II. Kapitel.
Aufenthalt in Kamerun, Reise nach und auf dem Congo.
Inhaltsverzeichnis Während der kurzen Fahrt von Lagos nach der Kamerun-Küste hatten wir vorzügliches Wetter. Die See war spiegelglatt, kein Lüftchen regte sich. Am Morgen des 4. April tauchte plötzlich der Kamerunberg vor unseren Augen auf, als sich die Nebel, welche umherhingen, etwas lüfteten. Seine Spitze war leider nicht zu sehen. Doch dessenungeachtet war ein jeder der Passagiere entzückt von dem Anblick, welcher sich uns bot, als wir uns der Küste bei Bibundi näherten. Die tropische Fülle und Üppigkeit der Vegetation überstieg alle Erwartungen. Der dichte Urwald, welcher das Land bedeckte, soweit wir im stande waren, es zu sehen, machte mit seinen riesigen Bäumen, die von Epiphyten aller Art bedeckt waren, einen gewaltigen Eindruck auf einen jeden der Beschauer.
Gegen 7 Uhr am Morgen warfen wir Anker vor Bibundi. Natürlich konnte niemand der Passagiere seinen Wunsch bezwingen, dieses tropische Paradies zu sehen. Alle gingen mit der nächsten Gelegenheit an Land. Mit verschiedenen anderen Herren ging ich nun nach der Kakaoplantage der Bibundi-Gesellschaft. Herr Rackow, der damalige Leiter, empfing uns bereits am Strande. Da es in meiner Absicht lag, mit Herrn Rackow betreffs Kickxiakulturen zu sprechen, so benutzte ich diese dazu günstige Gelegenheit, fand allerdings bis jetzt nicht viel Gehör für Einführung einer neuen Kultur, um so weniger, als wir auch auf dem Schiffe einen Pflanzer aus Sumatra mitgebracht hatten, der hier in Bibundi eine Tabakplantage anlegen sollte. So konnte ich denn diesen meinen ersten Besuch in Bibundi nur zur allgemeinen Orientierung verwenden. Ich besprach daher mit Herrn Rackow meinen Plan, daß ich in einiger Zeit von Victoria nach Bibundi zurückkehren wollte, um dann einige Tage dort zu verweilen. Auch Herrn Oberleutnant v. Carnap traf ich hier in Bibundi. Derselbe war mit einer größeren Truppe von Arbeitern, welche er im Rio-del-Rey-Gebiete angeworben hatte, vor kurzem dort eingetroffen, und wollte nun die Gelegenheit wahrnehmen, um mit unserem Dampfer die Leute nach Kriegsschiffhafen zu bringen. Da das Anbordbringen der Leute ziemlich langsam vor sich gehen konnte, denn wir hatten in beträchtlicher Entfernung von der Küste Anker geworfen, so konnten wir erst um 5 Uhr wieder in See gehen. Längs der wundervollen Küste fuhren wir nun an der Ambas-Bai mit Victoria und den beiden Inseln Mundule und Ambas vorbei, um die Affen-Halbinsel herum in die prachtvolle Bucht von Kriegsschiffhafen hinein. Noch in der Dunkelheit wurden die neuangeworbenen Arbeiter, 214 an der Zahl, gelandet. Mit Tagesanbruch am 5. April wurden die Anker wieder gelichtet. Um 5½ Uhr waren wir vor Victoria.
Es war ein prachtvoller Morgen; der im Hintergrunde aufsteigende Kamerunberg war bis zur Spitze des Engelberges mit Nebel bedeckt. Darunter die dunklen, dicht bewaldeten Hügel, im Gegensatz zu den weißgetünchten Häusern von Victoria: ein Bild, wie man es an der ganzen westafrikanischen Küste nicht wieder sehen kann.
Zusammen mit Herrn Oberleutnant v. Carnap fuhr ich an Land. Da ich die Absicht hatte, mich einige Zeit in dem Victoria-Bezirke aufzuhalten, quartierte ich mich in dem Hotel der Ambas-Bay Trading Comp. ein. Dank des Entgegenkommens, welches ich von Seiten des damaligen Bezirksamtmannes, Herrn Assessor Horn, fand, und vor allen Dingen des regen Interesses, welches Herr Oberleutnant v. Carnap meinen Unternehmungen entgegenbrachte, waren die Gepäckstücke und sonstigen Expeditionsgüter bald in einem Schuppen der Ambas-Bay Trading Comp. untergebracht.
Nach dem Essen machte ich mich sogleich auf den Weg zum botanischen Garten und besprach dort mit dem anwesenden Gärtner die Möglichkeit, meine Kickxiasamen zum Teil dort aussäen zu lassen. Es wurden sogleich auch Beete hergerichtet, so daß schon am 7. April die Samen ausgesät werden konnten. Auch die Ficusstecklinge, welche ich aus Lagos mitgebracht hatte, konnten zu derselben Zeit in den Boden eingesteckt werden.
Während der nächsten Tage machte ich mit Herrn Oberleutnant v. Carnap zusammen verschiedene kleine Exkursionen und Ausflüge, um mich über die Verhältnisse und die Vegetation etwas zu orientieren.
Am 9. April fuhr ich zusammen mit den Herren Assessor Horn und Oberleutnant v. Carnap nach Kriegsschiffhafen zu Herrn Frederici, mit dem ich auch die Möglichkeit einer Kickxiaanlage daselbst besprechen wollte. Die Fahrt dorthin unternahmen wir in einem Regierungsboote. Gegen 10½ Uhr langten wir bei Herrn Frederici an, der uns äußerst liebenswürdig aufnahm. Schon auf dem Wege von dem Landungsplatze bis zum Wohnhause des Herrn Frederici konnte man sehen, daß hier eine peinliche Ordnung allenthalben herrschte. Die Gebäude waren solide und praktisch aufgeführt, kurzum man sah, daß Herr Frederici nicht umsonst als Muster eines Plantagenleiters in Kamerun gilt.
Als ich im Laufe der Unterhaltung Herrn Frederici fragte, wie er sich zur Frage des Anbaues von Kautschukbäumen stelle, äußerte er sich, entschieden dagegen zu sein. Als ich ihm nun die Vorteile einer solchen Anlage im Falle des Gedeihens der Kickxia vor Augen führte, gelang es mir zu meiner nicht geringen Freude, ihn vollständig umzustimmen, so daß er sich sofort bereit erklärte, eine solche Pflanzung anzulegen. Da ich schon allenthalben von der Tüchtigkeit dieses äußerst praktischen Mannes gehört hatte, lag mir viel daran, vor allen Dingen ihn für meine Sache zu gewinnen; es war natürlich nun eine große Genugthuung für mich, daß es mir gelang. Am Nachmittage machten wir einen längeren Spaziergang, um die Plantage zu besichtigen. Bei dieser Gelegenheit stellten wir auch gleich einen Platz fest, welcher zur Anlage der Saatbeete für die Kickxia reserviert werden sollte, ebenso die Lokalitäten, auf denen dann später die Kickxia in der von mir vorgeschlagenen Weise ausgepflanzt werden sollten. Zur Anlage dieser Kickxiaanpflanzungen wählten wir die Hügel, welche sonst für Kakaokulturen weniger geeignet sind.
Es war eine Freude, zu sehen, wie alle Bestände in wundervoller Ordnung gehalten wurden, besonders die von Herrn Frederici in neuerer Zeit angelegten. Beständig waren neue Pflanzen an Stelle etwaiger kranker oder abgestorbener Bäume eingesetzt worden, so daß nur wenige Lücken in den Beständen vorhanden waren. Da, wo von Herrn Fredericis Vorgänger die einzelnen Stämme zu dicht gepflanzt waren, wurde allmählich mehr Luft geschafft. Schöne breite Wege, die in vorzüglichem Zustande waren, durchschnitten die Plantage nach allen Seiten. Die Wasserläufe waren durch schöne massive Brücken passierbar gemacht. Besonders gut gefiel mir das von Herrn Frederici erst unlängst angelegte Vorwerk "Wasserfall". Hier hatte Herr F. die Erfahrungen, welche er im Laufe der Jahre gesammelt hatte, alle verwerten können. Hier sah man die regelmäßigsten Bestände. Dieselben bestanden zwar meist nur aus jüngeren Pflanzen, versprachen aber, sich prachtvoll zu entwickeln. Die Anlagen zum Gären und Dörren des Kakaos waren entschieden die praktischsten, welche ich gesehen. Die letzteren waren ganz ähnlich den Dörrhäusern, welche Dr. Preuß in seinen Berichten an das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee aus Südamerika abgebildet und beschrieben hat.
Am Abend kehrte Herr Assessor Horn nach Victoria allein zurück, Herr Oberleutnant v. Carnap und ich blieben über Nacht bei Herrn Frederici, um am nächsten Morgen erst auf dem Landwege nach Victoria zurückzugehen. Unser Weg von Kriegsschiffhafen nach Victoria führte durch das Vorwerk Wasserfall über eine Hügelkette. Sobald wir die Grenze der Kriegsschiffhafen-Plantage überschritten hatten, wurde er schmaler und war mehr vernachlässigt, stellenweise war er vollständig mit Unkraut bewachsen. Der prachtvolle Urwald zu beiden Seiten wurde hin und wieder von Anpflanzungen der Victoria-Neger unterbrochen. Die Kakaobestände derselben waren häufig zu dicht bewachsen, sonst wurden hauptsächlich Bananen und Planten, letztere eine nicht süße, große Bananenart, gepflanzt. Stellenweise sah man etwas Maniok (Kassada) und Xantosoma esculentum (Koko).
Am Morgen des 11. April brach ich mit zwei Trägern (Majumba-Leuten) und einem Jungen nach Buea auf, um mich dem Herrn Gouverneur v. Puttkamer vorzustellen. Der schöne, weit gehaltene Weg führte über den Limbe-Bach hinüber durch einige Vorwerke der "Victoria"-Plantagengesellschaft. Die Kakaobestände daselbst standen zum großen Teile nicht schlecht, doch war der Boden stellenweise so steinig, daß man sich unwillkürlich fragen mußte, ob denn die Bäumchen hier für längere Zeit sich würden halten können. Hinter dem Limbe-Vorwerk stieg der Weg allmählich nach Bomana zu an. Er war an den steileren Stellen besonders dicht mit Basalt- und Lavageröll bedeckt. Da die Sonne unterdessen schon etwas höher gestiegen war, konnten die Träger mit den schweren Koffern nicht mehr so schnell vorwärts. Ich ging daher mit dem Jungen voraus. Oberhalb Bomana traten in dem Urwalde stellenweise schon offenere Partien auf, welche mit Elefantengras bewachsen waren. Dieses letztere ist eine riesige Pennisetumart, welche nicht selten eine Höhe von 3 m erreicht. Gegen 11½ Uhr erreichte ich den Rand des oberen Plateaus, auf dem Buea gelegen ist. Dasselbe liegt 800 bis 900 m über dem Meeresspiegel. Dichter Urwald war hier nicht mehr vorhanden. Ehe ich die Station Buea, den Sitz des Herrn Gouverneurs v. Puttkamer, erreichte, hatte ich noch durch einen Teil der "Günther-Soppo-Pflanzung" zu marschieren. Die...