Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Wer ihn da so plaudernd vor seinem Kuchenteller sitzen sieht - pausbäckig, etwas korpulent, relativ klein, krauser Haarschopf - der ahnt wirklich nicht, dass dieser heute über 80-jährige Kurt Ahrens in seinen jungen Jahren einer der besten Rennfahrer der Welt war. Mit behaglichem Vergnügen erzählt er Klatsch und bunt schillernde Episoden aus einer Zeit, die es nicht mehr gibt. Aus einer Zeit, in der viel, viel Mut nötig war. Dagegen ist Racing unserer Tage ein relativ sicheres Vergnügen.
Nun kann die eigene Erinnerung, wie jeder weiß, ein durchaus trügerischer Erzähler sein. Aber es erwartet ja auch niemand, dass bei solchen Plaudereien über das Gestern jedes Detail ganz exakt abgewogen ist. In diesen Momenten zählt der Flow, geht es darum, aus den Bruchstücken der Erinnerung und den Anstößen eines Stichwortgebers ein Spiegelbild einer fernen Epoche zu skizzieren. Das mag subjektiv sein. Doch damit rundet sich der sonst möglichst objektive Blick auf ein farbiges Motorsportleben.
Aber dies muss man ebenso wissen: Wenn der Autor dieses Buches mit Kurt Ahrens spricht, dann reden da zwei Leute miteinander, die sich seit mehr als sechs Jahrzehnten kennen. Und da nimmt der eine, Kurt Ahrens, vom anderen, Eckhard Schimpf, stets auch Korrekturen hin. Nach dem Motto: »Na, wenn du das jetzt so sagst, mit Deinem Wissen und Deinem guten Gedächtnis, dann wird es wohl auch so gewesen sein.« Und das macht die Sache so nahbar, so normal, so menschelnd. Mehr noch: So manche unserer Zweiergespräche umgeben von Rennwagen in der Werkstatt-Lounge von '72stagpower in Braunschweig offenbarten auch noch etwas ganz anderes: Kurt Ahrens hat den Mut zu einer Offenheit, wie man sie selten bei einem Rennfahrer erlebt.
Oft sind Biografien Helden-Storys. Doch in in diesem Fall lässt der Mut zur Offenheit das Gespräch menscheln
Überwiegend sind Biografien geradezu Heldengeschichten, oft auch mit einer leicht geschönten Wirklichkeit. Noch dazu mit allerlei Erklärungen - »der andere hatte die besseren Reifen«. Oder mit Entschuldigungen - »mein Motor ging nicht richtig«. Kaum jemand spricht von eigenen Schwächen, von Tiefpunkten, von Todesgedanken. Der Mut zur Ehrlichkeit - wie nun folgend bei Kurt Ahrens - ist ungewöhnlich und aufschlussreich. Die Antworten in diesem Interview, das auf mehreren Gesprächen basiert, vermitteln eine spezielle Sicht auf diesen Rennfahrer.
Eckhard Schimpf: Wie war das, als du zum ersten Mal im Porsche 917 gesessen hast? Und: Wo war das überhaupt?
Kurt Ahrens: In Le Mans, 1969, als ich mit Rolf Stommelen fuhr. Das war ein einziges Theater. Schon in der zweiten Rennstunde löste sich das Profil vom linken Vorderreifen. Dann verlor der Motor Öl, der Auspuff fiel ab, die Kupplung wurde gewechselt, die Bremsbeläge ebenfalls. Und morgens gegen vier rollte ich wieder mit defekter Kupplung an die Box. Das war dann das Aus. Da war ich ganz froh, denn ich war ziemlich fertig und dachte: »Worauf hast du dich hier nur eingelassen? Mit diesem 917?«
Eckhard Schimpf: Stopp mal. Gut, das war das erste Rennen im 917. Aber wann bist du denn wirklich das allererste Mal in dieses 600-PS-Gerät gestiegen?
Kurt Ahrens: Ich denke, das war bei diesem Rennen in Le Mans, das war im Juni 1969.
Eckhard Schimpf: Nein. Es war zwar in Le Mans, aber bereits im April; beim Vortraining.
Kurt Ahrens: Vortraining? Nee, da war ich nie. Wirklich nicht.
Eckhard Schimpf: So. Dann lese ich dir jetzt mal den Rennbericht aus dem Buch von Walter Näher* vor. Und was da drinsteht, ist ja wohl Fakt. Unantastbar. Da hast du damals im April 1969, kurz nach der Rückkehr aus Sebring, erst den 908-Langheck bewegt und anschließend den 917-002.
Kurt Ahrens: Also, das ist ja ein Ding! Das ist einfach weg aus meiner Erinnerung.
Erster Sieg für den Porsche 917, das heutige »Jahrhundertauto«, beim Großen Preis von Österreich 1969 durch Kurt Ahrens/Jo Siffert.
Nochmals Großer Preis von Österreich: Duell von Kurt Ahrens im 917 (vorn) mit Jacky Ickx im Mirage-Ford.
Zwei Porsche-908-Coupés biegen in die Steilwand von Daytona Beach ein. Oben Kurt Ahrens am Lenkrad der Nummer 54 (er löste sich mit Rolf Stommelen ab) und darunter (mit der 50) der Wagen von Siffert/Herrmann. In diesem ersten WM-Lauf 1969 fielen beide Werkswagen mit Nockenwellen-Schäden aus.
»Helfer raus«. Noch 30 Sekunden bis zum Start. In der ersten Reihe dieses Großen Preises von Österreich 1970 warten auf den Start (von links): Kurt Ahrens (Porsche 917 K), Jacky Ickx (Ferrari 512 M) und Pedro Rodríguez (Porsche 917 K). Ahrens löste sich bei diesem 1.000-Kilometer-Rennen erstmals mit dem österreichischen Jungstar Dr. Helmut Marko am Lenkrad ab. Die beiden lagen in Führung, bis ihnen der Sprit ausging.
Eckhard Schimpf: Du hast übrigens auch im Mai 1969 in Spa den 917 gefahren. Das war ebenfalls vor dem 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Im Regen bist du mit 4:25 Minuten notiert. Hier kannst du es lesen! Im Rennbericht von Porsche und in Walter Nähers 917-Buch veröffentlicht.
Kurt Ahrens: Ja, dann war das wohl so. Ich hab's vergessen. Total. Aber wenn wir jetzt so darüber reden, dann fällt mir ein, dass ich auch auf dem Nürburgring schon im 917 gefahren bin. Beim Training zum 1.000-Kilometer-Rennen. Auch im Mai. Es war ja 1969 so, dass wir bei Porsche die Marken-Weltmeisterschaft unbedingt gewinnen sollten, und Piëch gleich sechs oder sieben 908 Spyder zum Ring schickte. Aber auch einen 917. Und zwar den 917, den Gerhard Mitter kurz vorher in Spa geschlachtet hat.
Eckhard Schimpf: Geschlachtet? Mit Absicht? Bist du dir da sicher?
Kurt Ahrens: Na ja, ziemlich. Keiner wollte diesen 917 fahren, den Gerd ja immer nur das Geschwür nannte. Aber er wurde dann doch dazu verdonnert und hat den Motor beim Start so hochgedreht, dass der gleich seinen Geist aufgab. In der ersten Runde. So war das!
Eine Ahrens-Aussage, die erstaunlich ist: »Der Nürburgring war sowieso nicht meine Lieblingsrennstrecke.«
Eckhard Schimpf: Okay, dann hast du also doch sehr früh in der Saison 1969 in einem 917 gesessen. Erst in Le Mans beim Vortraining, dann in Spa und nun auch noch am Nürburgring. Das ist neu. Wie war das? Erzähl mal.
Kurt Ahrens: Wir hatten am Nürburgring 1969 die Wahl: 917 oder 908. Das war uns freigestellt. Natürlich wollten alle einen Achter fahren. Keiner den 917. Und deshalb wurden dafür ja Hubert Hahne und Dieter Quester angeheuert. Sie fuhren auch am Vormittag des Freitagtrainings. Und dann kam mittags ein Telegramm von BMW aus München, das den beiden einen Start für Porsche verbot. Sie waren ja BMW-Vertragsfahrer. Daraufhin sagte nachmittags Helmuth Bott zu mir: »Herr Ahrens, fahren Sie bitte den 917. So viele Runden wie Sie können.« Nach vier Runden musste ich mich auf der Döttinger Höhe übergeben. Das musst du dir mal vorstellen: im Auto, bei 270! Ich bin an die Box gerollt. Das Auto war versaut, wurde gereinigt. Und dann ist Hans Herrmann wohl noch eine Runde gefahren. Oder auch zwei.
Eckhard Schimpf: Am nächsten Tag zum Sonnabendtraining wurden die ruckzuck verpflichteten Ersatzleute Frank Gardner und David Piper eingeflogen. Sie haben ja dann den weißen Riesen auch brav auf Rang acht ins Ziel gebracht. Kann es sein, dass du manches vom 917 vergessen und verdrängt hast, weil dir das Auto unsympathisch war?
Kurt Ahrens: Nun ja, möglich. Aber der Nürburgring war sowieso nicht meine Lieblingsstrecke.
Eckhard Schimpf: Wieso denn das? du hast dort schließlich 1970 das 1.000-Kilometer-Rennen gewonnen. Und bist auf dem Ring sicher 20- oder 30-mal gefahren, warst allein viermal beim Großen Preis von Deutschland am Start. Und, und, und.
Kurt Ahrens: Ja, aber trotzdem. In geschlossenen Autos wurde mir auf dem Nürburgring immer öfter übel: im Abarth beim 500-Kilometer-Rennen, im BMW 2002 ti beim Sechs-Stunden-Rennen. In offenen Autos hatte ich wenig Probleme. Und auf der Strecke gab es außerdem auch ein paar Stellen, vor denen ich immer gezuckt habe. Zum Beispiel traute ich mich nicht, den Linksbogen ganz unten in der Fuchsröhre stockvoll zu nehmen.
Im BMW-2002-ti-Werkswagen auf dem Nürburgring beim Großen...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.