Schweitzer Fachinformationen
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Haley Hanson befand sich soeben inmitten eines Starrwettbewerbs mit einem Haufen Puppen - und sie waren dabei zu gewinnen. Diese hinreißenden Puppen mit ihren wunderschönen Weihnachtskleidern in klassischem Rot-Grün saßen aufgereiht auf ihrem Schreibtisch. Jedes der Kleider war minutiös mit feiner weißer Spitze und vorn mit winzigen Perlenknöpfchen besetzt. Doch beim Anblick ihres aufgemalten perfekten Lächelns verfinsterte sich Haleys Miene noch mehr. Sie konnten ihr keine Minute lang etwas vormachen. Ganz gleich wie unschuldig sie wirken mochten, ihr war sehr wohl bewusst, dass diese Weihnachtspuppen über ihre gesamte Zukunft entscheiden konnten. Sie hatten alles in der Hand.
»Deshalb müssen wir hier folgendermaßen vorgehen«, beschwor sie die Puppen und rückte noch näher an sie heran. »Wenn ich diese Beförderung kriegen soll, müssen wir zusammenarbeiten. Versteht ihr?« Haley blickte sie streng an und wartete einen Augenblick. Dann musste sie über sich selbst lachen. Die Leute behaupteten immer von ihr, sie hätte eine blühende Fantasie. In ihrem Job als Werbefachfrau und Markenstrategin war dies äußerst hilfreich. Doch selbst mit ihrer lebhaften Vorstellungskraft schaffte sie es nicht, diese Puppen zum Antworten zu bringen.
Sie beschloss, diese Runde an die Puppen gehen zu lassen, doch so schnell würde sie nicht aufgeben. Es ging für sie um zu viel dabei. Um sich noch genauer vor Augen zu führen, was alles auf dem Spiel stand, ging sie zu dem größten Möbelstück in ihrem Büro hinüber, einem stilvollen Bücherschrank mit Glasvitrine, in dem all die Auszeichnungen standen, die sie seit ihrem Einstieg bei Bergman Advertising bereits erhalten hatte. Es war eine beachtliche Sammlung.
Vor acht Jahren, direkt nach dem College, hatte sie bei der Agentur angefangen. Sie hatte sich für die Werbebranche entschieden und sich darauf spezialisiert, Marken aufzubauen, weil sie darin die Möglichkeit sah, ihre kreativen Fähigkeiten und ihr Talent fürs Fabulieren unter einen Hut zu bringen. Es machte ihr außerdem großen Spaß, Menschen und Unternehmen dabei zu unterstützen, auf authentische Art und Weise mit ihren Kunden in Kontakt zu treten.
Sie griff nach einem der Preise, einer Figur ähnlich dem Hollywood-Oscar, bei der es sie immer wieder überraschte, wie schwer sie war. Es war ein »Addie«, der in der Werbebranche als direktes Gegenstück zum Oscar galt, und wenngleich etwas kleiner und silbern statt golden, so handelte es sich dennoch um den renommiertesten Preis, den es auf diesem Sektor zu gewinnen gab.
Sie hatte ihn gleich zu ihrer Anfangszeit bei der Agentur erhalten, für eine Kampagne bei einem ihrer ersten Kunden, der Schulbehörde von Massachusetts. Sie wollten einen groß angelegten Werbefeldzug im Fernsehen starten, um die Alphabetisierung voranzutreiben, hatten allerdings nur ein geringes Budget zur Verfügung. Sie konnte ein paar Spitzenpromis dafür gewinnen, ihre Zeit zu opfern und sich bei der Werbung einzubringen. Die Kampagne war ein Riesenerfolg und wurde von anderen Bezirken als Modell zur Kinderförderung im gesamten Land übernommen. Nachdem man Haley die Verantwortung für die nationale Kampagne ebenfalls übertragen hatte, war ihre Karriere ins Rollen gekommen, und seitdem hatte sie nie wieder zurückgeblickt. Von der Vermarktung kleinerer Familienbetriebe stieg sie schnell zur Vertretung des Topmarkensegments führender Unternehmen in Boston auf.
Gewiss war bei ihrer Laufbahn zur jüngsten Vizepräsidentin der Firma einiges auf der Strecke geblieben - so etwas wie ein Privatleben, Urlaub oder Wochenenden -, doch sie hatte es nie bereut, und jetzt sollte sie das bekommen, wofür sie so hart gearbeitet hatte: die Beförderung zur Geschäftspartnerin.
Larry, ihr Vorgesetzter und Eigentümer der Agentur, hatte ihr versprochen, sie zur Firmenpartnerin zu machen, falls es ihr bis zum Jahresende gelingen sollte, einen mehrere Millionen schweren Auftrag an Land zu ziehen. Und hier kamen die Weihnachtspuppen ins Spiel. Haley streifte sie mit einem Blick. Das waren nicht einfach irgendwelche gewöhnlichen Puppen. Das waren Puppen von Tyler Toys, einem der größten Spielwarenfabrikanten des Landes, der auf den internationalen Markt drängte - genau die Art von Auftrag, die Haley brauchte, um Geschäftspartnerin zu werden.
Sie war an einem Punkt angelangt, wo es ihr nicht mehr ausreichte, lediglich angestellt zu sein. Sie wollte einen Anteil an der Firma, dem Unternehmen, dem sie dazu verholfen hatte, einer der Top-Werbeagenturen an der Ostküste zu werden. Sie hatte hart dafür gearbeitet, und sie wusste, dass sie es sich verdient hatte.
Als Einzelkind war sie in einer Familie aufgewachsen, in der das Geld immer knapp gewesen war, aber sie hatte Glück gehabt. Ihre Eltern konnten ihr zwar materiell nicht viel bieten - für Markenklamotten, Reisen, Tanzschule oder Gymnastikstunden hatte es nie gereicht -, doch sie wuchs in dem Bewusstsein auf, dass sie geliebt wurde. Sie hatten sie immer ermuntert, daran zu glauben, dass alles möglich war, und deshalb hatte sie schon früh für sich beschlossen, wenn sie erwachsen sein würde, sich niemals um Geld Sorgen machen zu wollen, so wie ihre Eltern immer. Und auch ihre Eltern sollten sich nicht länger sorgen müssen, sie wollte sich um sie kümmern.
Haley ging wieder zu den Puppen zurück. Ein Auftrag wie der von Tyler Toys gab es nicht alle Tage. Das hier war ihre Chance.
Da gab es nur ein klitzekleines Hindernis beziehungsweise eine sehr wesentliche Person, die ihr dabei im Weg stand, nämlich ihr Boss selbst. Für Haley war Larry immer viel mehr als nur ihr Vorgesetzter gewesen - er war ihr Vertrauter. Als er sie direkt nach ihrem Hochschulabschluss einstellte, war er bewusst ein Risiko mit ihr eingegangen. Er war hart, doch ihr gegenüber immer fair gewesen und hatte sie stets motiviert, über die eigenen Erwartungen hinauszuwachsen. Er hatte ihr beigebracht, wie man querdachte, kein Nein als Antwort akzeptierte und der Konkurrenz immer einen Schritt voraus war.
Als Haley einen Insidertipp erhielt, dass sie bei Tyler Toys daran dachten, eine neue Werbeagentur zu beauftragen, ließ sie sofort ihre Beziehungen spielen und fand heraus, dass der Präsident von Tyler Toys ein Baseballspiel in Boston besuchen wollte. Sie zog die Strippen und stellte sicher, dass sie ein Ticket für das Spiel in derselben Loge bekam. Nach der dritten Spielrunde hatte sie ihn so weit, dass er sich auf ein Geschäftsgespräch bei ihnen einließ. Das Treffen sollte in zwei Wochen stattfinden, unmittelbar vor Weihnachten. Das Ganze war perfekt, bis Larry beschloss, dass Tom, der Vizepräsident der Firma, das Gespräch führen sollte.
Haley schüttelte sich beim bloßen Gedanken daran. Das durfte sie unter gar keinen Umständen zulassen. Tom wollte ebenso wie sie Firmenpartner werden und konkurrierte bereits seit zwei Jahren mit ihr um eine günstige Gelegenheit. Persönlich hatte Haley nichts gegen Tom. Er war an die zehn Jahre älter als sie, verheiratet mit zwei Kindern noch unter zehn Jahren. Sie fand ihn eigentlich ganz nett. Er war nur nicht der Typ, von dem sich Haley ihre Beförderung vor der Nase wegschnappen lassen würde. Es ging nicht um Persönliches. Es ging ums Geschäft.
Haley setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Diesmal lag Entschlusskraft in ihrem Blick, mit dem sie den Puppen begegnete. Doch da wurde ihr kleines Auge-in-Auge mit ihnen von Larry unterbrochen, der plötzlich zur Tür hereinkam. Sofort richtete sie sich kerzengerade auf und tat so, als striche sie eine Falte aus dem makellosen schwarzen Kleid.
»Guten Morgen«, sagte sie.
»Guten Morgen.« Er lächelte sie an, machte dann jedoch einen erschrockenen Satz rückwärts, als er all die Puppen auf ihrem Schreibtisch sah. »Haley was machst du da mit den Tyler Toys-Puppen? Die sollten zu Tom rüber.«
Flugs erhob sich Haley und stieß dabei unversehens gegen den Schreibtisch, was die gesamte Puppenreihe wie Dominosteine zu Fall brachte. Sie ignorierte das Chaos. Sie hatte eine Mission. Die Füße hüftbreit auseinander, die Hände in die Hüften gestemmt, Brustkorb vorgestreckt und erhobenen Hauptes brachte sie sich in Position; es war ihre Wonder-Woman-Haltung, eine Krafthaltung, die sie über die Jahre perfektioniert hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass sie im Handumdrehen für eine Zusatzladung Selbstvertrauen sorgen sollte. Bisher hatte sie noch nie ihre Wirkung verfehlt, und sie rechnete fest damit, dass es auch diesmal der Fall sein würde.
Sie setzte ihr gewinnendstes Lächeln auf. »Larry, ich möchte die Tyler Toys-Präsentation entwickeln. Ich bin diejenige, die uns den Vorsprung verschafft hat. Genau das, was du von mir wolltest: einen Großauftrag. Ich sollte die Präsentation übernehmen, nicht Tom.« Sie sah Larry direkt in die Augen. Sie wollte sichergehen, dass er wusste, wie ernst es ihr war. Als sie sein erstauntes Gesicht bemerkte, lächelte sie einfach weiter und behielt die Haltung bei. Wonder Woman wäre stolz auf sie gewesen. Das Einzige einzige, was darauf hinwies, dass sie nervös war, waren ihre fest in die Flanken gestützten gepressten Hände.
Sie beobachtete abwartend, wie Larry an ihren Schreibtisch trat und eine der Tyler Toys-Weihnachtspuppen aufnahm, deren Haare von dem Sturz ein wenig zerzaust waren, doch das ließ sie irgendwie noch niedlicher wirken.
Larry lächelte. »Weißt du, die erste Puppe, die ich meiner Tochter Shannon gekauft habe, war von Tyler Toys.« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Wir haben sie ihr zu Weihnachten geschenkt, da war sie vielleicht sechs....
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