- Kapitel 3 -
Die Expansion des Universums
B
ereits in den vorherigen Kapiteln haben wir festgestellt, dass das Universum nicht starr ist. Es dehnt sich aus und diese Feststellung steht im Einklang mit der Theorie des Urknalls. Dass das Universum jedoch in Bewegung ist, war nicht immer der aktuelle Stand der Wissenschaft. Albert Einstein selbst beschrieb im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie ein statisches Universum, dass folglich auch nicht expandiert. Ebenso sah es noch Einsteins Kollege Willem de Sitter. Der US-Amerikaner und Astronom Vesto Slipher hegte Ende der 1920er Jahre erste Zweifel an der Vorstellung eines starren Universums. Slipher bemerkte die Rotverschiebung einiger entfernter Galaxien und stellte somit fest, dass es Objekte außerhalb der Milchstraße geben muss. 1927 war es der Belgier Georges Lemaître, der schließlich auf der Basis der Relativitätstheorie ein dynamisches Universum beschrieb. Wichtig bei dieser Erkenntnis war, dass diese Expansion nicht in einem festen Raum stattfindet. Der Raum selbst dehnt sich aus. Dieses Phänomen haben wir in den vorherigen Kapiteln bereits anhand des Kuchens und den Nüssen darin festgestellt. Der Astronom Lemaître bezeichnete seine Entdeckung als Galaxienflucht. Edwin Hubble - Namensgeber der Hubble-Konstante - beschrieb einige Jahre vor Lemaître bereits weit entfernte Galaxien. Aus dieser Erkenntnis heraus, die er mit der festgestellten Rotverschiebung von Slipher verband, erstellte Lemaître die Hubble-Konstante. Diese neuen Theorien brachten auch das Urgestein der Physik, Albert Einstein, zum Umdenken. Einstein verwarf angesichts der Erkenntnisse Lemaîtres, Sliphers und Hubbles den Gedanken, dass das Universum ein starrer Raum sei.
Heute ist die Expansion des Universums eine von der Wissenschaft allgemein anerkannte Theorie. Dies bedeutet nicht, dass alle Aspekte vollständig geklärt sind. Das gilt insbesondere dann, wenn es um die Geschwindigkeit des expandierenden Raumes geht. Denn die Geschwindigkeit variierte im Laufe der Jahre. Zunächst dehnte sich das Universum während der sogenannten Inflation mit ungeheurer Geschwindigkeit aus. Anschließend verlangsamte sich die Geschwindigkeit der Ausdehnung. Dies klingt recht einleuchtend. Doch die Astronomie machte nun die Entdeckung, dass die Ausdehnung des Raumes wieder an Fahrt aufnimmt. Da wir hier von immensen Entfernungen sprechen, kümmern wir uns zunächst um die Frage: Wie kommt die Wissenschaft eigentlich auf die Idee, dass sich das Universum ausdehnt? Der Grund ist die bereits erwähnte Rotverschiebung. Dieser Begriff bedeutet eine Verschiebung der Spektrallinien zum roten Bereich (und somit zum Ende) des sichtbaren Spektrums hin. Das hat eine besondere Bedeutung bei der Bestimmung astronomischer Längenmaße. Kurz gesagt: Je rotverschobener - also je "röter" - uns ein Punkt bei der visuellen Beobachtung erscheint, desto weiter ist er entfernt. Anhand des Ausmaßes dieser Verschiebung können Astronomen Entfernungen messen. Doch nicht nur das: Mittels der Rotverschiebung lässt sich auch eine Bewegung des beobachteten Objektes ermitteln. Die emittierte Welle wird praktisch auseinandergezogen, sie wird länger und erscheint uns röter. Auch das Gegenteil lässt sich beobachten. Bewegt sich ein Objekt auf uns zu, wird die Welle "blauer", was auch Blauverschiebung genannt wird. Die Blauverschiebung rührt daher, dass Spektrallinien im blauen Bereich niedrigwelliger sind.
Richten Astronomen den Blick zu den Sternen, wurde die beschriebene Rotverschiebung immer wieder registriert. Das einfallende Licht erscheint - einfach ausgedrückt - "röter" als das Licht, das vor mitunter Jahrmillionen von dem emittierenden Objekt ausgestrahlt wurde. Auch hier wurden die Wellen praktisch auseinandergezogen. Und dies lässt ein wichtiges Fazit zu: Seitdem das Objekt das Licht abgegeben hat, hat es sich von unserem Beobachtungspunkt - der Erde - entfernt. Mittels der Rotverschiebung wurde daher festgestellt, dass das Universum nicht starr ist, sondern sich ausdehnt. Würde es in sich schrumpfen, würden die Wellen nicht ausgedehnt, sondern gestaucht werden. Demzufolge würde uns das Licht in diesem Szenario blauer als erwartet erreichen. Das ist jedoch nicht der Fall. Ein sich entfernendes Objekt, wie beispielsweise ein Stern wie es unsere Sonne ist, wird immer röter und verschwindet irgendwann komplett.
Dass unser Universum expandiert, war der Wissenschaft nicht immer vollständig bewusst. So war es zunächst unklar, ob das Universum ins Unendliche expandiert, immer langsamer wird oder gar zum Stillstand kommt und sich schließlich wieder zusammenzieht. Bei der Beobachtung von einer Gruppe von Supernovae im Jahr 1998 konnten die drei Wissenschaftler Brian Schmidt, Saul Perlmutter und Adam Riess feststellen, dass sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern dass es sogar immer schneller wird. Dafür gab es 2011 den Physiknobelpreis - denn die Entdeckung der Beschleunigung war bahnbrechend und kam unerwartet. Tatsächlich war es bis dahin der gängige Stand der Forschung, dass die Ausdehnung des Universums immer langsamer wird. Nun stellt sich die Frage: Warum wird die Ausdehnung des Raumes eigentlich immer schneller. Die Wissenschaft bleibt (noch) eine Antwort schuldig, präsentiert mit der Theorie der Dunklen Energie aber eine Hypothese. Diese bisher unbekannte und rätselhafte Energieform soll der Gravitation der Materie im Universum entgegenwirken. Und eine Randerscheinung soll die Dunkle Energie ebenfalls nicht sein: Es wird vermutet, dass die Dunkle Energie etwa 68 Prozent der gesamten Dichte des Universums ausmacht. In Anbetracht der Tatsache, dass wir von einer hypothetischen Energieform sprechen, kommt der Dunklen Energie also eine große Bedeutung zu. Wie es bei einer Hypothese so üblich ist, wird diese geheimnisvolle Energie nicht beschrieben wie sie ist, sondern wie sie sein muss, um die Beobachtungen zu stützen. Um die festgestellte Ausdehnung des Universums zu verursachen, muss ihr Druck negativ sein. Negativer Druck beschreibt in diesem Fall eine Art umgekehrte Gravitation die zu einer Abstoßung statt einer Anziehung führt. Vergleichbar ist dies mit zwei gleichen Polen zweier Magneten. Diese Energie soll das Universum praktisch auseinandertreiben und das mit zunehmender Geschwindigkeit.
Wenn nun die Dunkle Energie 68 Prozent der kompletten Dichte und Energie im gesamten Universum ausmachen soll, was ist dann mit dem Rest? Die baryonische Masse, auf die wir bei unserer Reise noch häufiger stoßen werden, ist es jedenfalls nicht. Diese, auch baryonische Materie genannt, besteht aus Quarks und Leptonen. Und wir meinen damit das, was wir uns bei dem Wort "Materie" auch wirklich vorstellen. So bestehen Planeten, die Erde und auch wir selber aus eben jener Masse.
Forscher gehen davon aus, dass das Universum höchstens zu fünf Prozent aus dieser Masse besteht. Aber was ist mit dem Rest? Um das knappe letzte Viertel des Universums zu füllen, kommen wir zwangsläufig zur Dunklen Materie, die nicht mit der Dunklen Energie zu verwechseln, aber auch nicht minder rätselhaft ist. Genauso wie die Dunkle Energie ist die Dunkle Materie nicht von uns direkt beobachtbar. Aber gemäß den grundlegenden Gravitationsgesetzen muss sie vorhanden sein, da wir ihre Auswirkungen beobachten können. Denn um die Phänomene, auf die Astronomen bei der Erforschung des Universums treffen, erklären zu können, reicht die beobachtbare Masse und Energie nicht aus. Es muss also noch etwas weiteres existieren, das wir nicht sehen können. Somit war die Theorie der Dunklen Materie geboren, die die Bewegung der sichtbaren Materie erklären soll. Nur mittels der Dunklen Materie lässt sich die Geschwindigkeit erklären, mit der Sterne das Zentrum einer Galaxie umkreisen. Denn in den Außenbereichen einer Galaxie ist die Bewegungsgeschwindigkeit um ein Vielfaches höher als sie eigentlich sein dürfte, da dort weniger gravitative Effekte herrschen als bei zentrumsnahen Objekten. Die Rotationsgeschwindigkeit ist somit eine andere, als dass sie von den beobachtbaren Objekten herrühren.
Dies bedeutet im Umkehrschluss: Es muss noch etwas anderes geben. Aber was die Dunkle Materie genau ist und wie sie sich zusammensetzt, ist eines der größten Rätsel der Wissenschaft. Ein Nachweis im Labor konnte nicht erfolgreich durchgeführt werden und die Zusammensetzung der Dunklen Materie gilt nach wie vor als unbekannt. Um sich der Lösung dieser Frage anzunähern, gibt es mittlerweile zahlreiche Ansätze. Grundsätzlich unterschieden werden zwei Möglichkeiten unterschieden. Entweder wird die Dunkle Materie als Teil der baryonischen Materie oder als Teil der nicht-baryonischen Materie betrachtet. Schauen wir uns zunächst die Ansätze an, wenn wir davon ausgehen, dass die mysteriöse Dunkle Materie genauso wie die herkömmliche Masse aus Protonen, Neutronen und Elektronen besteht. Einer der Lösungsansätze beschreibt die Dunkle Materie als kaltes Gas. Kalt deshalb, da heiße Gase Strahlung emittieren, die messbar wäre. Bei kalten Gasen ist das nicht der Fall. Gegen diese Hypothese sprechen jedoch die Dichteverhältnisse. Wäre die Dunkle Materie ein dichtearmes Gas, wären die gemäß der Theorie gefordert Masseverhältnisse kaum aufzubringen. Ein weiteres Modell beschreibt die Dunkle Materie als kalte Staubwolke. Kalt müsste diese Wolke zwangsläufig sein, damit sie - wie das eben genannte Gas - keine Strahlung abgibt. Aber auch hier gibt es einige Schwierigkeiten. Denn bestünde die Dunkle Materie aus Staub, wäre sie nicht mehr dunkel. Das einfallende Licht anderer Sterne würde durch die Partikel zumindest teilweise wieder reflektiert. Und dies würde zu einer Sichtbarkeit führen. Außerdem ist hier das Masse-Problem relevant. Um die Dunkle Materie als Staubwolken...