Schweitzer Fachinformationen
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»Es ist leider wie immer - die Polizei steht daneben und tut nichts!« Die Stimme der Frau droht sich zu überschlagen, so schrill und hoch ist sie schon. »Warum werden wir Bürger nicht besser vor diesen Verbrechern beschützt? Ich sage nur eins: Grenzen dicht! Dann kommt das ganze Gesocks nicht mehr rüber.« Auch diese Dame klingt sehr aufgebracht, ebenso der nächste O-Ton eines älteren Herrn, den mein Volontär Janis für unsere kleine Radioumfrage eingefangen hat. »Wenn die Polizei nicht in der Lage ist, der Sache Herr zu werden, muss sich niemand wundern, wenn die Menschen die Sache selbst in die Hand nehmen und ihr Eigentum verteidigen!«, »Notfalls mit Gewalt?«, hört man Janis nachfragen. »Notfalls mit Gewalt!«, bestätigt der Mann.
»Puh, also das können wir so nicht senden!«, sage ich. »Den am Ende musst du rausnehmen. Und die mit dem Gesocks am besten gleich mit. Geht ja gar nicht!«
»Wieso? Die sind doch krass authentisch und sagen, was sie denken!«
»Nee, zumindest der Letzte wiederholt, was du vorher gesagt hast.«
»Ich hab das nicht gesagt, ich hab ihn das gefragt!« Janis klingt beleidigt, aber das ist mir egal. Schließlich habe ich hier auch einen Ausbildungsauftrag.
»Wie kommst du überhaupt auf so eine Frage?«, will ich von ihm wissen. »Die Stimmung ist sowieso schon so aufgeheizt, willst du, dass sich die Leute mit Mistgabeln und Baseballschlägern bewaffnet vor ihre Häuser stellen? Oder an die polnische Grenze?«
Janis lacht.
»Natürlich nicht. Ich wollte ein bisschen Leben in die Umfrage bringen.«
»So ein Quatsch. Als Journalist gibst du wieder, was die Leute sagen. Du legst es ihnen nicht in den Mund, mein Lieber!«
»Ja, ja, ja . ich hab schon verstanden. Du willst das übliche langweilige Zeug.« Er seufzt. »Bloß nicht irgendwo anecken. Alles klar. Mach ich dir fertig.« Dann schaut Janis demonstrativ auf die Uhr. »Aber sag mal, wolltest du nicht eigentlich längst beim Zahnarzt sein?«
Ich werfe einen Blick auf mein Handy. 11:40 Uhr. Mist. Janis hat völlig recht. Wenn ich jetzt nicht endlich losfahre, komme ich zu spät. Trotzdem ärgere ich mich über Janis. Der will mich doch nur loswerden, um dann still und heimlich seine reißerische Version der Umfrage bei unserem Nachrichtenredakteur Markus abzugeben und über den Sender zu schicken.
»Seit wann machst du dir eigentlich solche Sorgen um meine Gesundheit?«, frage ich also spitz nach.
Janis grinst.
»Ganz einfach, ich bin abergläubisch. Und dein letzter Arztbesuch hat uns unseren ersten großen Fall beschert.«
Ich gucke verständnislos.
»Hat er?«
»Hat er. Du hattest irgendein Rückenleiden und kamst vom Doc, als Raimund das Aus für Bäderland-Radio verkündete und du die Rettungsidee mit den Problemlösern hattest. Kurz darauf standen wir neben der Leiche von Maik Peters. Erinnerst du dich nicht? Ist keine zwei Monate her.«
Ach, das meint Janis! Den Tag, an dem uns unser Wellenchef Raimund alle in Aufruhr versetzte, hab ich noch genau vor Augen. Im Konferenzraum unseres kleinen Usedomer Radiosenders gab Raimund bekannt, dass ein großer Radioverbund uns aufgekauft hätte. Mit einem Schlag hatten wir alle Angst um unsere Jobs. Würde sich Megahit-FM nur unsere Frequenz unter den Nagel reißen und unser Radio selbst dichtmachen? Ich kam damals zwar nicht vom Arzt, sondern vom Krankengymnasten, aber der Rest stimmt: Kurz nach der Katastrophennachricht hatte ich die Idee für eine neue Sendung - einer Sendung, bei der Janis und ich uns um die Sorgen und Nöte unserer Hörer kümmern würden. Meine Hoffnung: Sollten wir mit Die Problemlöser so richtig erfolgreich sein, würden uns auch die neuen Chefs weiterbeschäftigen wollen. Und so kam es dann auch, denn gleich unser erster Fall war sensationell. Gewissermaßen aus Versehen konnten Janis und ich den Mord an dem Usedomer Fischer Maik Peters aufklären, der uns kurz zuvor um Hilfe gebeten hatte. Okay, das gelang uns nicht allein, sondern mit freundlicher Unterstützung der Kriminalpolizei in Gestalt von Kommissar Kay Lorenz. Aber trotzdem waren unsere neuen Chefs so beeindruckt, dass sie das kleine Bäderland-Radio nicht gleich einstampften, sondern im Gegenteil unsere Problemlöser-Reportage auch in allen anderen Sendern des neuen Verbunds ausstrahlten. Also im wahrsten Sinne: Problem gelöst!
Seitdem sind Janis und ich ständig auf der Suche nach einem neuen Fall. In letzter Zeit ist uns allerdings eher Kleinkram ins Netz gegangen wie ein entführter Hund in Karlshagen, eingeschmissene Scheiben an der Grundschule in Zinnowitz und gestohlene Goldfische in Heringsdorf. Aber die Story, die wir jetzt am Wickel haben, hat das Potenzial für einen echten Aufreger. Seit ein paar Wochen erhitzt eine Einbruchsserie die Gemüter der Einwohner zwischen Peenemünde und Ahlbeck. Die Diebe kommen in der Nacht und haben sich offenbar auf Einfamilienhäuser spezialisiert. Stets scheinen die Kriminellen genau zu wissen, wann keiner zu Hause ist, dann schlagen sie schnell und erbarmungslos zu und räumen alles raus, was irgendwie wertvoll ist. Touristen, Einheimische - niemand scheint vor ihnen sicher zu sein, die Polizei hat nicht den Hauch einer Spur, geschweige denn eine heiße.
Eigentlich beste Ausgangsvoraussetzungen für Die Problemlöser. Eigentlich. Denn trotz des Aufruhrs hat sich noch niemand direkt an uns gewandt, stattdessen werden die Rufe lauter, dass sich die Bürger von Usedom doch selbst verteidigen sollten. Stichwort Mistgabel. Also müssen Janis und ich nun aktiv werden und uns der Sache annehmen. So kamen wir auf die Idee mit der Umfrage. Um die ich mich nach meinem Zahnarzttermin kümmern werde.
»Weißt du was«, sage ich zu Janis, »die Umfrage kann warten, bis ich wieder da bin. Eine kleine Füllung wird nicht die Welt dauern. Du machst den Beitrag in der Zeit fertig, wie wir ihn besprochen haben, dann höre ich mir das Ganze noch mal an, und wir senden es heute Nachmittag.«
In Janis' Gesicht ist die Enttäuschung deutlich zu sehen. Ich habe seinen schönen Plan durchkreuzt! Gut gelaunt greife ich mir die Handtasche, die auf unserem gemeinsamen Schreibtisch steht, werfe mein Handy hinein und mache mich auf den Weg.
Im Flur begegne ich meinem Chef Raimund.
»Ah, meine Starreporterin! Sag mal .«
»Hallo, Raimund! Können wir später sprechen? Ich bin auf dem Weg zu einem Termin«, versuche ich, mich schnell davonzumachen.
»Termin? Sehr gut! Hoffentlich bei der Kripo, um denen mal richtig auf den Zahn zu fühlen. Wie kann man nur so unfassbar erfolglos sein? Sieben Einbrüche in Folge und keine einzige verwertbare Spur! Es gab gestern schon eine Mahnwache vor dem Polizeirevier in Heringsdorf, die Leute haben die Schnauze gestrichen voll.« Er schüttelt den Kopf, dann schaut er mich wieder an. »Mit wem sprichst du bei der Kripo? Wieder mit diesem Kay Lorenz?«
»Chef, Lorenz ist bei der Mordkommission, nicht beim Einbruchsdezernat.«
»Egal. Also Franzi - mach sie fertig! Und sag mir gern, welche Ausreden sie diesmal haben. Selbst meine Frau macht sich schon Sorgen, dass wir die nächsten Opfer sind.«
Ich nicke dienstbeflissen.
»Mach ich. Sobald ich vom Zahnarzt komme. Da muss ich jetzt nämlich ganz dringend hin.«
»Bitte? Die Bürger dieser Insel leben in Angst und Schrecken, und du gehst während der Arbeitszeit zum Zahnarzt, anstatt der Polizei mal Dampf zu machen?« Bilde ich mir das ein, oder zittert Raimunds Stimme vor Empörung?
»Also erstens habe ich seit Tagen Zahnschmerzen und zweitens gehe ich in meiner Mittagspause«, verteidige ich mich. Raimund guckt immer noch grimmig. Ich stöhne. Dann muss ich wohl doch mein Ass ausspielen. »Und drittens haben wir eine Mega-Umfrage in der Mache, die die Stimmung auf der Insel sehr gut zusammenfasst.«
Bingo! Raimunds Miene hellt sich deutlich auf.
»Sendet ihr jetzt gleich um zwölf? Na gut. Aber hoffentlich mal ein bisschen zugespitzt und nicht wieder so einen ausgewogenen Krempel.«
»Nein, auf keinen Fall ausgewogen. So richtig schön auf den Punkt. Du wirst dich freuen.«
Raimund nickt zufrieden, dann geht er nach vorne zum Empfang, wo seine Assistentin Sonja sitzt. Ich hingegen stürze zurück in mein Büro.
»Janis«, rufe ich, kaum dass ich durch die Tür bin, »hast du schon neu geschnitten?«
Er schaut mich perplex an.
»Also hast du jetzt Kontrollzwang? Ich mach das schon noch. Hab mir allerdings gerade erlaubt, einen Kaffee zu trinken, du alte Sklaventreiberin!«
»Sehr gut«, seufze ich erleichtert.
»Sehr gut?«
»Ja. Wir senden deine Umfrage genau so, wie sie jetzt ist. Ruf schnell Markus an, dass da doch noch was von uns kommt, und dann lade das Teil hoch, damit er es in die Sendung verschieben kann. Ich muss los!«
Kurz nach zwölf stelle ich meinen Panda auf dem Parkplatz von Dr. Wagener in Bansin ab und laufe zu dem grauen Mehrfamilienhaus, in dessen Erdgeschoss sich Wageners Zahnarztpraxis befindet. Ich klingle, der Summer ertönt und schon stehe ich vor dem Empfangstresen. Die Sprechstundenhilfe Frau Malkenthin, eine resolute Dame um die sechzig, sieht mich und schüttelt den Kopf. Was ist denn mit der los? Klar, ich bin zu spät, aber doch nur zwei Minuten.
»Frau Mai, wir haben die ganze Zeit versucht, Sie zu erreichen!«, sagt sie dann vorwurfsvoll.
»Ehrlich?« Sofort wühle ich in meiner Handtasche nach meinem Handy. Tatsächlich. Vier Anrufe in Abwesenheit.
»Tut mir...
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