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So war es gut. Jetzt lag sie genau richtig. Auf dem Rücken, mit leicht angewinkelten Beinen auf dem harten Boden. Eigentlich hatte er sie eingraben wollen, doch der Lehmboden war unerwartet hart gewesen. So hatte er es dabei belassen, eine flache Kuhle mit dem Klappspaten auszukratzen, in die er sie nun gebettet hatte. In der reetgedeckten Hütte roch es nach feuchtem Lehm. Dabei hatte er sie nur halb vergraben, denn es war nicht seine Absicht, sie verschwinden zu lassen. Im Gegenteil: Sie sollte hier gefunden werden. Mit zufriedenem Blick erhob er sich und klopfte sich den Dreck von der Kleidung. Ohne Hast klappte er den Spaten zusammen, um ihn im Rucksack verschwinden zu lassen. Nachdem er den Rucksack geschultert hatte, betrachtete er sie mit verzücktem Gesicht. Wie schön sie doch sogar im Tod noch war. Ihre langen blonden Haare hatte er mit einer mitgebrachten Bürste so drapiert, dass sie ihren Kopf umgaben wie eine Gloriole. Die Arme hatte sie ausgestreckt, so als wolle sie etwas oder jemanden mit offenen Armen in Empfang nehmen. Auch die Beine ragten leicht angewinkelt aus der Lehmkuhle, fast so, als wolle sie mit ihrem Schoß einen Liebhaber empfangen.
Wunderschön.
Wäre da nicht das hässliche blutverschmierte Loch an ihrer Schläfe, könnte man denken, dass sie schliefe. Wenngleich die Position auch ungewöhnlich war, wie er sich eingestehen musste. Er sah sich um. Ob und wann sie hier gefunden wurde, konnte er nur erahnen. Ihm war es egal. Der Wind trug das Rauschen der Blätter am Danewerk an seine Ohren. Nur selten vernahm er Geräusche von Automotoren auf der Bundesstraße. Irgendwo gluckste es im Unterholz, er glaubte, das leise Schnattern einer Entenfamilie hören zu können.
Zufrieden betrachtete er sein Werk. Den Stein hatte er einen guten halben Meter neben ihr in den Lehm gelegt. Sie würden ihn finden und wissen, was er mit ihr getan hatte. Er genoss den Zustand der aufsteigenden Erregung, der ihn bei ihrem Anblick ergriff, spürte den trockenen Mund, das leichte Zittern in den Händen, das Glühen in seinem Schritt.
Sie hat es verdient.
Hastig strich er mit den Füßen seine Spuren im Lehm so glatt, wie es ging. Er trat einen Schritt zurück, um sein Werk ein letztes Mal in Ruhe zu betrachten. Kurz war er versucht, mit dem Handy ein Foto zu machen, doch er verkniff sich die Aufnahme und versuchte, sich das Bild einzuprägen. Sie musste einfach sterben.
Schuld war sie selber, diese Schlampe.
Der Gedanke an das, was sie getan hatte, versetzte ihn in einen Wahn. Als hinter ihm ein Ast knackte, fuhr er herum. Von der Wut gepackt, suchte er nach dem Verursacher des Geräusches, konnte aber niemanden finden und richtete den Blick wieder auf die Frau am Boden. Sie wirkte so friedlich, wie sie da lag, mit offenen Armen und Beinen. Nie wieder würde sie jemandem Unrecht tun können.
Er gab seinem Bedürfnis nach, öffnete den Reißverschluss seiner Hose, stellte sich breitbeinig über die Tote und erleichterte sich über sie. Für ihn war es das schönste Gefühl der Welt. Als er fertig war, schloss er seine Hose wieder, trat zurück, schenkte ihr zum Abschied einen letzten Blick, warf sich den schweren Rucksack über die Schultern und machte, dass er die Hütte verließ.
*
Schuby, 1.20 Uhr:
»Hier ist es.« Beck deutete durch die Windschutzscheibe des Kastenwagens nach vorn auf eines der einfachen Backsteinhäuser. Er schloss die Navigationsapp seines Smartphones und schob das Handy zurück in die Jackentasche. Langsam ließ Kristin den Transporter durch die verlassene Straße am Rand von Schuby rollen. Das gesuchte Haus war eher unscheinbar und gehörte zu einer Reihe von Einfamilienhäusern, die sich fast wie ein Ei dem anderen ähnelten. Rechts gab es eine Zufahrt und einen Carport, links einen kleinen Vorgarten mit Plattenweg, der zum Hauseingang führte. Aus dem Schornstein kräuselte sich feiner Rauch in den inzwischen sternenklaren Nachthimmel, in den Fenstern brannte um diese Uhrzeit erwartungsgemäß kein Licht.
Unter dem hölzernen Carport stand ein rostiger Berlingo in Blassblau, an einer Bank lehnte ein schwarzes Herrenrad. Eine Tür führte offenbar in den Garten hinter dem Haus. Die Blumen in dem Waschbetonkübel neben dem Eingang waren verrottet. Moos hatte sich auf der Blumenerde gebildet. Alles machte einen heruntergekommenen Eindruck auf Kristin. Sie stoppte den Lieferwagen am Straßenrand und saß weit vorgebeugt hinter dem Lenkrad, um die Umgebung in Augenschein zu nehmen. Der Diesel erstarb mit einem letzten Grummeln, dann kehrte Ruhe im kleinen Fahrerhaus ein.
»Mit so einer Kiste bin ich auch noch nie zum Einsatz gefahren.« Beck grinste neben ihr schief, als er den Sicherheitsgurt des Beifahrersitzes löste und die schwere Tür aufstieß.
»Irgendwann ist immer das erste Mal.« Kristin stand bereits neben dem Leihtransporter. Den Focus hatten sie Paulsen gelassen, damit der Hauptkommissar an der Einsatzstelle mobil blieb.
Als sie den Weg zum Haus betraten, flammte ein an der Dachrinne befestigter Scheinwerfer auf und blendete Kristin und Beck. Schweigend durchschritten sie den kleinen Vorgarten und standen schließlich unter dem verwitterten Vordach aus Glasfaserkunststoff. Am Klingelbrett gab es nur einen einzigen Namen.
»Wir sind richtig.« Zufrieden nickend legte Beck den Daumen auf den Klingelknopf. Das Rattern der altmodischen Hausglocke erschien ihr in der nächtlichen Stille der Siedlung überlaut. Kristin rechnete damit, dass in den Nachbarhäusern die Lichter angingen.
Kristin drehte der Haustür den Rücken zu, um die Umgebung auf sich wirken zu lassen.
Im Haus näherten sich Schritte. »Wo hast du schon wieder gesteckt?«, polterte eine raue Stimme, während im Schloss ein Schlüssel gedreht wurde. »Hast du mal auf die Uhr geguckt? Es ist jetzt .« Der Mann, der mit grimmiger Miene die Haustür öffnete, brach erschrocken ab, als er die Polizisten sah. Kristin betrachtete ihn. Sie schätzte ihn auf Anfang 40, er war von untersetzter Statur, hatte lichtes Haar und einen Bart. Er trug ein fleckiges T-Shirt und eine ausgebeulte graue Jogginghose zu Tennissocken, die in blau-weiß gestreiften Badelatschen steckten. Kristin wehte eine Alkoholfahne entgegen. Sie atmete flach.
»Wer sind Sie und was zum Teufel .«
»Mein Name ist Jens Beck, das ist meine Kollegin Kristin Voss.« Im Gegensatz zu Kristin war Beck im Besitz seines Dienstausweises, den er dem Mann jetzt entgegenhielt.
»Kripo?«
»Herr Adamo?«, antwortete Beck mit einer Gegenfrage.
Der ungepflegt wirkende Mann nickte. »Worum geht es?« Er seufzte. »Ist was mit Maike?«
»Vielleicht können wir das im Haus besprechen?«, fragte Beck und deutete an Adamo vorbei in den Flur.
»Also ist etwas mit Maike«, brummte Adamo und gab widerwillig den Eingang frei.
Ihn zog nichts nach Hause. Er wusste, dass ihm dort die Decke auf den Kopf fallen würde. Jetzt einfach so heimzufahren, wäre ein sehr unwürdiger Abschluss nach einem sehr erfolgreichen Tag, der eigentlich gefeiert werden musste. Doch die Uhrzeit passte nicht zum Feiern, also fuhr er ziellos mit dem Auto durch die Gegend. Je weiter er nach Westen kam, umso sternklarer wurde die Nacht. Die kühle Luft drang durch das geöffnete Fenster ins Wageninnere. Es tat gut, die Weite des Landes zu spüren.
Gelöst von dem, was hinter ihm lag, trommelte er den Takt der Musik aus dem Radio auf dem Lenkradkranz mit. Es tat gut zu fühlen, wie die Anspannung der letzten Tage langsam von ihm abfiel. Alles war gut gelaufen, eigentlich sogar besser, als er es sich erträumt hatte. Er war der Bundesstraße nach Westen gefolgt und hatte irgendwann Dagebüll erreicht. Die Fahrt führte vorbei an schmucken Holzhäusern, die kleinere Geschäfte und Ferienwohnungen beherbergten. Dann lag Dagebüll Mole vor ihm. Viel zu lange schon war er nicht mehr hier gewesen. Vom Fährhafen aus legten tagsüber die Schiffe nach Föhr und Amrum ab. Doch um diese Zeit herrschte eine geisterhafte Leere am Anleger. So fuhr er bis zum Aussichtspunkt auf der Landzunge, die ein paar Meter weit in die Nordsee ragte. Es herrschte Flut, und der Wind peitschte das Wasser bis an die Kaimauer des Hafens. Nachdem er den Motor abgeschaltet hatte, genoss er sekundenlang die Stille hier draußen, bevor der den Sicherheitsgurt löste und ausstieg. Ohne den Blick von der See zu nehmen, umrundete er den Wagen und lehnte sich rücklings an die noch warme Motorhaube. Nachdem er den Reißverschluss seiner Jacke bis zum Kragen hochgezogen und die Hände in den Jeanstaschen versenkt hatte, stand er einfach da, reckte die Nase in den würzigen Wind und genoss die Weite, die sich ihm bot.
Zu seiner Linken lagen die drei Fähranleger verlassen da. In ein paar Stunden würden sich die ersten Schiffe mit Touristen und Pendlern füllen, um zu den Inseln aufzubrechen, doch noch hatte er die Mole für sich. Das Klimpern der Karabiner im Wind am Fahnenmast klang wie eine Melodie in seinen Ohren und mischte sich stakkatoartig unter das Geschrei der Möwen, die im Wind taumelten. Wieder richtete er den Blick auf das Meer. Er spürte die unendliche Tiefe und Weite der Nordsee und fühlte sich zum ersten Mal seit langer Zeit frei. Wasser übte eine magische Anziehungskraft auf ihn aus.
Während er auf die See hinausblickte, ordnete er seine Gedanken. Bisher war alles gut gelaufen, und er war zufrieden mit sich und dem Ergebnis. Nun war es wichtig, nicht leichtsinnig zu werden. Er sog die Luft tief durch die Nase ein und überlegte sich die nächsten Schritte. Das, was er heute...
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