Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Heute ist Rheinwandertag, einfach immer geradeaus bis zur nächsten Brücke. Schnell den Schlüssel im menschenleeren Gastraum abgeben, dann geht es noch in die genossenschaftseigene Bäckerei. Ab jetzt möchte ich möglichst keine Lebensmittelverschwendung in Hotels riskieren.
Ich kann mir die Suche nach einem Drogeriemarkt sparen. Meine Druckstellen sind glücklicherweise nahezu verheilt. Es geht nach dem Frühstück unbeschwert los, ganz super eine Dreiviertelstunde lang. Ich bleibe dann aber auf einmal mit großen Augen fassungslos stehen. Das darf doch wohl nicht wahr sein, da mündet vor mir einfach ein großer Fluss in den Rhein! Wo ist denn die Brücke, die es mir ermöglicht, meinen Weg munter fortzusetzen? Nirgends! Ich laufe auf einem kleinen Pfad der Mündung entlang. Es kommt noch schlimmer. Statt auf eine Brücke stoße ich auf einen See. Hier wird mir ein hervorragender Blick auf die Reste des stillgelegten AKWs Philippsburg gewährt. Ganz in der Nähe bietet eine idyllische Uferszene mit verlassenem grünem Paddelboot einen eigenwilligen Kontrast.
Bild 19: Stillgelegtes AKW Phillippsburg
Dann endet auch dieser Pfad am Wasser. Vielleicht sollte ich jetzt doch einmal eine Karte befragen? Die Antwort ist erschütternd! Es gibt keine Möglichkeit, diesen Altrheinarm zu überqueren. Ich kehre um, und meine Karte führt mich nach einer gefühlten Ewigkeit links durch einen Wald. Ich laufe bald erneut entlang des Altrheins, der sich in einem fast zehn Kilometer langen Bogen um ein Gebiet namens Schanzinsel erstreckt. Jetzt liegt das ehemalige Kernkraftwerk in seinem ganzen Ausmaß hinter hohen gesicherten Zäunen vor mir. Ich bin schockiert und gleichzeitig fasziniert von dem riesigen Ungetüm, welches auch heute noch dominant in der Gegend herumsteht. Für die Schönheit der Aulandschaft habe ich erst Augen, als das Monstrum langsam hinter meinem Rücken wieder kleiner wird. Ich laufe über Wiesen, durch Wäldchen und entlang eines Dammes. Dabei beobachte ich Ziegen oder Wasservögel. Ein Hase hoppelt direkt vor mir über den Weg.
Endlich erreiche ich bei Rheinhausen wieder den geliebten Fluss. Es ist Zeit für ein kleines Vesper. Dazu öffne ich endlich meinen Beutel mit Müsliriegelgeschenken. Ich krame ein weißes Papiertütchen heraus, löse erwartungsvoll das rote Bändchen und genieße nacheinander vier der köstlichen Fruchtschnitten.
Bild 20: Vesperpause bei Rheinhausen
Nach angemessener Regenerationszeit geht es mit neuer Motivation weiter. Von nun an folge ich genau den Anweisungen meines Onlinewanderführers, der mich jetzt entlang des Rheindamms leitet. Ich bin überrascht, wie weit der Schutzwall vom eigentlichen Fluss entfernt ist. Wieder enttäuscht es mich, dass ich
so wenig Landschaft sehen kann. Bald gelange ich jedoch zu einem Treppchen, auf dem ich den Damm erklimme, um oben auf einem kleinen Weg weiterzulaufen. Hier ist die Aussicht besser, zudem brauche ich nicht mehr auf Radfahrer zu achten. Der Himmel liefert mir ein posterwürdiges Motiv, eindeutig das "Bild des Tages". Es ist, als ob ein Maler sich von Herzen an seinen Grün-, Grau- und Indigofarbtöpfen bedient hätte, um sich dann mit schwungvollen Bewegungen auf der Leinwand auszutoben.
Bild 21: Auf dem Rheindamm vor Altlußheim
Schön, aber gleichzeitig besorgniserregend! Und wieder muss ich mein Regenbekleidungsritual durchziehen. Zu allem Überfluss ist dann noch der Handyakku tot. Es schüttet auf einmal wie aus Kübeln. Von dem schönen Landschaftsbild ist urplötzlich rein gar nichts mehr zu sehen. Das Grau um mich herum kann ich nicht einmal richtig erkennen, denn meine Brille beschlägt mal wieder gnadenlos. Auf dem Damm gibt es weder Bäume noch Gebäude als Unterschlupf, also stapfe ich mangels Alternative einfach rhythmisch geradeaus weiter. "Wer auf Wanderschaft ist, muss so eine Situation klaglos hinnehmen!", hämmert mir mein Über-Ich wieder ein. Und eigentlich ist es wirklich erträglich, zumal ich mich langsam der nächsten Ortschaft nähere. "Ich will einen warmen Kaffee im Trockenen haben!", quengelt mein inneres Kind.
Und tatsächlich erfüllt sich dieser Wunsch bald in einem Bäckerei-Café an der Hauptstraße. Tropfnass laufe ich dort ein, diesmal vor Publikum. Neugierigen Mitkaffeetrinkerinnen erkläre ich den Grund für meine triefende Erscheinung. Sehe ich da Bedauern in ihren Augen? Hoffentlich nicht, denn das wäre völlig überflüssig. Mir geht es wirklich gut. Während ich etwas trockne und mich mit Cappuccino aufwärme, verzieht sich draußen der ganze Spuk schon wieder. Ich krame die Powerbank hervor, um das Handy zu neuem Leben zu erwecken.
Ich bin mittlerweile alleine im Café, plaudere deshalb unbeschwert mit der Verkäuferin. Meine Wandergeschichte stößt mal wieder auf Interesse. Dann breche ich voller neuer Energie wieder auf. Es geht flott voran. Erst nach zweieinhalb Kilometern bemerke ich, dass etwas nicht stimmt. Es klackt nicht. Meine Stöcke! Ich habe sie stehen lassen! Wo? Hoffentlich in der Bäckerei und nicht irgendwo auf dem Damm. Besorgt eile ich zurück, um dann dort tatsächlich erleichtert meine grünen Super-Ultralight-Wanderhelfer wiederzufinden. Niemand hat meine Nachlässigkeit bemerkt. Das soll mir eine Lehre sein! Ich werde von nun an besser auf sie aufpassen. Die zusätzlichen fünf Kilometer betrachte ich nach diesem Happy End gerne als so etwas wie Lehrgeld.
Ich sehe die Schrägseilbrücke der A61 in der Ferne. Diese löst wieder nostalgische Erinnerungen an die Fahrten nach Wuppertal aus, eine willkommene Ablenkung während der verbleibenden Kilometer bis zu meiner lang ersehnten Flussbrücke. Dort schaue ich dann ergriffen auf den Rhein hinunter. Der rechte Uferstrand wird vorteilhaft von der Sonne ausgeleuchtet. Als ich gegen das Licht aufs andere Ufer blicke, erkenne ich die Silhouette von Speyer mit dem charakteristischen Dom. Ich freue mich mal wieder bis in die Zehenspitzen. Es geht von nun an hochmotiviert weiter. Beim freundlichen Begrüßungsschild von Rheinland-Pfalz überschreite ich mitten auf der Brücke stolz die erste Landesgrenze. Bald komme ich durch einen Park, hinter dem der gigantische Dom zwischen den Bäumen hervorragt. Seine roten Mauern und grünen Dächer werden warm vom Abendlicht beschienen. Ich schreite fasziniert an diesem riesigen romanischen Gotteshaus vorbei zur breiten Maximilianstraße. Hier ist heute noch die einstige Würde einer kaiserlichen Prachtstraße zu erahnen. Es ist ein Vergnügen, durch diese beeindruckende Fußgängerzone zu flanieren. Ich bleibe noch einmal unplanmäßig stehen. Vor mir steht die drei Meter hohe Bronzefigur eines Jakobspilgers.
Bild 22: Zwei Wandersleute in Speyer
Spontan sehe ich den Mann mit seinem Wanderstab als Kollegen an, registriere aber gleichzeitig auch die Unterschiede zwischen uns. Er läuft barfuß, ich trage meine mittlerweile perfekt eingelaufenen Wanderschuhe. Er ist in einem weiten Mantel unterwegs, ich trage immer noch meine leuchtend orange Regenjacke. Sein Gepäck besteht nur aus einem ganz kleinen Beutel rechts auf dem Rücken, ich bilde eine luxuriöse Einheit mit meinem Gustav. Während ich so ins Vergleichen vertieft bin, werde ich von einer Mutter und ihrer Tochter neugierig beobachtet. Unaufgefordert erzähle ich von meiner Reise. Daraus entsteht eine angenehme Unterhaltung. Bevor wir uns trennen,
gibt es noch ein paar Fotos von mir vor meinem pilgernden Kollegen. Der in warmes Licht gehüllte Dom bildet einen würdevollen Hintergrund. So, jetzt geht es aber ganz flott weiter!
Beim Einchecken bekomme ich eine Schlüsselkarte für ein ansprechendes modernes Gästezimmer in der Nähe, wo ich mich etwas unkonzentriert erfrische und umziehe. Dann folgt noch ein wenig unspektakuläres Sightseeing. Den Besitzern meines Gästehauses gehört auch ein bayrisches Restaurant. Dort lasse ich den Tag ausklingen, ohne mich am Stilbruch mit dem falschen Bundesland zu stören. Schon früh bin ich dann im Bett, um mich meinen Schreibaktivitäten hingeben zu können. Ich brauche keine Rücksicht auf die Uhr zu nehmen, denn morgen ist Ruhetag.
"Der erste Rheinabschnitt schenkte mir, wie erhofft, viele schöne Eindrücke und stimmungsvolle Bilder. Allerdings musste ich von der naiven Vorstellung Abschied nehmen, dass ich ab heute einfach nur dem Fluss zu folgen brauche. Nach wie vor wird es sich anbieten, meine Tagesetappen sorgfältig zu planen."
"Was reizt mich am Wandern? Natürlich ist es mehr als nur die Befriedigung darüber, Verfasserin eines netten Blogs zu sein. Wahrscheinlich gefällt mir einfach das Thema ,Unterwegssein', denn es taucht seit Kindertagen regelmäßig in meinen Träumen auf. Ich empfinde tiefe Freude an meinem ganz eigenen Weg, auch wenn gelegentlich Umwege dabei sind. Ich genieße es, dass ich ganz in meinem Tempo laufen darf, mit genug Zeit zum Entdecken, aber auch mit Raum...
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