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Seele ist ein Begriff, der für vieles verwendet wird - sowohl in der Alltagssprache als auch in den Humanwissenschaften. Hier soll lediglich versucht werden, eine an der Bibel orientierte Definition zu geben. Diese liegt dem Seelsorgeverständnis dieses Buchs zugrunde. Vorneweg sei genannt, was die Seele diesem Verständnis nach nicht ist:
Seele ist kein unsterblicher, gar göttlicher Teil in einem Menschen, der diesen überdauert und ewig lebt. Biblisch lebt nicht nur die Seele nach dem Tod bei Gott weiter, sondern auch der verwandelte Leib.
Seele steht nicht für das Verbindungsorgan, das einen Menschen mit Gott verknüpfen kann. Biblisch wird Gott auch mit anderen (Sinnes-)Organen wahrgenommen. Gott wurden von den Menschen der Bibel gesehen, gehört und leiblich gespürt.
Seele bezeichnet nicht den Teil eines Menschen, der auch erkranken kann, aber von körperlichen Beschwerden gesondert betrachtet wird. Biblisch gesehen ist die Seele mit dem Leib untrennbar in Gesundheit und Krankheit verbunden.
Das Alte Testament verwendet für die Seele ein hebräisches Wort, das den Schlund, den Rachen und die Kehle eines Menschen bezeichnet. Durch diese Organe nehmen wir Menschen entscheidende Lebensmittel auf, die wir zum physischen Überleben brauchen: Luft, Essen, Trinken. Seele meint deshalb eine »Bedürftigkeit, Angewiesenheit und Empfänglichkeit des Menschen.«16 Seele beschreibt die menschliche Bedürftigkeit für das, was ein Mensch sich nicht selbst geben kann - die Kraft zum Leben und die Beziehungen des Lebens.
Die Seele als Lebenskraft
Die Seele empfängt über die Nase eines Menschen den Odem des Lebens bei der Schöpfung (1. Mose 2,7). Wird sie genommen, ist auch das Leben an seinem Ende (u. a. 1. Könige 19,4). Die Seele ist die Lebenskraft und in einem ganz umfassenden Sinn »das Leben selbst«17. Die Seele als Lebenskraft wird berührt, wenn es um das Geschenk oder die Gefährdung des Lebens, um das Geborenwerden oder Sterben, um Gesundheit oder Krankheit geht. Seele ist Leben in seiner Verdanktheit und Begrenztheit.18 Wenn die Seele als Lebenskraft »Sorge« braucht, ruft sie danach, dass Menschen sich über neu geschenktes Leben mitfreuen oder im Sterben mitleiden, dass sie bei Genesung mittanzen oder bei Schmerzen mitaushalten, dass sie Geburtstage mitfeiern oder in Trauer trösten.
Die Seele als Verlangen nach Beziehung
Seele steht auch spezifisch für die menschliche »Bedürftigkeit, Abhängigkeit und Verletzlichkeit im menschlichen Miteinander und im Verhältnis zu Gott«19. Seele meint das soziale Bedürfnis eines Menschen nach Beziehungen. Menschen brauchen zwischenmenschliche Beziehungen. Sie brauchen Eltern und Fürsorgende, Freund:innen und Partner:innen, Kolleg:innen und Nachbar:innen, Familienangehörige und die nächsten Generationen. Menschen brauchen auch eine Beziehung zum Grund allen Seins, zu Gott. Das kann der christliche Glaube oder eine andere Religion sein, der Menschen anhängen. Noch allgemeiner gesagt: Menschen brauchen ein Vertrauen darauf, dass die Welt irgendwie zusammenhängt und sie auf diesen Zusammenhang hin ihr Leben verlässlich und sinnhaft gestalten können. Aus den zwischenmenschlichen Beziehungen und aus der Beziehung zum Großen und Ganzen entwickeln Menschen einen Selbstbezug. Das meint die Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen und einzuschätzen. Es geht dabei um die vielen »Selbsts«: Selbstbewusstsein, Selbstwert, Selbstachtung, Selbstkritik und Selbstwerdung. Seele meint die Angewiesenheit auf eine Beziehung zu sich selbst, die sich an anderen Beziehungen entwickelt.
Selbstreflexion
Der Seele geht es also auch um die Antworten auf große Fragen. Einige davon können Sie sich stellen:
Wie nehme ich mich wahr? Was von meinen Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und Fehlern kommt mir als erstes in den Sinn? Was muss ich länger suchen? Was halte ich lieber versteckt? Was musste ich erst entdecken - schmerzhaft oder beglückend?
Was schätze ich an mir? Was lehne ich ab?
Was an mir achte ich, was missachte ich?
Wie überprüfe ich mich? Wie verändere ich mich? Wie gehe ich mit Kritik um?
Wie werde ich äußerlich mehr zu dem, was ich innerlich bin? Wie setze ich mich in meinen privaten und beruflichen Zusammenhängen für mich ein?
Seele meint also, dass wir Menschen auf Beziehungen angewiesen sind und nach Beziehungen verlangen. Diese Beziehungen können wir nicht selbst »herstellen«. Sie sind uns geschenkt und entwickeln sich. Diese Beziehungen vermitteln Sinn, geben Lebenslust und rauben Lebensmut. In und durch diese Beziehungen freuen wir uns, ärgern uns, werden traurig, sind beglückt und verzweifeln. Wenn die Seele als Beziehungsverlangen »Sorge« braucht, ruft sie danach, dass glückende Paarbeziehungen gefeiert werden und dass der Stolz auf die Kinder geteilt wird. Das Beziehungsverlangen der Seele zeigt sich in der Verzweiflung über eine Trennung und in der Sehnsucht nach Beheimatung in einem Freundeskreis. Die Seele ruft dann auch danach, dass die Frage nach dem »Warum« Gehör findet, dass der Sinn sich zeigt, dass die Verwurzelung in Gott spürbar wird. Die Seele als Beziehungsverlangen will die bruchstückhaften Selbsterkenntnisse mitteilen, die schamhaften Eigenarten geborgen wissen und die eigenen Glanzseiten bewundert sehen.
Alles Körperliche im Menschen hat einen Ort und damit eine Stelle, wo man es finden, untersuchen und überprüfen kann. Das Herz liegt mittig-links in unserer Brust. Man kann es abhören, mit Schall-, Magnet- und Radiowellen erfassen, mit Elektroden abmessen und mit einer Sonde begutachten. Dann weiß man, wie es einem Menschen körperlich ums Herz ist.
Aber wo ist die Seele und wie weiß man, wie es um sie steht? Die Seele, als Lebenskraft und Beziehungsverlangen verstanden, verkörpert elementare Bedürfnisse eines Menschen. Sie »äußert« ihre Bedürftigkeit in den elementarsten Kräften eines Menschen, in den Gefühlen.20 Die Sprache, in der die Seele zu uns spricht, sind unsere Gefühle. Doch statt in uns hineinzuhören, haben wir gelernt, wegzuhören. Denn es tut meist weh, sich als bedürftig nach Leben und Beziehung zu erleben und sich dabei einzugestehen: Ich bin darauf angewiesen und habe nicht alles im Griff. Weil wir nicht mehr hinhören, überhören wir unsere Gefühle und können ihnen keine stimmigen Worte und keinen passenden Ausdruck mehr verleihen. Wir sagen dann, dass es uns gut geht und es schon passt. Das ist meist weder Schutz noch Misstrauen oder Absicht - wir wissen es nicht mehr besser.
Seelsorge zu lernen, beginnt deshalb auch damit, dass angehende Seelsorger:innen wieder lernen, auf ihre Gefühle zu hören. Es geht ebenfalls darum, Gefühlen wieder stimmige Worte und leiblichen Ausdruck verleihen zu können. Das Seelsorgelernen beginnt mit einer Selbsterkundung der Gefühle.
Schreiben Sie alle Gefühle auf, die Ihnen einfallen.
Halten Sie danach kurz inne und überlegen: Was ist mir beim Aufschreiben aufgefallen?
Wir beobachten oft folgendes an uns, wenn es um Gefühle geht:
Uns fallen viel mehr »negative« als »positive« Gefühle ein. Daran wird vor allem deutlich: Wir beurteilen Gefühle als »gut« und »schlecht«. Wenn Gefühle die Sprache der Seele sind, wollen wir manches hören und vieles nicht. Wir können aber unserer Seele nicht die Sprache verbieten. Wir können uns Gefühle nicht ausreden. Andere Unterscheidungen als »negativ« und »positiv« sind hilfreicher:
Gefühle können in leichte oder schwere Gefühle eingeteilt werden. Das kann bedeuten, dass ich sie leichter oder schwerer wahrnehme oder sie mir schwerer oder leichter in den Sinn kommen. Das meint auch, dass sie sich in mir leicht oder schwer anfühlen.
Die Gewaltfreie Kommunikation21 teilt Gefühle in weiche und harte Gefühle ein. Weiche Gefühle wie Hilflosigkeit, Traurigkeit und Einsamkeit stehen für die Verletzlichkeit eines Menschen. Weiche Gefühle tun sehr weh. Einen hilflosen, traurigen oder einsamen Menschen wollen andere beschützen. Wir gehen auf...
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