfen? Ich dachte, Sie übersommern in Norwegen, wie jedes Jahr, wenn es Ihnen hier zu heiß wird.«
Metzger lächelte.
»Ich fliege erst in einigen Wochen nach Oslo in mein Sommerquartier. Zufällig war ich mit meinem Wagen gerade in der Nähe. Sie wissen ja, Tote haben mich schon immer fasziniert.«
Er lachte heiser und glucksend vor sich hin. Zusammen mit den nicht enden wollenden Zuckungen erinnerte er mich immer ein wenig an Dr. Frankenstein. Ich schauderte. Wie musste es wohl früher seinen Patienten ergangen sein? Ob er überhaupt Stammpatienten hatte oder ob es sich nur um einmalige Überweisungsfälle von Kollegen handelte? Ich wusste es nicht.
»Okay Meister, und was hat Ihnen der Tote so alles zugeflüstert?«
»Bisher nicht allzu viel. Schauen Sie ihn sich mal an, stumpfe Gewalteinwirkung auf den vorderen Schädelbereich, wahrscheinlich mit einem Hammer oder so was in der Art. Das muss nach ersten Schätzungen so vor ungefähr einer Stunde passiert sein. Genaueres wird wie immer die Obduktion ergeben. Natürlich erledige ich das gerne für Sie, ich habe bis zu meinem Urlaub noch genügend Zeit. Ihr Kollege hier hat übrigens einen Ausweis gefunden. Irgendetwas mit -linski hinten, polnischer Staatsbürger. Auch eine zeitlich beschränkte Arbeitserlaubnis war bei seinen Papieren. Er hat als Erntehelfer bei einem Großmarkt in Limburgerhof gearbeitet. Laut Genehmigungsstempel ist er seit gut vier Wochen in Deutschland.«
Angewidert musste ich mich mit Brechreiz abwenden. Dr. Metzger packte tatsächlich eine schon ziemlich reife Banane aus seinem nicht gerade besonders sauberen Kittel aus, schälte sie und begann langsam schmatzend zu essen.
Ich hatte nun Gelegenheit, mir das Opfer näher anzuschauen. Ein noch recht junger Mann, schätzungsweise Anfang 30. Seine offenen Augen...
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