Schweitzer Fachinformationen
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Wie konnte der Tote mitten in der Nacht in das Denkmal gelangen? War er aus freien Stücken in die Krypta gegangen oder wurde er von seinem Mörder dorthin gebracht? Unaufhörlich kreisten die Gedanken in Susannes Kopf, die mit ihrer Anwesenheit beinahe den nagenden Kopfschmerz verdrängten, der sie seit dem unsanften Weckruf begleitete. Aber eben nur beinahe. Mit den Zeigefingern massierte sie in kreisenden Bewegungen die pochenden Schläfen, während sie nach dem Mann Ausschau hielt, der den Leichnam gefunden hatte. Ein Wachmann mittleren Alters, der gegen 4 Uhr morgens zur Ablöse im Büro des Wachschutzes eingetroffen war.
Nachdem von seinem Kollegen, der die Nachtschicht hatte, jegliche Spur fehlte, machte er sich auf die Suche nach ihm. Doch statt ihm fand er die sterblichen Überreste von FranÇois Claude und informierte umgehend die Polizei. Der Schock stand ihm noch immer ins Gesicht geschrieben, zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand drehte er eine Zigarette in zackigen Kreisen, offenbar gierig darauf wartend, endlich den ersten Zug des Glimmstängels in seinen Lungen zu spüren.
»Hallo, mein Name ist Susanne Mayer, Kriminalhauptkommissarin.«
»Gutn Morgn. Uwe Steinig.« Der Mann schien noch nervöser zu werden.
»Sie haben die Leiche gefunden?«
»Ja. So was sieht man nicht alle Tage.« Uwe Steinig versuchte sich in einem lockeren Lächeln, aber sein Blick zeugte eher von Abscheu als von Gleichmut.
»Geht es Ihnen gut?«
»Wird schon.« Er richtete sich auf, die Zigarette wechselte die Hand, und während Uwe Steinig tief einatmete, blähten sich seine Nüstern unnatürlich weit auf.
»Erzählen Sie mir, was passiert ist. Wie haben Sie die Situation wahrgenommen?«
»Das habe ich vorhin schon Ihren Kollegen erzählt.«
»Erzählen Sie es noch einmal.« Susanne Mayer kannte das Spiel. Niemand redete gerne über solch schreckliche Ereignisse.
»Ich bin gegen 4 Uhr im Büro des Wachpersonals eingetroffen, wie immer 30 Minuten vor Dienstbeginn, damit ich noch in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken und mein Marmeladenbrötchen essen kann. Als ich eintraf, war das Büro leer. Sehr außergewöhnlich. Die letzte Runde der Nachtschicht sollte laut Protokoll gegen 3.30 Uhr beendet werden. Normalerweise sitzt der Kollegen dann um 4 Uhr schon im Büro, und wir unterhalten uns noch etwas, bis mein Dienst beginnt. Sie wissen schon: War irgendetwas auffällig? Funktioniert das Equipment? Solche Sachen eben. Als vom Kollegen nichts zu sehen war, habe ich mich gleich auf die Suche gemacht. Wir hatten letztes Jahr einen Unfall zu beklagen. Einer der Mitarbeiter war von der Steintreppe gestürzt und lag die halbe Nacht mit zwei gebrochenen Beinen am Fuß der Stufen, bis die Ablöse kam. Sie können sich vorstellen, was das für Schmerzen waren. Ich wollte sichergehen, dass sich so etwas nicht wiederholt hatte. Doch anstelle meines Kollegen fand ich den Körper in der Krypta in diesem komischen Aufzug.«
»Wie konnte er hereingelangen?«
»Ich habe keine Ahnung. Besuchern ist nach den offiziellen Öffnungszeiten der Zutritt nicht mehr gestattet.«
»Wie hieß der diensthabende Kollege der Nachtschicht?«
»Das ist der Sammler, Raik Sammler. Wir, also unser Chef und ich, haben schon mehrfach versucht, ihn zu erreichen, aber der Typ geht einfach nicht ans Telefon. Ich versteh das nicht. Was für ein kranker Scheiß geht hier vor sich?« Unsanft rieb er sich mit der linken Hand das verschwitzte Gesicht.
»Bitte geben Sie mir die Kontaktdaten von Herrn Sammler.«
»Ja, natürlich.« Uwe Steinert lief in seiner verwaschenen Kluft der Sicherheitsfirma in das Büro des Wachpersonals und tippte grob und ungelenk auf der Tastatur des Computers herum. Der Drucker hinter ihm begann langsam, sich in Bewegung zu setzen und spuckte letzten Endes ratternd ein Blatt Papier aus. Uwe Steinert nahm es aus der monströsen Maschine, die wie ein Relikt vergangener Tage wirkte, kam auf die Ermittlerin zu und reichte es ihr.
»Bitteschön. Kann ich jetzt meine Kippe rauchen gehen?«
»Ja.« Susanne schaute dem Mann hinterher, der ausgesprochen flink in Richtung des Ausgangs lief. Sie war froh, dieses Laster vor einige Jahren endgültig aufgegeben zu haben, auch wenn die eine oder andere berufliche Situation die Lust auf einen tiefen Zug ab und zu aufblitzen ließ.
Susanne hatte kaum Gelegenheit gehabt, sich die Daten auf dem Ausdruck durchzulesen, als sie durch ein Poltern aus Richtung des Ausgangs abgelenkt wurde. Der Wachmann kam ihr mit dem Telefon in der einen und glimmender Zigarette in der anderen Hand hektisch entgegengerannt, sichtlich bemüht, nicht über seine eigenen Füße zu stolpern.
»Er ist am Handy«, hechelte er und streckte ihr das Telefon entgegen.
Die Kommissarin legte den altmodischen schwarzen Plastikklumpen mit Klappmechanismus an das linke Ohr und hielt sich das rechte zu, um besser verstehen zu können. Zuerst hörte sie nichts, dann ein leises Wimmern, das sich langsam zu einem Schluchzen aufbaute.
»Hier spricht Susanne Mayer, Kriminalhauptkommissarin. Herr Sammler?«
»Ich war's nicht. Ich hab' damit nüscht zu tun.«
»Erst einmal ganz ruhig, Herr Sammler. Wir wollen doch nur wissen, was heute Nacht passiert ist.«
»Aber ich war's nicht.«
»Herr Sammler, warum hat Ihr Kollege Sie zum Schichtwechsel nicht an Ihrem Arbeitsplatz vorgefunden? Und wie war es möglich, dass sich ein Unbefugter nachts im Monument aufhielt? Wie ist er hier hereingekommen?«
Tränenreich erzählte ihr der Mann am Telefon, dass er FranÇois Claude bereits vor einiger Zeit alle notwendigen Schlüssel und Codes für das Betreten des Denkmals gegeben hatte. In den Nächten, in denen sich FranÇois Claude für einen Besuch im Denkmal »angemeldet« hatte, war er nicht immer vor Ort. Oftmals verließ er noch vor Eintreffen des »Gastes« seinen Arbeitsplatz, um die Zeit in seinem Lieblingsstripklub Flotter Käfer zu verbringen. Auch diese Nacht wollte er in dem Etablissement verbracht haben. Ob es Zeugen gab, die seine Angaben bestätigen könnten, wisse er nicht. Der Klub war voll, und ob sich jemand an ihn erinnere, konnte er nicht mit Sicherheit sagen.
»Aber mit dem, was da passiert ist, hab' ich nüscht zu tun.«
Die beiden kannten sich schon lange, sie hatten sich vor einigen Jahren auf einem Flohmarkt kennengelernt, und alle paar Monate ließ er ihn für eine Nacht ins Denkmal. Warum das für FranÇois Claude so wichtig war und was er in dieser Zeit dort tat, wusste er nicht, ging ihn ja auch gar nichts an.
Susanne Mayer hatte große Probleme, ihren Gesprächspartner zu verstehen. Mittlerweile war sein Schluchzen wieder zu einem Wimmern verkümmert, und er nuschelte seine Erzählung mühevoll dahin.
»Denken Sie, ich verliere nun meine Arbeit?«
Diese Frage überging die Ermittlerin absichtlich. Die Entscheidung lag nun wirklich nicht in ihrer Hand, es würde sie aber stark wundern, wenn er noch einmal einen Fuß in dieses Denkmal setzen würde, zumindest als Wachmann.
»Warum waren Sie zum Schichtwechsel nicht auf Ihrem Posten?«
»Ich war wie immer eine Stunde vor Schichtwechsel zurück, um FranÇois rechtzeitig zum Gehen zu bewegen, und da habe ich ihn schon dort in der Krypta sitzen sehen. Total abstoßend. Der Typ war rosa angelaufen, und als ich ihn mit meiner Fußspitze berührt habe, ist sein Kopf so komisch zur Seite gefallen. Das war einfach zu viel, als wäre ich gefangen in einem dieser scheiß Krimis. Ich konnte in dem Moment nicht dortbleiben und wollte nur noch weg.«
»Kam Ihnen nicht in den Sinn, Ihren Fund zu melden?«
»So weit habe ich tatsächlich nicht gedacht. Es war wie ein Aussetzer. Richtig zu mir gekommen bin ich erst wieder zu Hause.«
»Warum konnte Ihr Kollege keine Aufnahmen der Überwachungskameras aus Ihrer Schicht finden?«
»Die schalte ich immer aus, wenn FranÇois zu Besuch ist.«
War ja klar.
»Wo befinden Sie sich gerade?«
»Zu Hause.«
»Bleiben Sie dort. Ich schicke Beamte zu Ihnen, wir müssen Ihre Aussage noch aufnehmen.«
»Okay.« Raik Sammler wimmerte weiterhin ins Telefon. »Werde ich jetzt gefeuert?«
»Das ist nicht meine Entscheidung, Herr Sammler.«
Susanne Mayer beendete das Telefonat. Ging dieser Mensch wirklich davon aus, nach dieser filmreifen Fehlleistung, seinen Job zu behalten? Um die Fluchtgefahr so niedrig wie möglich zu halten, hatte sie für sich behalten, dass er vorerst als Verdächtiger galt. Zuerst musste sich sein Alibi bestätigen, damit seine Story glaubhaft war. Sie gab dem Wachmann das Handy zurück.
Nach der Dunkelheit in der Tanzbar, die nur durch vereinzelte bunte Neonlichter unterbrochen worden war, schien selbst das natürliche Grau dieses tristen Oktobertages zu hell für ihre Augen zu sein. Susanne trat durch die Pforte ins Freie und atmete die kühle, frische Luft ein. Blinzelnd schaute sie auf den Eingang des Ladens Zum Flotten Käfer zurück. Die Befragung der Mitarbeiter hatte bisher nichts ergeben. Die Kollegen der Nachtschicht hatten das Lokal bereits verlassen und mussten doch telefonisch kontaktiert werden. Funktionstüchtige Überwachungskameras gab es nicht, die Geräte waren allesamt Attrappen, um potenzielle Unruhestifter abzuschrecken. Schlecht für Suse und im Zweifelsfall noch viel schlechter für Raik Sammler.
Der nächste Blick fiel auf ihre Schuhe. Warum war...
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