Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Mal unter uns: Im Grunde hatte das Leben seinen Höhepunkt erreicht, als wir frisch gebadet im Schlafanzug vor der Lieblingskinderserie saßen und am nächsten Tag keine Schule hatten.
Für den Schulpsychologen hatte ich also einfach zu viel Fantasie. Darunter versteht das Wörterbuch der deutschen Sprache eine "nicht der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung", mit der man ja durchaus viel Geld verdienen kann. Dazu brauchen wir nur die fantasievollen Erfinder*innen von Kinofilmen, Serien und Romanen zu fragen oder Maler wie Salvador Dalí, dem sicher zu Lebzeiten keiner die Fantasie abgesprochen hat. Wie ist es mit Modedesigner*innen, die uns alle halbe Jahr mit ihren fantasievollen Kreationen begeistern?
Auch Musiker*innen, egal ob klassisch oder aus der Pop-Kultur, leben von überbordender Fantasie.
Und Lúcia de Jesus dos Santos? Sie war eines der drei Mädchen, die Zeuginnen der Marienerscheinung in der Stadt Fátima in Portugal waren. War, was sie erlebte, eine "nicht der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung"? Was hätte mein Schulpsychologe dazu gesagt? Für die Päpste war die Sache klar: Lúcia wurde von Johannes Paul II. selig- und von Franziskus dann heiliggesprochen. Das tut man nicht, wenn man der Überzeugung ist, dass ihre Vorstellung nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte.
Ja, wir leben in spannenden Zeiten.
Ja, wir leben in spannenden Zeiten. Heute treffen sich Quantenphysiker*innen mit Mystiker*innen und Hellsichtigen und sprechen über dieselben geheimnisvollen Vorkommnisse. Jede*r nähert sich der Sache von der eigenen Seite aus an, doch eines Tages werden wir uns in der Mitte treffen. Bis es so weit ist, werden viele Menschen die Quantenphysik nicht verstehen, genauso wenig, wie sie Mystik oder Hellsichtigkeit verstehen. Das ist in Ordnung. Wir Menschen lassen uns Zeit in unserer Entwicklung. Sie verläuft über Jahrtausende hinweg in Wellenbewegungen, wie alles im Universum. Auf Zeiten stürmischen Fortschritts folgen Zeiten, in denen sich scheinbar nichts tut. In der Ökonomie gibt es dafür sogar einen Namen, der erst einmal überraschend daherkommt: der Schweinebauchzyklus. Vor knapp hundert Jahren stellte der deutsche Agrarwissenschaftler Arthur Hanau fest, dass der Preis von Schweinebäuchen einem nachvollziehbaren Rhythmus folgt. Seither weiß man, dass alle Märkte diesen Schwingungen unterliegen, sei es der Handel mit Computerchips oder der Arbeitsmarkt. Spannend, nicht?
Das Mädchen, das ich Ihnen im vorigen Kapitel geschildert habe, erlebte auch normale Zeiten. In denen trat ich morgens vor die Tür und ging durch meinen Tag wie alle anderen auch. Hätte es das nicht gegeben, wäre ich wohl gar nicht mehr da. Das spüre ich heute: Nach einem großen Seminar, in dem ich in kurzer Zeit Hunderte von hellsichtigen Durchsagen mache, bin ich platt, um es klipp und klar zu sagen.
Nur weiß ich heute besser denn je, was ich tun muss, um die Batterie neu aufzuladen. Damals, in meiner Kindheit und Jugend, wusste ich wenig darüber. Zwar zehrte ich vom Energieüberschuss, den man in diesen Zeiten besitzt, doch immer wieder sagte mein Körper: "Jetzt ist Schluss, Kerstin!" Ich glaube, ich habe mir so ziemlich alle Krankheiten eingefangen, die man sich einfangen kann, und dazu noch ein paar mehr. Das waren Stoppschilder, die mich eigentlich hatten bremsen sollen. Manchmal fuhr ich trotzdem noch darüber.
Aber zurück in die Kindheit: Nun hatte ich also endlich die verhasste Grundschule hinter mir und kam auf die Hauptschule. Ich kann immer noch nicht sagen, weshalb diese Schulform für manche Menschen ein Makel bedeutet. Oft habe ich sehr erfolgreiche Manager in meinen Seminaren, die mir irgendwann, hinter vorgehaltener Hand, zuflüstern: "Aber ich habe doch bloß Hauptschule!" Das Bemerkenswerte daran ist, dass wir alle weitergemacht haben - Mittlere Reife, Fachabitur etc. Doch immer wieder kommt der Ausspruch: "Ich bin Hauptschüler*in." Das erlebe ich weder bei Absolvent*innen der Realschule noch bei ehemaligen Gymnasiast*innen. Dazu kommt, dass ich mir so manches Mal denke: Als ob ich diese vermeintliche Schande, die auf ihnen lastet, noch nicht gesehen hätte. Ein erfolgreicher Unternehmer, dessen Firma Maschinen herstellt, die sonst kaum einer in der Welt produzieren kann, der eloquent ist und die Welt bereist, um seine Produkte zu verkaufen, verstummte in dem Moment, in dem ein Gesprächspartner mit seinem Doktortitel auftrumpfte. Er selbst hatte nur den Hauptschulabschluss. Falls es Ihnen ähnlich geht: Kennen Sie diese bekannte Zeichnung, auf denen ein Elefant, ein Affe, eine Schnecke und eine Robbe vor einem Baum stehen? Der Lehrer sagt zu ihnen: "Damit es gerecht zugeht, kriegt ihr alle dieselbe Aufgabe: Klettert auf diesen Baum." Klar, dass sich nur einer freut, und das ist der Affe. Die anderen tun, was Millionen Kinder jeden Tag tun: Sie scheitern.
Stellen Sie sich vor, es würde in der Schule das Fach Persönlichkeitsentwicklung gelehrt.
Stellen Sie sich vor, es würde in der Schule das Fach Persönlichkeitsentwicklung geben mit den Benotungskriterien: Empathie, Auffassungsgabe, Motivation und Lösungsorientierung. Und außerdem einen Lehrplan mit all den Inhalten, die aus altem und neuen Wissen weitergegeben werden können. Was würde aus einem Großteil der Kinder werden? Wie früh könnten sie sich frei entfalten und ihren eigenen Weg gehen? Wie viele Schmerzen könnten sie sich auf dem Weg zum Erfolg ersparen?
Ich hatte wie gesagt auf der Hauptschule das große Glück, einige Lehrer*innen zu haben, die den Lehrplan, nach dem Elefant, Affe, Schnecke und Robbe auf den Baum klettern müssen, nicht so ernst nahmen. Sie erkannten, dass mehr in mir steckte. Dass "etwas anderes" in mir steckte, das sie vielleicht nicht einordnen konnten, deshalb aber nicht verdammten. Ganz im Gegenteil, sie förderten mich. Eine von ihnen erkannte, dass ich für mein Leben gern las. Meine Deutschlehrerin empfahl mir Buchhandlungen, in denen ich Lektüre finden konnte, und erzählte, dass es im Fernsehen das "Literarische Quartett" zu sehen gebe, sie es mir doch leider nicht empfehlen könne, da es zu spät am Abend ausgestrahlt werde. Ich schaute es dennoch - und das regelmäßig. Damals moderierten noch Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler die Sendung, und ich wurde eine treue Zuschauerin. Auf einmal tat sich eine Welt der Literatur vor mir auf, die ich bisher nicht gekannt hatte: Von Umberto Eco über Günter Grass und Martin Walser bis zu Elfriede Jelinek, Javier Marías, Irene Dische und Brigitte Kronauer und viele mehr las ich alles weg, was im Quartett empfohlen wurde - und auch das, was Marcel Reich-Ranicki verriss. Sagte er: "Ich habe von diesem Poeten nie viel gehalten und niemand kann mich zwingen, 800 Seiten von einem Autor zu lesen, der mich nicht interessiert", konnte es gut sein, dass ich in die Buchhandlung lief, um etwas über diesen Schriftsteller zu erfahren. Dort stöberte ich durch alle Regale und vergaß die Zeit, wie ich sie sonst nur im Wald vergaß.
Ich hatte schon zuvor Heinrich Böll gelesen und Dante Alighieri, Friedrich Dürrenmatt und Ödön von Horváth; Rainer Maria Rilke half mir über schlimme Zeiten hinweg, wie auch Hermann Hesse, von dem ich sogar eine Erstausgabe besaß, mein damals größter Schatz. Noch heute besitze ich eine riesige Büchersammlung. Mein Mann, Hermann Scherer, sagt manchmal halb im Scherz und halb im Ernst: "Wenn du zehntausend Bücher weggeben würdest, wären immer noch fünfzehntausend da." Er hat nicht ganz unrecht. Und ich fand damals in der Buchhandlung auch Bücher, die im "Literarischen Quartett" nicht besprochen wurden: Spirituelle Werke aus den Esoterik-Regalen. Genau dort geschah eines Tages etwas, das meinem Leben eine Wende gab.
Zu dieser Zeit - ich war 17 Jahre alt - verbrachte ich die Nachmittage gerne in Trier. Natürlich fühlte sich der Wald noch immer wie ein Zuhause an, woran sich bis heute nichts geändert hat. Doch ging ich jetzt in den Wald, war es keine Flucht mehr. In Trier herumzustöbern war auch keine Flucht, im Gegenteil: Ich traf auf Mädchen und Jungen, bei denen mir kein Misstrauen entgegenschlug. Ich wiederum spürte einen Hauch der vielen Ereignisse, welche die lange Historie der Stadt Trier geprägt haben. Es ist die älteste Stadt Deutschlands, gegründet 16 Jahre vor der Geburt Christi. Da kommen einige Geschichten zusammen. Immer wieder zog es mich in eine bestimmte Buchhandlung, so auch an diesem sommerlichen Nachmittag. Zunächst hatte ich nach den Empfehlungen aus dem "Literarischen Quartett" gesehen und hatte jetzt vor, das Regal mit spirituellen Büchern zu durchforsten. Ich kniete mich hin, um von ganz unten ein Buch herauszuziehen, das mir allein durch den Umschlag aufgefallen war, als ich die Stimme einer Frau in meinem Kopf vernahm, ohne sie tatsächlich zu hören. Sie stand mit dem Rücken zu mir am Nachbarregal und stöberte ebenfalls. Beiläufig fragte sie mich auf diese für mich verrückte Weise, ob ich die Autorin des Buches kenne, das ich ausgewählt hatte.
"Nein, ich habe noch nie etwas von ihr gelesen", antwortete ich laut und wahrheitsgemäß. Gleichzeitig bemerkte ich, wie unangebracht es war, diese Worte laut auszusprechen; wir schauten uns ja noch nicht einmal dabei an.
Doch es entspann sich eine Plauderei unter Buchliebhaberinnen, bei der mir die Frau interessante Tipps geben konnte. Sie war wesentlich...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.