Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
EINLEITUNG
Mitten in Kenia, umgeben von kargem Grasland und Buschweiden, Tage und Meilen von allem entfernt, was sich auch nur annähernd als moderne Zivilisation bezeichnen ließe, standen meine Familie und ich im Begriff, Blut zu trinken. Wir waren bei den Samburu, einem ostafrikanischen Volk, das Rinder, Ziegen und andere Nutztiere hält und dessen Nahrung aus einer Kombination aus Rohmilch und frischem Blut besteht, die täglich aus den Zitzen beziehungsweise Hälsen der Tiere abgezapft wird.
Nach tagelanger Reise hatten wir dieses entlegene Dorf erreicht, wo wir dem Ritual beiwohnen sollten. Die letzte Etappe hatte uns durch ein trockenes Flussbett, ein Wadi, geführt, da längst alles, was noch an eine Straße erinnerte, verschwunden war.
Wir trafen am späten Nachmittag ein. Die Luft flirrte in der Hitze, und nur das Summen der Insekten durchbrach die Stille. Drei junge Samburu-Krieger standen Wache an dem Pfad, der zu ihrem Dorf führte. Sie trugen die farbenfrohe traditionelle Kleidung und hatten einen bemerkenswerten Körperbau. Tatsächlich war ich auf meinen Reisen rund um die Welt noch niemandem begegnet, der so gesund ausgesehen hatte. Die hochgewachsenen, schlanken und muskulösen Männer hatten breite Gesichter und ein strahlendes Lächeln, das gerade, funkelnde Zähne zum Vorschein brachte. Ihre Augäpfel waren weiß, ihre Haut glänzte. Obwohl ihre Nahrung kaum Fleisch, Obst oder Gemüse umfasste. Sie hatten weder Zugang zu Lebensmittelläden oder Vitaminpräparaten noch zu Gesundheitsfürsorge oder Ernährungsberatern, nicht einmal Fluoride gab es. Wie machten sie das nur? Was war ihr Geheimnis? Als Experimental-Archäologe und Nahrungsmittel-Anthropologe wollte ich genau das herausfinden.
Diesmal hatte ich meine Familie mitgenommen: meine Frau Christina, unseren zwölfjährigen Sohn Billy und unsere beiden zehn- und vierzehnjährigen Töchter Alyssa und Brianna. Wir waren vorbereitet. Dachten wir zumindest. Billy und die Mädchen waren sichtlich nervös, gleichzeitig fasziniert und gespannt auf das, was gleich vor ihren Augen passieren würde. Wir schauten zu, wie ein Stammesangehöriger eine Kuh nach vorn führte. Ein anderer hielt ihren Kopf fest, um sie zu beruhigen. Das Tier schnaufte, scharrte mit den Hufen im Staub, dann war es still und beobachtete uns mit seinen dunklen, feuchten Augen.
Plötzlich ging alles ganz schnell. Mit einer geübten Drehung des Handgelenks und eigens für diesen Zweck angefertigtem Pfeil und Bogen stach ein Mann in die Halsschlagader der Kuh. Ein zweiter fing das Blut, das aus dem Hals des Tieres floss, in einer Kürbisflasche auf, ungefähr einen Liter. Ein dritter Mann verarztete anschließend die kleine Wunde mit Dreck. Danach wurde das Tier entlassen. Allem Anschein nach entspannt und unbeeindruckt trottete es zurück ins Gebüsch. Die winzige Wunde, die der Kuh zugefügt worden war, diente dazu, eine relativ geringe Menge Blut freizusetzen, so ähnlich wie bei einer Blutspende. Denn für die Samburu ist nicht nur die Milch, sondern auch das Blut von Kühen eine regenerative Ressource hochwertiger Nährstoffe.
In den folgenden Minuten füllte einer der Männer eine zweite Kürbisflasche mit frischer Milch und begann dann, beide Flüssigkeiten - Milch und Blut - gründlich zu vermischen. Schließlich hielt er mir eine Flasche hin. Es war so weit.
Kurz hielt ich inne und blickte über die weite Savanne, das Land, das sich hinter dem Flussbett erstreckte, über Flächen voller Pfeifdorn und Sternengras. Dann sah ich auf die Kürbisflasche hinunter, hob sie hoch und trank meinen ersten Schluck Blut mit Milch.
Überrascht stellte ich fest, wie gut es sich in meinem Mund anfühlte, seine Konsistenz, seine Wärme. Es schmeckte wie ein kräftiger Schoko-Milchshake mit einer Prise Eisen und Salz. Nach ein paar weiteren Schlucken war ich gesättigt. Mit nur so wenig fühlte sich mein Körper gut gefüllt und befriedigt, als wüsste er instinktiv, dass er gerade eine Riesendosis Nährstoffe erhalten hatte, mit der er etwas anfangen konnte.
Ich reichte die Kürbisflasche an Christina weiter, die daraus trank und dabei große Augen machte. Sie hatte es offenbar genauso empfunden wie ich. Billy, der immer mit Feuereifer an alles herangeht, nahm ebenfalls einen kräftigen Schluck, Brianna hingegen nippte nur. »Nimm einen richtigen Schluck«, ermunterte ich sie sanft - und sie trank. Nur Alyssa, unsere Jüngste, ließ sich nicht überreden. Sie hatte bereits Angst gehabt, dass man der Kuh wehtun würde (oder noch Schlimmeres), und die kulturelle Kluft wie die persönliche Überwindung waren einfach zu viel für sie. Aber das war auch völlig in Ordnung. Während die Abenddämmerung hereinbrach, unterhielten wir uns über das, was wir gerade erlebt hatten, noch erfüllt von ehrfürchtigem Staunen über die Bewohner dieses Ortes.
Sie fragen sich, warum ich meine Familie in den afrikanischen Busch mitgenommen habe und sie in einem Samburu-Dorf habe Blut mit Milch trinken lassen? Die Antwort ist ebenso komplex wie einfach. Heutzutage ist unser Verhältnis zu Nahrungsmitteln von Verwirrung und Unsicherheit geprägt. Vegan oder karnivor? Vegetarisch oder glutenfrei? Ketogen oder Mittelmeerdiät? Fasten oder Paleo? Jeden Tag hören wir von neuen Zutaten oder Gerichten, die gut oder schlecht sind, von einer neuen Ernährungsweise, die uns das Blaue vom Himmel verspricht. Unsere Gespräche offenbaren eine Vielzahl an Sichtweisen über eines der elementarsten Dinge des Menschseins: unser Essen.
Was, wenn ich Ihnen nun sagte, dass keine dieser Ernährungsetiketten von Belang ist? Dass Sie nie eine Nahrungsquelle ausschließen sollten, wie fremdartig oder seltsam sie auch anmuten mag? Was, wenn ich Ihnen sagte, dass Sie weder Kalorien zählen noch Ihre Portionen abmessen müssen, dass Sie weder zu hungern noch sich um etwas betrogen zu fühlen brauchen? Dass Sie stattdessen mit dem, was Sie essen, gesünder werden, die überschüssigen Pfunde verlieren, ein schmerzfreieres, energiegeladeneres Leben führen und auch noch zur Gesundung des Planeten beitragen können?
Wie das geht? Indem Sie lernen, wieder wie ein Mensch zu essen. Einfach ausgedrückt bedeutet das, sich möglichst nährstoffreiche Nahrungsmittel zu suchen und diese dann so zuzubereiten, dass sie unbedenklich sind und all ihre Nährstoffe für den Körper freisetzen. Das ist alles. Egal, welche Ernährungsweise Sie derzeit praktizieren, egal, was Sie am liebsten essen, es geht darum, Nahrungsmittel so auszuwählen und zuzubereiten, dass sie die meisten Nährstoffe liefern. Wenn Sie auf diese Weise essen, wird das Ihre Gesundheit optimieren, und Sie werden merken, wie, was und wann Sie essen sollten.
Unsere Vorfahren wussten noch, wie das geht. Vor Millionen von Jahren haben sie gelernt, sich höchst nährstoffreich zu ernähren, was sie gut gedeihen ließ. Unsere modernen Nahrungsmittelsysteme haben sich weit von dieser instinktiven Ernährungsweise entfernt, obwohl unser Körper noch die gleichen Bedürfnisse hat wie der unserer Vorfahren. Das hat sich auf uns als Spezies sehr nachteilig ausgewirkt.
Zum Glück leben in verschiedenen Winkeln der Erde nach wie vor Menschen, die menschengerecht essen. Mithilfe uralter Techniken - von Fermentierung bis zum Kochen in mineralreicher Erde - produzieren sie Nahrungsmittel mit erstaunlichem Nährwert. Über Jahre hinweg habe ich mich mit diesen Nahrungsmitteln und Zubereitungsmethoden beschäftigt und sie am Washington College in Chestertown, Maryland, gelehrt. Das Eastern Shore Food Lab, das ich dort gegründet habe, bietet Raum für innovatives Lehren, Lernen und Herstellen von Nahrung. Ich bin kreuz und quer durch die Welt gereist; zuweilen in Begleitung meiner Familie war ich in der mongolischen Steppe und in der kenianischen Savanne genauso wie im Dschungel von Thailand, um von den Menschen vor Ort zu lernen, was ich bislang nur aus Büchern kannte, und mich mit den gleichen Produkten, Gerätschaften und Methoden wie unsere Vorfahren zu ernähren. Dabei fühlte ich mich zunehmend kräftiger, gesünder und unglaublich lebendig. Für mich ist es die Bestätigung, dass dies die Grundlage einer gesunden menschengerechten Ernährungsweise ist. Alles, woran ich seit Jahrzehnten gearbeitet hatte, wurde auf einmal real. Meine Familie und ich übernahmen einige dieser Nahrungsmittel und Zubereitungsmethoden - und wurden mit einer besseren Gesundheit belohnt.
Wie Sie in diesem Buch erfahren werden, können wir alle moderne Jäger und Sammler sein und unser Essen mit den gleichen grundlegenden Strategien wie unsere Vorfahren unbedenklich, nahrhaft und maximal verwertbar machen, statt uns den heutigen, von Gesellschaft und Wirtschaft gesteuerten Normen zu unterwerfen. Unsere Großeltern waren noch vertraut mit Nahrungsmitteln wie Leber und Sauerkraut. Andere wiederum bringen unsere Ansichten über das Essen ins Wanken. Sie mögen nicht unbedingt so weit gehen wollen wie ich und mit Rohmilch vermischtes Blut einer Kuh trinken, dennoch werde ich Sie in diesem Buch auffordern, Ihre Vorstellungen davon, was Essen ausmacht, etwas zu erweitern. Dafür werde ich auch gute Gründe liefern. All jenen, die noch nicht bereit sind, ihre Grenzen so weit auszudehnen, werde ich geeignete Alternativen anbieten. Abgesehen davon sind besagte Nahrungsmittel, so ungewöhnlich oder gar abstoßend sie den meisten von uns auch erscheinen mögen, ungeheuer gesundheitsfördernd. Bedenken Sie zum Beispiel Folgendes: In 100 Gramm Grillenmehl stecken 65 Gramm Protein, wohingegen die gleiche Menge Rindfleisch nur 32 Gramm Protein enthält. Darüber hinaus sind in Grillenmehl alle neun essenziellen Aminosäuren enthalten sowie mehr Kalzium als in Milch und mehr Eisen als in Spinat. (Ein positiver...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.