Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Von der Letzen Ölung zur Krankensalbung
Ich wurde im Jahr 1958 geboren. Damit verbunden erfuhr ich den Kommunionunterricht zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, das in den Jahren 1962-1965 tagte. Mir wurde damit die "Letzte Ölung"als ein Sakrament für Sterbende gelehrt. Mit diesem Wissen begann ich als Spätberufener im Jahr 1993 mein Theologiestudium. Dabei lernte ich, dass ich 20 Jahre lang eine Veränderung in der katholischen Kirche "verschlafen" hatte: Im Jahr 1974 kam auf dem Hintergrund der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils für die Krankenpastoral ein neues Rituale heraus. Darin wurde nicht nur die Bezeichnung "Letzte Ölung" zur "Krankensalbung" geändert, sondern auch die Verwendung. Das Sakrament sollte nicht erst am Ende einer schweren Erkrankung gespendet werden, sondern am Beginn einer schweren Erkrankung (SC 73). Damit wurde es ein Sakrament für die Kranken.
Ich hatte somit einen inneren Wandel in der Bedeutung und Zielsetzung des Sakramentes zu vollziehen. Auf diesem Hintergrund habe ich Verständnis für alle Menschen, die noch immer nichts von der Krankensalbung wissen. Zu meinem Erstaunen gibt es auch junge Menschen, die noch von der "Letzten Ölung" sprechen. Die deutlichste Erfahrung machte ich nach dem Jahr 2000, als ich von einem Religionslehrer gebeten wurde, für eine Unterrichtsstunde in die 5. Klasse zu kommen, um etwas von der Tätigkeit als Klinikseelsorger zu erzählen. Die Unterrichtsstunde begann ich mit der Frage, was sie meinen, was meine Aufgabe sei. Eine Antwort lautete, die "Letzte Ölung" zu spenden. Ich stellte diese Antwort richtig.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es für Priester und Religionslehrer ist, theologisch mit der Zeit zu gehen. Sie sollten nicht auf dem Stand verharren, den sie selbst in ihrer Ausbildung gelernt haben. Daher steht an Stelle eines Vorworts ein Gespräch mit einer Patientin, das für das Thema "Krankensalbung" typisch ist.
Im Jahr 2023 bat Frau S. um den Besuch eines katholischen Priesters. Sie war Mitte 70 Jahre alt und sollte in den nächsten Tagen eine große Herzoperation erfahren. Es war fraglich, ob sie die Operation überleben wird. Für mich war dies ein klassischer Fall, ihr den Empfang der Krankensalbung anzubieten. Es ist ein Sakrament für Kranke mit der Bitte an Gott um Beistand und Genesung.
Somit bot ich Frau S. das Sakrament der Krankensalbung an, mit dem Hinweis verbunden, dass es ein Sakrament für die Kranken ist. Doch Frau S. lehnte ab.
Ich verwies auf den Beschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass das Sakrament gespendet werden soll, "wenn der Gläubige beginnt, wegen Krankheit oder Altersschwäche in Lebensgefahr zu geraten." [SC 73] Ich verwies auf den Katechismus, der es eigens nennt, dass es angebracht ist, "die Krankensalbung zu empfangen, wenn man vor einer schweren Operation steht." [KKK 1515] Ich verwies auf das Weihegebet des Bischofs, das er über das Salböl betet. Darin heißt es: Das geweihte Öl ist "ein heiliges Zeichen deines Erbarmens, das Krankheit, Schmerz und Bedrängnis vertreibt, heilsam für den Leib, für Seele und Geist."
Frau S. blieb bei ihrer ablehnenden Haltung. Sie wollte jetzt keine Krankensalbung. Wenn jedoch bei der Operation etwas schief läuft und sie sterben sollte, dann sollte ich sofort für die "Letzte Ölung" zur Verfügung stehen.
Ich gab zu bedenken, dass ich für den Fall, dass sie während der Operation verstirbt, keinen Zugang zum Operationssaal habe. Ich könnte dann nur für sie als Verstorbene beten. Doch dazu muss ich erfahren, dass sie verstorben ist. Gleiches gilt auch, wenn sie künstlich beatmet und damit im künstlichen Koma liegend, auf der Intensivstation liegt. Ich muss erfahren, dass sie im Sterben liegt. Ich versuchte, Frau S. aufzuzeigen, wie undurchführbar ihr Wunsch ist.
Ungeachtet dieser Bedenken blieb Frau S. bei ihrer ablehnenden Haltung. Sie wollte jetzt keine Krankensalbung, aber wenn sie im Sterben liegt, sollte ich oder ein anderer Pfarrer unverzüglich für eine eine "Letzte Ölung" zur Stelle sein. Wenn sie im Operationssaal verstirbt, ist dies allein aufgrund des engen Zeitfensters von wenigen Minuten undurchführbar.
Diese Erfahrungen zeigten mir, dass die Information über das Sakrament der Krankensalbung nicht erst in der Klinik zu den Menschen muss, sondern im Vorfeld. Es genügt nicht, aus den kirchlichen Papieren zu zitieren, sondern es muss ein nachvollziehbares Verständnis für das Sakrament in den Ortsgemeinden geschaffen werden. Geht es doch darum, in den Köpfen der Gläubigen die "Letzte Ölung" als Sterbesakrament gegen die "Krankensalbung" auszutauschen. Dazu empfiehlt das Rituale, dass regelmäßig die Kranken einer Gemeinde zu einem Krankengottesdienst eingeladen werden, um dieses Sakrament zu empfangen.
Mit einem reinen Austausch ist es jedoch nicht getan. Damit entsteht für das Sterben eine Lücke, die es zu schließen gilt. So verstehen es viele Gläubige. Doch seit dem 8.Jh. sollte nachweislich die Wegzehrung das Sterbesakrament sein. Das wissen viele Gläubige nicht. Außerdem ist es bei einem bewusstlosen Sterbenden nicht anwendbar. Vielen Gläubigen ist dies zu kurz. Sie wünschen sich eine kleine liturgische Feier, wollen zuweilen auch selbst aktiv mitbeten.
An diesem bedeutsamen Schritt vom Diesseits ins Jenseits ist es für den Sterbenden und deren Angehörige wichtig, dass sie nicht tatenlos das Sterben erleben. Sie wollen es aktiv gestalten und auch spirituell noch etwas für den Sterbenden tun, was über die Wegzehrung hinaus geht.. Für den Sterbenden soll gebetet und er damit Gott in besonderer Weise anempfohlen werden.
Hinzu kommt die personelle Struktur der Klinikseelsorge. Um das Jahr 2010 sollen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ca. 20% Priester und rund 80% pastorale Mitarbeiter gearbeitet haben. Da der Priester oft beim Sterben eines Menschen gerufen werden, brachte die Diözese Rottenburg-Stuttgart im Jahr 2012 einen Sterbesegen heraus. Andere Diözesen folgten mit einem ähnlichen Sterbesegen. Damit sind Sterbende nicht vergessen. Für sie wird auch weiterhin gebetet und in dem Gebet Gott anempfohlen. Sterbende sind somit nicht vergessen.
Doch die "Letzte Ölung" scheint sehr fest im kollektiven Bewusstsein festzusitzen. Dies zeigt das Sterben von Frau R, was sich ebenfalls im Jahr 2023 ereignet hatte:
An einem Sonntag wurde ich um 22:22 Uhr auf die Intensivstation zu Frau R. gerufen. Sie lag künstlich beatmet im Bett, darum die Kinder, die Schwester und der Schwager. Sie sagten mir, dass das Gehirn so schwer geschädigt ist, dass Frau R. nie wieder aufwachen wird. Sie wird an den Folgen der schweren Hirnschädigung sterben. Aus diesem Grund entschied ich mich für die Spendung des Sterbesegens.
Am Dienstag wurde ich um 10:30 Uhr wieder zu Frau R. gerufen. Die Situation war die gleiche. Nur war jetzt eine andere Schwester von Frau R. anwesend. Sie sagte mir, dass sie sich für ihre Schwester eine richtige Salbung wünsche. Ich verwies darauf, das 1963 das Zweite Vatikanische Konzil beschloss, dass das Sakrament nicht am Ende einer Erkrankung gespendet werden soll, sondern am Anfang einer Erkrankung, weswegen namentlich aus der "Letzten Ölung" die "Krankensalbung" wurde, ein Sakrament für Kranke, nicht für Sterbende. Dies führte bei der Schwester von Frau R. keine Veränderung der Haltung.
Daher las ich aus dem Weihegebet des Bischofs vor, das er über das Krankenöl betet. Dabei betonte ich, dass mit dem Krankenöl "Krankheit, Schmerz und Bedrängnis" vertreiben soll. Hier aber gibt es keine Genesung mehr. Auch dies führte zu keiner Gesinnungsänderung der Schwester.
Somit spendete ich Frau R. die Krankensalbung als Letzte Ölung. Weil es in der Situation keinen Sinn macht, hier um Heilung zu beten, nahm ich die ergebnisoffene Form. Mit Psalm 23 betete ich einfach um eine gute Begleitung durch die schwere Krankheit, wobei der Ausgang offen ist.* Danach bedankte sich die Schwester von Frau R. mit verklärtem Blick für die Spendung der Salbung.
In diesen pastoralen Situationen wie bei der Schwester von Frau R., kann man sich bemühen, aufzuklären. Erfahrungsgemäß sind diese Menschen so fest in ihrer Tradition verhaftet, dass sie sich von Argumenten nicht umstimmen lassen. Sie wollen das, was sie vor Jahrzehnten gelernt haben. Zuweilen fordern sie das in aller Deutlichkeit ein. Daher macht es keinen Sinn, in den aktuellen Situationen weiter aufzuklären. Wenn schon das Krankenöl für Sterbende missbraucht wird, sollten wenigstens die Gebete offen sein. Es sollte bei Sterbenden nicht um Heilung gebetet werden, auch wenn die Angehörigen in ihrem magischen Denken dies erhoffen.2
* Hinweis: Diese offene Form der Krankensalbung benutze ich in diesen Situationen:
a) Wenn medizinisch eher vom Sterben als vom Weiterleben ausgegangen werden muss.
b) Wenn Angehörige ausdrücklich eine "Krankensalbung" für...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.