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Kapitel 2
"Essen ist fertig!"
Bernd-Karl Williamsons sonore Stimme hallte durch das Esszimmer. Seine Frau stand mit dem Rücken zum Raum und schaute gedankenverloren durchs Fenster, ein Glas Crémant in der Hand. Die Dämmerung hatte an diesem nasskalten Sonntagabend mitten im Februar bereits eingesetzt und tauchte den Garten in ein unwirkliches Licht. Die Konturen der Sträucher verwischten, und die Pflanzen verschmolzen zu einer gestaltlosen Masse. Tatsächlich verloren sich einige Schneeflocken in den Garten und schmolzen sofort, als sie auf dem Boden aufkamen. Williamson schaute den Flocken hinterher, stieß einen langen Seufzer aus und drehte sich langsam um. Ihr Ehemann, bester Freund und engster Vertrauter strahlte sie so intensiv an, dass sie lachen musste. Er stand hinter dem Esstisch, die Arme weit ausgebreitet wie der Papst auf dem Balkon des Petersdoms, und präsentierte stolz das, was auf dem Tisch stand.
"Ach, minge Schatz, dat sieht fantastisch aus!", rief Williamson aus und klatschte vor Begeisterung in die Hände. Bewundernd wanderte ihr Blick über den liebevoll für zwei Personen gedeckten Tisch. Bernd-Karl hatte ihr bestes Porzellan, das mit dem Goldrand, und die edelsten Gläser aus dem Schrank geholt und für ein Drei-Gänge-Menü gedeckt. Es war bis zum Schluss von ihm wie ein Staatsgeheimnis gehütet worden. Der Tisch glitzerte und blitzte aufgrund des blank geputzten Silbers und der Kristallleuchter, in denen lange, weiße Kerzen steckten, die jetzt ein heimeliges Licht verbreiteten. Die Vorspeise war bereits angerichtet.
"Et voilà", raunte Bernd-Karl mit bedeutungsschwangerer Stimme, "Rauchlachs-Tiramisu."
Es sah fantastisch aus, das musste Williamson zugeben. Bewundernd sah sie ihren Mann an.
"Dat du dafür die Geduld hast." Sie schüttelte den Kopf. "Die hätte ich nie un' nimmer." Bei ihr musste es praktisch und schnell gehen, auch beim Kochen. Vor allem beim Kochen.
"Ich weiß", lächelte Bernd-Karl und schob einen der Stühle zurück. "Darf ich die schönste Frau des Hauses zu Tisch bitten?"
"Haha", machte Williamson, musste dabei aber grinsen. "Dat kann man leicht sagen, wenn man die einzige Frau im Haus anspricht." Bernd-Karl und sie kabbelten sich gern. Das war eines der Geheimnisse ihrer langjährigen, glücklichen Ehe.
Die Hauptkommissarin ließ sich auf ihren Stuhl plumpsen, den ihr Mann augenblicklich zurechtschob. Auch er grinste.
"Dann fällt es mir noch leichter, meiner geliebten Frau ein Kompliment zu machen."
"Is' ja klar, dann musst du dich nit zwischen uns dreien entscheiden. Da schneide ich schon aufgrund meines Alters am schlechtesten ab!"
"Ich liebe Frauen mit Erfahrung", flüsterte Bernd-Karl ihr ins Ohr, schmunzelte wieder und ließ sich dann auf seinem Platz nieder. Er griff zur gut gekühlten Weißweinflasche und schenkte seiner Frau ein.
"Ein Gavi", erklärte er nebenbei. "Das ist der richtige Wein für diese Vorspeise und ein guter Starter, bevor wir zur Hauptspeise und zum Rotwein übergehen."
"Du willst mich wohl abfüllen", entgegnete Williamson keck und klimperte mit ihren Knopfaugen.
"Genau!", gab ihr Bernd-Karl mit einem spitzbübischen Grinsen recht. "Wenn ich schon einmal die Gelegenheit habe, meine Frau zu verwöhnen und ganz für mich allein zu haben, ergreife ich sie auch. Ich habe mir eine ausgefeilte Taktik überlegt, wie ich es angehe. Warte, bis wir im Schlafzimmer sind!"
"Stopp", unterbrach ihn Williamson und hob lachend die Hände. "Ich weiß jetz' nit, ob dat eine Drohung oder eine Verheißung sein soll. Jedenfalls will ich keine Details hören. Ich will überrascht werden."
Zum ersten Mal seit langer Zeit war das Ehepaar allein. Ihre beiden Töchter waren ausgeflogen. Während Carola mit ihrem Freund, dessen Namen sich Williamson nicht merken konnte oder wollte, im Kino war, übernachtete Nicola bei ihrer Freundin Ina. Sie wollte irgendwann im Laufe des nächsten Vormittags nach Hause kommen, schließlich waren Zeugnisferien.
"Sie werden beide so schnell groß!", hatte Williamson geseufzt und der fünfzehnjährigen Nicola hinterhergeblickt, die mit ihren Übernachtungssachen geradezu fluchtartig das Haus verlassen und ihrer Mutter noch eine Kusshand hinterhergeworfen hatte. "Früher war nur Carola unterwegs, da hatte ich wenigstens noch Nicola. Jetz' fängt die auch schon an, wegzugehen un' uns allein zu lassen!"
Bernd-Karl hatte sie in seine Arme gezogen und sein Gesicht in ihrem roten Strubbelhaar, das wie immer nach allen Seiten abstand, vergraben.
"Sturmfrei für uns", hatte er gemurmelt. "Wann hatten wir das zuletzt?" Er wusste ganz genau, dass es seiner Frau zu schaffen machte, dass ihre Töchter flügge wurden. Daher hatte er sich, wie sich nun herausstellte, ein Programm zur Ablenkung überlegt. "Wir machen es uns so richtig schön. Ich koche!"
Es gab noch einen zweiten Grund, warum er sein "Mienchen", wie er Williamson liebevoll nannte, ablenken wollte. Dieses Wochenende war Karneval. Na ja, zumindest im Rheinland, von wo sie beide stammten, ging es hoch her, vor allem in Köln. In der Stadt am Rhein hatten sie bis vor etwas über einem Jahr gelebt, bis sie in Hannover einen Neuanfang gewagt hatten. Er im Bauamt der Stadt Hannover und Williamson als Hauptkommissarin im Zentralen Kriminaldienst. Vor allem die temperamentvolle Polizistin hatte ihre Vorurteile bezüglich der Hannoveranerinnen und Hannoveraner über Bord werfen und aufgrund eigener Erfahrungen lernen müssen, dass es sich lohnte, in der niedersächsischen Landeshauptstadt zu leben. Und wie! Auch hier gab es nette und interessante Menschen, tolle Restaurants und schöne Ecken. Und so hatte sich Hannover ganz langsam und unaufhaltsam in das Herz der waschechten Kölnerin gestohlen, fast gegen ihren Willen. Inzwischen hatte sie längst akzeptiert, dass es zwei Herzen in ihrer Brust gab: eines für Köln und eines für Hannover. Aber am Karnevalswochenende war das etwas ganz anderes. Da in Hannover nur sehr reduziert Karneval gefeiert wurde, sehnte sich die Hauptkommissarin an diesem Wochenende nach ihrer alten Heimat - aber sie hatte Bereitschaftsdienst. Also konnte sie nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Und so hatte Bernd-Karl sein Verwöhnprogramm entworfen.
"Streng genommen darf ich gar nix trinken, dat is' dir doch klar", schnurrte Williamson und sah ihrem Mann tief in die Augen.
"Ach, Mienchen, nur ein Glas, vielleicht noch ein zweites", beruhigte Bernd-Karl sie. "Die Verbrecher könnten doch mal eine Pause einlegen. Ich habe das Universum gebeten, dass sie dich heute in Ruhe lassen."
"Wollen wir dat Beste hoffen", seufzte Williamson und probierte von der wie ein Kunstwerk angerichteten Vorspeise, von Bernd-Karl eigenhändig geräuchertem Lachs, den er zuvor mit einer Beize aus Zucker, Salz, Pfeffer, Wacholder, Dill und Gin bearbeitet hatte. "Köstlich", stieß sie aus und schob noch einen zweiten Bissen hinterher. "Du bist der beste Koch des ganzen Universums. Dann wollen wir doch mal hoffen, dat et ein Einsehen hat un' mich in Frieden lässt!"
Wie aufs Stichwort ertönte da eine Melodie.
"Ich ben ene Räuber, leev Marielche
Ben ne Räuber durch un durch
Ich kann nit treu sin, läv en dr Daach ren
Ich ben ne Räuber, maach mr kein Sorch."
Das Lied von der kölschen Gruppe Höhner war der neueste Klingelton von Williamsons Diensthandy.
Bernd-Karls Augen weiteten sich vor Unglauben.
"Das kann jetzt nicht wahr sein", presste er hervor. Williamson sah ihn an.
"So viel zum Universum. Et scheint uns nit besonders zu mögen."
Resigniert ließ Bernd-Karl das Besteck sinken und lehnte sich zurück.
"Geh schon ran", forderte er sie mit erstickter Stimme auf. "Es kann wichtig sein."
Williamson war aufgesprungen und nahm das Handy auf, das auf dem Sideboard unschuldig vor sich hin trällerte, und sah auf das Display. Es war ihre liebste und engste Mitarbeiterin Elena Grifo. Sie würde nicht anrufen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Die Hauptkommissarin nahm das Gespräch an.
"Ja!", bellte sie in das Gerät.
"Chefin, es tut mir leid, dich zu stören. Ich weiß, heute ist euer großer Abend. Aber ." Elena Grifo zögerte. Es fiel ihr offensichtlich schwer, Williamson von ihrem Abendessen mit Bernd-Karl wegzureißen. Ebenso schwer fiel es ihr, ihre Vorgesetzte zu duzen. Doch darauf bestand die Hauptkommissarin seit den Vorgängen im Herbst des vergangenen Jahres. Auch wenn sich eine neue, noch tiefere Vertrautheit zwischen den beiden Frauen eingestellt hatte, so respektierte und bewunderte Elena Grifo Williamson so sehr, dass sie nicht einfach so zum Du und zum Vornamen übergehen konnte. Also hatte sie sich angewöhnt, Williamson mit "Du" und "Chefin" anzusprechen. Das Angebot ihrer Vorgesetzten, sie Wilhelmine zu nennen, nutzte sie dagegen selten.
"Aber wat?", schnaubte Williamson. "Wat is' los?"
"Wir haben einen Toten", antwortete Elena Grifo. "In der Innenstadt, im Eventsaal Catch 42."
"Catch 42? Klingt wie'n Boxring!"
Grifo musste lachen. "So ähnlich. Wie gesagt, ein Eventsaal in der Nähe vom Bahnhof mit angeschlossenem Hotel, in dem der ganze Tross untergebracht ist. Ich erkläre dir, wie du fahren musst. Es betrifft einen der Spieler."
"Wie, einen der Spieler?", fragte Williamson...
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