Klugheit

Der vorliegende Band setzt den von den Herausgebern im Vorjahr unter dem Titel "Kluges Entscheiden" eroeffneten Diskurs zum Klugheitsbegriff fort. Bei Klugheit als praktischer Urteilskraft geht es um eine Ziel- und Massstabswahl in situ und damit um die Frage, wie allgemeine und abstrakte Werte oder Ziele situationsangemessen bestimmt und in einen Handlungsentschluss umgesetzt werden koennen. Dabei ist regelmaessig nicht einfach zwischen vorgegebenen Alternativen zu waehlen. Vielmehr sind die in Betracht kommenden Ziele und Handlungsentwuerfe zunaechst ueberhaupt erst zu entwickeln und zu selektieren. Die Kriterien und Regeln hierfuer werden nicht nur als individuelle Lebenserfahrung gebildet, sondern auch als organisationale und soziale Verhaltensregeln tradiert. Allen drei Ebenen ist gemeinsam, dass es sich um UEberzeugungsstrukturen ( belief structures) handelt, die die Identitaetsbildung der Beteiligten praegen. Klugheit ist also kein vorfindlicher Befund, der epochen- und kulturuebergreifend feststuende, sondern wird durch bestimmte Denk- und Glaubensmuster gebildet und zugeschrieben. An diesen Erkenntnisstand knuepfen die Beitraege des vorliegenden Bandes an. In theoretisch-konstruktiver Hinsicht fuehren die Autoren die verschiedenen Dimensionen des historischen Klugheitsdiskurses in einer zeitgemaessen Weise zusammen. Die empirisch-praktischen Beitraege identifizieren Eigenschaften, Verhaltensweisen und Strukturen, die Klugheit als Kompetenz kennzeichnen. Schliesslich wird normativ kontrovers eroertert, ob es angemessen sein kann und ueberhaupt noch gelingt, Klugheit in abstrakte Regeln zu fassen und situationsunabhaengig zu definieren.