Schweitzer Fachinformationen
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Vom Einfluss der Region
Vom Einfluss der historischen Entwicklung
Vom Einfluss der Mentalität auf das Handeln
Nicht allein das Angeborene, sondern auch das Erworbene ist der Mensch. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Zum 1. Januar 2014 vollzog der damalige SPD-Innenminister Reinhold Gall eine umfassende Polizeireform. Aus 37 Polizeidirektionen in Baden-Württemberg wurden zwölf Flächenpräsidien gebildet. Für die Städte Heidelberg und Mannheim und den Rhein-Neckar-Kreis wurden die Polizeidirektion Heidelberg und das Polizeipräsidium Mannheim verschmolzen. Der Sitz des Präsidiums ging nach Mannheim.
Ich erhielt als erfahrener Verkehrspolizist den Auftrag, die größte Verkehrspolizeidirektion im Land zu planen. Zum Fusionsstichtag wurde ich dann auch mit der Wahrnehmung der Führungsaufgaben beauftragt. Da ich die achtziger und frühen neunziger Jahre beruflich in Heidelberg verbracht hatte und die meisten der älteren Kollegen noch kannte, sollte mir die Aufgabe nicht schwerfallen.
Allerdings wusste ich als "Einheimischer", dass da nicht nur durch die vielfach ungeliebte Zwangsehe der Fusion ein Graben quer durch die Beamtenschaft verlief.
Nein, da gibt es auch eine unsichtbare Mentalitätsgrenze, die irgendwo zwischen Mannheim-Seckenheim und Heidelberg-Wieblingen verlaufen muss und die häufig in der Interaktion zwischen Heidelbergern und Mannheimern als Membran wirkt. Manchmal ist sie durchlässig, manchmal auch nur semipermeabel und manchmal wirkt sie als starre Mauer.
Was ist das, was die Heidelberger und die Mannheimer trotz gleicher Geschichte und Herkunft doch manchmal so grundverschieden erscheinen lässt?
Als gebürtiger Heidelberger, der sich in Mannheim sehr wohl fühlt, habe ich durch fünfundzwanzigjährige Erfahrungen natürlich auch eine plausible Erklärung entwickelt.
Um die Ursachen zu ergründen, muss man in die Geschichte der Region eintauchen.
Ich nehme Sie dazu mit ins 16. Jahrhundert, in das Herrschaftsgebiet der Kurfürsten, in die Kurpfalz.4
Friedrich II. (Kurfürst von 1544 bis 1556) wagte es, 1545/1546 die Lehren Luthers in der Kurpfalz einzuführen. Wenig erbaut darüber war der römisch-katholische Kaiser Karl V. Schon bald begann der Monarch dieses Vorhaben zu unterdrücken.
Erst Friedrichs Nachfolger, Kurfürst Ottheinrich (1556 bis 1559) vollzog die Reformation. Auf sein Geheiß wurde die Heidelberger Universität im Geiste der Erneuerungsbewegung umgestaltet. Er ließ Klöster auflösen und gab große Buchbestände an die Universität. Und er führte die Bestände der Universität, der Stiftsbibliothek in der Heiliggeistkirche und der Schlossbibliothek der Kurfürsten von der Pfalz zur eigentlichen Bibliotheca Palatina5 zusammen. So schuf er, umringt von katholisch geprägten Fürstentümern, eine evangelische Landeshochschule und ein protestantisches Zentrum der Lehre.
Friedrich III. (1559 bis 1576), Anhänger der Calvinistischen Lehre6, ließ später von Zacharias Ursinius7, einem Schüler Calvins8, den reformierten Heidelberger Katechismus9 erarbeiten. Die "Frage 80" darin enthielt eine Verwerfung und Provokation der Katholiken hinsichtlich der päpstlichen Messe:
Und ist also die Messe im Grunde nichts anderes als eine Verleugnung des einzigen Opfers und Leidens Jesu Christi und eine vermaledeite Abgötterei.10
Im August 1563 wurde diese neue Kirchenordnung verabschiedet. Damit wurde eine eigenständige, spezifisch kurpfälzische Variante des Reformiertentums geschaffen. Durch die Einführung des Calvinismus wurde die Kurpfalz jedoch im Heiligen Römischen Reich politisch weitgehend isoliert. Das prägte auch die Entwicklung des Heidelberger Bürgertums in einer der ältesten Universitätsstädte Europas und ist mithin ursächlich für den heute hohen Akademikeranteil unter den Berufstätigen.
Bedingt durch die vielen Reformationskonflikte der damaligen Zeit wurde die Pfalz zum Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge aus ganz Europa, unter ihnen viele Flamen und Wallonen aus Frankreich.
Allerdings muss man sich unter der Größe einer Stadt etwas anderes vorstellen als heutzutage. Heidelberg zählte anno 1588 gerade mal 6.300 Einwohner. So wirkten sich die Zuwanderungswellen stark auf die Struktur der Stadtgesellschaft aus.
In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert werden immer wieder Versuche der zwangsweisen Rekatholisierung unternommen. Als 1648 der Krieg endete, war das Land verwüstet. Die Kurpfalz war eine der vom Krieg am schwersten betroffenen Regionen und hatte annähernd die Hälfte der Bevölkerung verloren.
Kurfürst Karl I. Ludwig11 (1649-1680) betrieb den Wiederaufbau. Als überzeugter Calvinist war er sparsam. In einer Zeit, in der religiöser Fanatismus vorherrschte, war er einer der wenigen Herrscher, die in einer Politik der religiösen Toleranz die beste Voraussetzung für ein gedeihliches Zusammenleben der Bevölkerung sahen.
Für die Wiederbesiedlung der verwüsteten Landstriche ließ er überall Siedler anwerben. Seinem Ruf folgten verfolgte Minderheiten aus ganz Europa - Verfolgte, weil sie wissbegierig, reformwillig und dadurch aufgeklärt waren.
Karl Ludwig regierte absolutistisch mit paternalistischen Zügen. Er kannte jeden und kümmerte sich um alles. Der Kurfürst lebte sein Regierungsamt. Er kontrollierte, wollte alles wissen und fuhr oft barsch dazwischen, sobald er Nachlässigkeit und Müßiggang vermutete. Dafür war er bei der einfachen Bevölkerung sehr beliebt.
Der Niedergang des Hauses Pfalz-Simmern war jedoch ein Lehrstück dafür, nicht rechtzeitig von der Macht ablassen zu können. Das finden wir auch heute noch in vielfältiger Ausprägung, weshalb ich mich entschlossen habe, darauf etwas umfänglicher einzugehen. Und ich ahnte nicht, dass ich bei meinen Recherchen auf eine Tragödie fast griechischen Ausmaßes stoßen und mich auf einen vermutlich ungeklärten Kriminalfall einlassen würde.
Kurfürst Karl Ludwig war ein autoritärer Vater und trennte sich schon nach sieben Jahren Ehe von seiner ersten Frau Charlotte von Hessen-Cassel. Sein dieser Ehe entstammender Sohn Karl II.12 wuchs als kränklicher Knabe freudlos am Hofe des Vaters auf; sein reizbares empfindliches Gemüth wurde verschüchtert und von den Eindrücken seiner Umgebung unangenehm berührt; seine Mutter zog sich 1657 nach Cassel zurück, er blieb einsam bei Hofe, widerwillig dem Vater unbedingten Gehorsam zollend. Ohne auf seine Individualität Rücksicht zu nehmen, wurde Karl mit Gelehrsamkeit erdrückt; schrieb 1882 der deutsche Historiker Arthur Kleinschmidt über den glücklosen Kurfürstensohn.
1664 wurde der junge Gelehrte Paul Hachenberg sein Erzieher und gewann immer mehr sein Vertrauen, was wiederum Argwohn bei seinem Vater hervorrief.
Als er eine württembergische Prinzessin heirathen wollte, bestimmte ihm der Vater die ihm ganz unsympathische Tochter des Königs Friedrich III. von Dänemark, Wilhelmine Ernestine. Ihre Hoffart und Unbedeutendheit entfremdete ihn ihr mehr und mehr, die Ehe blieb kinderlos.13
Karl strebte nach Unabhängigkeit. Der Druck des Vaters und seine Lebensumstände ließen ihn immer düsterer und gar zum Menschenfeind werden.
Als 1680 die Franzosen im Oberamt14 Germersheim in die Pfalz einfielen, schickte ihn sein Vater auf diplomatische Mission zum Onkel König Karl II. nach England. Während dieses Auslandsaufenthalts verstarb am 26. August der verhasste Vater mit 62 Jahren, damit fiel Karl im Alter von 29 Jahren das Kurfürstenamt zu und er kehrte im Oktober nach Heidelberg zurück. Die Leitung der pfälzischen Politik überließ er jedoch seinem engsten Vertrauten. Seinen Erzieher, den Historiker Paul Hachenberg, ernannte er zum leitenden Minister und Oberbefehlshaber, ohne dass dieser zum Staatsmann befähigt gewesen wäre. Andere sagten ihm nach, er sei gänzlich unfähig gewesen. Jedenfalls hat er sich in den 16 Jahren bei Hofe nicht gerade beliebt gemacht.
Karl ließ zudem die Günstlinge des Vaters in Ungnade fallen. Dazu trug auch Hachenberg bei. Er holte ehemalige Höflinge, die Karl Ludwig wegen Unfähigkeit entlassen hatte, die es aber verstanden, sich bei ihm einzuschmeicheln, wieder in gut...
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