Schweitzer Fachinformationen
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Bei allen wesentlichen Entscheidungen zur Betreuung und Erziehung Ihres Kindes gilt das «Kindeswohl» als Leitkriterium. Besonders relevant wird die Frage, ob das Wohl des Kindes gewährleistet ist, wenn Eltern um das Sorgerecht, die Betreuungsanteile oder den persönlichen Verkehr streiten.
Alle Beteiligten - Eltern, Anwälte, Gerichte und Kesb - nehmen dann für sich in Anspruch, im Sinn des Kindeswohls zu handeln. Doch nicht alle verstehen dasselbe darunter und manchmal wird der Begriff auch instrumentalisiert.
EIN VATER setzt sich für die alternierende Obhut mit einer 50:50-Aufteilung der Betreuung ein und begründet seinen Antrag mit dem Kindeswohl. Genau dasselbe Argument - das Kindeswohl - führt auch die Mutter ins Feld, die der Meinung ist, dass sie die Kinder bisher hauptsächlich betreut hat, dass die Kinder einen Lebensmittelpunkt brauchen und daher die Obhut bei ihr sein muss.
Das Schweizerische Zivilgesetzbuch bietet keine Definition des Begriffs «Kindeswohl». Der Begriff ist gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen und kann in der Praxis mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden. Es gibt aber einen internationalen gemeinsamen Nenner, der ihm zugrunde liegt: die Rechte des Kindes, die in der UN-Kinderrechtskonvention verankert sind. Sie wurde am 20. November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen und ist für die Schweiz am 26. März 1997 in Kraft getreten.
Vor diesem Hintergrund umfasst das Kindeswohl alle positiven Lebensumstände, die dem Kind zu einer guten und gesunden Entwicklung verhelfen. Dazu gehören elementare Dinge wie ein Dach über dem Kopf sowie ausreichende Kleidung, Ernährung und Gesundheitsversorgung. Zudem brauchen Kinder für ihr Wohlergehen beständige liebevolle Beziehungen und Zuwendung, Schutz vor körperlicher und seelischer Gewalt, Lob und Anerkennung, Respekt und Achtung, Verbindlichkeit in den Beziehungen und eine sichere Lebensorientierung.
HINWEIS | Definition Kindeswohl Der Begriff Kindeswohl meint also ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen den Bedürfnissen eines Kindes und seinen Lebensbedingungen.
In Ihrer Familie kommt das Kindeswohl darin zum Ausdruck, dass Sie als Eltern aufgrund der Ressourcen, die Sie zur Verfügung haben, diejenigen Entscheidungen treffen, die Ihrem Kind die bestmöglichen Voraussetzungen für sein Wohlergehen bieten. Dieser Gedanke wurde auch in Artikel 302 des Zivilgesetzbuchs verankert: «Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen.»
Eine Gefährdung des Kindeswohls kann zu körperlichen und/oder seelischen Schäden und zu Entwicklungsstörungen führen. Die Ursachen für Kindeswohlgefährdungen sind unterschiedlich. Oft hängen sie mit einer Überforderung der Eltern respektive mit einer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit eines oder beider Elternteile zusammen (zur Erziehungsfähigkeit siehe Seite 45). Es werden vier Formen unterschieden:
Vernachlässigung
Körperliche Misshandlung
Psychische, emotionale Misshandlung
Sexuelle Misshandlung
Die Vernachlässigung ist die häufigste Form der Kindeswohlgefährdung. Sie kann zu Störungen der körperlichen, emotionalen, sozialen und geistigen Entwicklung führen. Es gibt verschiedene Arten der Vernachlässigung:
Körperliche Vernachlässigung: zu wenig zu essen oder zu trinken geben, unzureichende Hygiene, keine medizinische Versorgung
Emotionale Vernachlässigung: zu wenig liebevolle Zuwendung, zu wenig Austausch mit dem Kind
Kognitive, erzieherische Vernachlässigung: nicht mit dem Kind sprechen, sich nicht mit ihm beschäftigen, das Kind nicht fördern, seine Lernbedürfnisse ignorieren
Ungenügende Beaufsichtigung: das Kind allein lassen, nicht reagieren, wenn es lange wegbleibt
Körperliche Misshandlungen sind Verletzungen, die Eltern ihrem Kind zufügen, zum Beispiel durch Ohrfeigen, Schläge, Stösse, Schütteln. Das Kindeswohl kann aber auch gefährdet sein, wenn das Kind Zeuge von Gewalt in der Familie wird.
Die Folgen dieser Form der Misshandlung sind nicht nur körperliche Verletzungen, sondern auch psychische Belastungen, die sich zum Beispiel durch Ängste, Schlafstörungen, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten äussern können.
Dabei misshandeln Eltern ihr Kind, indem sie ihm zu verstehen geben, dass es ungeliebt, wertlos, voller Fehler oder nur dazu da ist, die Bedürfnisse anderer Menschen - zum Beispiel der Eltern - zu erfüllen. Es gibt verschiedene Formen:
Feindselige Ablehnung: Das Kind wird ständig kritisiert, beschämt oder gedemütigt.
Terrorisieren: Das Kind wird durch häufige Drohungen oder bedrohliche Ereignisse in einem Zustand der Angst gehalten.
Isolation: Das Kind wird von altersgerechten Sozialkontakten ferngehalten.
Psychische Misshandlungen behindern das Kind in seiner Entwicklung und können zu seelischen Schäden führen.
Als sexuelle Misshandlung wird jede sexuelle Handlung mit oder vor einem Kind sowie der Einbezug eines Kindes in sexuelle Handlungen von Erwachsenen verstanden (mehr dazu auf Seite 129).
Die Verletzung der sexuellen Integrität von Kindern stellt ein schwerwiegendes Verbrechen dar. Sexuelle Misshandlungen können zu seelischen Traumata und psychischen Störungen führen, die zum Teil ein Leben lang bestehen bleiben.
HINWEIS | Äusserungen ernst nehmen Es gibt keine spezifischen oder eindeutigen Anzeichen, die auf einen sexuellen Missbrauch hinweisen. Wenn aber ein Kind spontan und ungefragt von einem sexuellen Übergriff berichtet, müssen Sie seine Äusserungen ernst nehmen und abklären lassen.
Jedermann - auch Sie als Privatperson - ist bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung berechtigt, eine Gefährdungsmeldung bei der Kesb zu machen. Gerade Privatpersonen sind jedoch oft verunsichert, wie eine konkrete Situation einzuschätzen ist und ob eine Meldung tatsächlich das Richtige ist. Deshalb gibt es niederschwellige Beratungsangebote, zum Beispiel:
Mütter- und Väterberatung
Familien- und Jugendberatungsstellen
Schulen, Schulsozialarbeiterin, schulpsychologische Dienste
Kinder- und jugendpsychiatrische Dienste
Heilpädagogische Dienste
Sozialberatungsstellen, soziale Dienste
Hausärztin, Kinderarzt
Nehmen Sie diese Angebote bei Fragen oder Unsicherheiten ungeniert in Anspruch. Machen Sie eine Gefährdungsmeldung nie leichtfertig, sondern nur bei begründetem Verdacht.
Personen, die in einer amtlichen Tätigkeit von der Gefährdung eines Kindes erfahren, haben eine Meldepflicht und müssen an die Kesb gelangen. Zu diesem Personenkreis gehören beispielsweise auch Lehrerinnen, Jugendarbeiter oder Beiständinnen (Art. 443 Abs. 2 ZGB).
Fachpersonen, die dem Berufsgeheimnis unterstehen, zum Beispiel Ärztinnen und Therapeuten, haben ein Melderecht. Das heisst, sie können, müssen aber nicht eine Meldung an die Kesb machen, wenn sie Kenntnis von einer Kindeswohlgefährdung erhalten.
Machen Sie eine Gefährdungsmeldung niemals leichtfertig, sondern nur bei einem begründeten Verdacht.
Für die professionelle Abklärung einer Kindeswohlgefährdung und für Kindesschutzmassnahmen ist die Kesb zuständig. Ihre Abklärungen dienen dazu, die Situation in einer Familie fundiert zu erfassen und geeignete Massnahmen aufzugleisen.
Eine Kesb besteht aus mindestens drei Behördenmitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern.
Sie entscheidet jeweils in dreiköpfigen Spruchkörpern.
Jedem Spruchkörper gehört mindestens je ein Mitglied der Fachrichtung Recht und der Fachrichtung Soziale Arbeit mit mehrjähriger Berufserfahrung an.
Zudem muss mindestens ein Behördenmitglied über eine Ausbildung in den Bereichen Pädagogik, Psychologie, Gesundheit oder Treuhandwesen verfügen.
Kindesschutzmassnahmen dürfen von den Behörden erst dann ergriffen werden, wenn eine Gefährdung des Kindes vorliegt und Sie als Eltern nichts dagegen unternehmen wollen oder können. Von gesetzlicher Seite stehen vier Massnahmen zur Verfügung, die unterschiedlich stark in eine Familie eingreifen:
Ermahnung, Weisung und Aufsicht (Art. 307 ZGB): Das ist die mildeste Kindesschutzmassnahme. Die Kesb erteilt Ihnen Weisungen, zum Beispiel dass Sie einen Erziehungskurs besuchen oder eine Therapie für Ihr Kind in die Wege leiten sollen. Die Kesb kann auch eine Fachperson bestimmen, die Sie und/oder Ihr Kind in bestimmten Angelegenheiten berät und beaufsichtigt, zum Beispiel eine sozialpädagogische Familienbegleitung bei Ihnen zu Hause. Dieser Person müssen Sie dann Einblick und Auskunft...
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