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2. Kapitel
Alyss streckte sich genüsslich im Bett aus und blinzelte kurz zum Fensterladen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und Herold, der martialische Hahn, schien noch den Kopf in die Federn zu stecken. Sie knautschte die dicke Daunendecke und wollte noch einmal in tiefen Schlaf sinken. In diesem Moment erschütterte ein Beben das Bett, und mit einem Maunzen landete Malefiz, der Hofkater, auf ihrer Brust.
»Mhm?«
»Mirrrr!«
»Na gut.«
Sie umfasste sein rabenschwarzes Hinterteil. Malefiz schnurrte, laut und ausgiebig.
Alyss lachte leise und dämmerte über dem gemütlichen Geräusch aus seiner Katerkehle wieder ein.
Herolds Weckruf riss sie jedoch bald wieder aus den Träumen - was sie bedauerte, denn es waren angenehme Träume, in denen ein gewisser englischer Handelsherr eine Rolle gespielt hatte. Anders als früher schüttelte sie den Gedanken an John of Lynne nun nicht mehr ab. Es mochte nicht richtig sein, sich die Sehnsucht nach ihm einzugestehen, denn sie galt noch immer als ein verheiratetes Weib. Aber seit ihr Vater, Ivo vom Spiegel, ihren Gatten der Stadt verwiesen hatte und die Möglichkeit der Eheauflösung in eine denkbare Nähe gerückt war, hatte sie begonnen, ganz leise Hoffnungen zu hegen. Sicher war, dass John eine Neigung zu ihr gefasst hatte. Und vielleicht war er auch wirklich nicht der Windbeutel, den vorzugeben er sich vom ersten Tag ihrer Bekanntschaft an Mühe gegeben hatte.
Alyss reckte sich, Malefiz protestierte leise, drehte sich auf den Rücken und präsentierte ihr seinen Bauch. Gehorsam kraulte sie ihn. Der Kater war gewöhnlich ein unnahbarer Herr, der eher die Krallen einsetzte als die Samtpfoten. Aber in diesen stillen, traulichen Momenten ließ er es zu, dass Alyss ihn koste. Sacht nahm er ihre streichelnde Hand zwischen die Vorderpfoten und leckte ihr die Finger ab. Das Grummeln in seiner Kehle schwoll an.
Und brach ab, als ein weiterer Hausgenosse mit einem Satz und einem fordernden Winseln auf der Decke landete.
»Benefiz!«, sagte Alyss vorwurfsvoll, und Malefiz, sofort auf den Beinen, den Schwanz gesträubt, gab ein warnendes Fauchen von sich.
»Klöff«, meinte der schwanzlose Spitz und schaute beide mit treuherzigen Augen an.
Draußen im Hof führte Herold seinen krähenden Chor an, klapperte Hilda mit den Eimern am Brunnen, Mädchenstimmen giggelten über irgendetwas Spaßiges, und die schrille Stimme der Gänsehirtin Lore ergoss blumige Beschimpfungen über Gog und Magog, die heidnischen Gänsevölker, die sich um drei Gössel vermehrt hatten.
Es war höchste Zeit, aufzustehen und sich den Tagespflichten zu stellen.
In der Küche dampfte es aus dem großen Kessel, als sie eintrat, und Leocadie, Alyss' schöne junge Base, schnipselte mit verträumtem Gesicht Äpfel klein, die über den Morgenbrei gegeben werden sollten. Lauryn, die zweite der drei Jungfern, die Alyss in ihrem Hauswesen aufgenommen hatte, um sie zu guten Wirtschafterinnen auszubilden, brachte einen Korb Eier herein und setzte ihn vorsichtig auf dem Tisch ab.
»Ich hab den Falken gefüttert«, bemerkte Lauryn trocken.
Leocadie schreckte auf und errötete.
»Oh, danke.«
»Leocadie, es gehört zu deinen Pflichten, dich um den Vogel zu kümmern. Es ist ein kostbares Tier. Deine Träumereien von einem edlen Ritter dürfen nicht dazu führen, dass du den Falken vernachlässigst.«
Alyss sprach streng mit dem jungen Mädchen, wenngleich sie sogar ein wenig Verständnis für sie hatte. Auch sie war in der letzten Zeit hin und wieder von Tagträumen heimgesucht worden. Aber ein großes Haus und ein Geschäft zu führen, verlangte beständige Aufmerksamkeit, und wenn Leocadie erst mit Ritter Arbo von Bachem verheiratet war, würde sie einem weit größeren Anwesen vorstehen als dem Haus eines Weinhändlers.
»Verzeiht, Frau Alyss. Ich werde Jerkin nachher gleich aufsteigen lassen.«
»Nach unserem Besuch bei den Brouwers, Leocadie.«
Hedwigis, die Dritte im Bunde der Jungfern, betrat die Küche mit einer Kanne Milch und nahm die letzten Worte mit einem gierigen Funkeln in ihren Augen auf.
»Wir besuchen die Pelzhändler, Frau Alyss?«
»Ich habe mit ihnen verabredet, dass wir heute Vormittag die Pelze für Leocadies Brauttruhe aussuchen können. Sie haben eine neue Ladung aus dem Osten bekommen und mir versprochen, die schönsten Stücke für uns zur Seite zu legen.«
»Nur für Leocadie?«
»Leocadie ist diejenige, die heiraten wird, Hedwigis.«
»Man kann sich doch auch an dem Anblick erfreuen«, meinte Lauryn. Sie hatte eine vernünftige Art und war so uneitel, wie Hedwigis eitel war.
Tilo, der Sohn von Alyss' Tante Mechtild und ihrem Gatten, dem Tuchhändler Reinaldus Pauli, polterte die Treppen hinunter, begleitet von dem ihn fröhlich umtänzelnden Benefiz. Und durch die Tür zum Hof kam Lore gestürzt und landete schliddernd vor dem langen Küchentisch.
»Gibt's noch was zu essen?«, keuchte sie.
Hilda, die Haushälterin, musterte das spillerige Mädchen missmutig.
»Natürlich gibt es noch etwas zu essen. In diesem Haus gibt es immer etwas zu essen!«
Alyss unterdrückte ein Kichern, das in ihrer Kehle aufzusteigen drohte, und setzte ebenfalls eine gestrenge Miene auf.
»Ja, aber nur für Mädchen mit sauberer Schürze und gewaschenen Händen.«
»Dann kriegt der Tilo nix!«
»Und du Göre erst recht nicht«, gab der drauf und zupfte zwei Entenfedern von Lores schmuddeligem Kittel. »Wird mal wieder Zeit für ein Bad.«
»Wasser is unjesund fürn Leib!«
»Nur innerlich«, korrigierte Lauryn. »Frau Alyss, wir stecken diesen übelriechenden kleinen Schmutzlappen nachher in die Pferdetränke und schrubben ihn mit Bimssteinen ab.«
»Das macht ihr nicht, das ist gotteslästerlich. Das ist .«
»Wolltest du etwas zu essen haben, Lore?«
Das Gekeife verstummte. Unter ihren kurzen roten Locken schielte Lore zu Alyss auf. »Aber nich in der Pferdetränke, Frau Herrin. Da nich.«
»Im Zuber, mit heißem Wasser. Ich achte drauf, Herrin«, ließ sich Hilda vernehmen, füllte einen Napf reichlich mit Brei und gab ebenfalls reichlich Sahne und Honig darüber. Dann schob sie ihn der Gänsehirtin zu, und Leocadie krönte das Ganze noch mit einer Handvoll Apfelschnitze. Das stopfte das kleine Giftmäulchen, und einigermaßen manierlich faltete Lore die Hände und wartete, bis alle anderen auch ihre Schalen gefüllt hatten.
Die Beginen hatten einen guten Einfluss auf das Kind aus der Gasse, dachte Alyss und widmete sich ebenfalls ihrem Brei. Drei Tage in der Woche besuchte Lore inzwischen den Konvent am Eigelstein, lernte höchst unwillig das Alphabet und sehr willig, der dortigen Köchin zur Hand zu gehen. Es hatte einige Kämpfe gekostet, die Päckelchesträgerin dazu zu überreden, aber inzwischen hatte sie sich mit der Beschneidung ihrer Freiheit abgefunden. Catrin, Alyss' Ziehschwester, die als Begine lebte, hatte ihr berichtet, dass Lore sich in der Küche durchaus geschickt anstellte, und das Rechnen mit Schock und Mandel, Maß und Scheffel, Unze und Pfund lernte sie dabei geradezu spielerisch. Die Münzen kannte sie sowieso schon immer, und gieriges Feilschen lag ihr im Blut.
Sie hatten den Tisch eben abgeräumt, als Merten an der Vordertür klopfte. Hilda ließ den Stiefsohn des abwesenden Hausherrn mit der üblich mürrischen Miene ein, aber Alyss begrüßte ihn mit einem freundlichen Kopfnicken.
»Du hast Abrechnungen für mich dabei?«
»Ja, Frau Alyss. Und neue Aufträge.«
Seit einigen Monaten lieferte Merten ihren Wein an auswärtige Kunden, und bisher schien er recht erfolgreiche Geschäfte zu tätigen. Es überraschte Alyss noch immer, dass er mit einem solchen Ernst bei der Sache war, denn seit sie ihn kannte, hatte er ein Leben als Tagedieb geführt, der auf Kosten seines Stiefvaters lebte und sich meist mit den Gecken in der Stadt und vor den Toren herumtrieb. Immerhin hatten ihm diese Beziehungen gute Adressen beschert, an die er den süffigen Pfälzer Wein verkaufte, den Alyss von den Winzern am Rhein bezog.
»Tilo, begleite uns ins Kontor. Ihr Jungfern fegt die Kammern und macht die Betten. Lange werden wir nicht brauchen, dann brechen wir zu den Brouwers auf.«
»Ja, Frau Alyss«, ertönte es im Chor.
Sie ging voraus, und Tilo folgte mit Merten.
»Feines Wämschen, das«, hörte sie den Tuchhändlersohn sagen, und als sie sich umdrehte, sah sie, wie Tilo den Stoff der eng auf Mertens Figur geschneiderten Jacke zwischen den Fingern rieb. Merten legte schon immer Wert auf seine Kleidung und scheute auch nicht vor übertriebenem Zierrat zurück. Seine Schuhe hatten lange Schnäbel, seine Beinkleider prunkten in blauen und weißen Streifen, unter dem rotbraunen Wams quollen die Ärmel eines blütenweißen Hemdes hervor.
»Vom hart verdienten Lohn erworben«, antwortete Merten fröhlich und holte ein ledergebundenes Buch hervor.
Gemeinsam gingen sie die Posten durch, Alyss klapperte mit dem Abakus, Tilo machte säuberliche Eintragungen in dem Registerband, in dem die geschäftlichen Abwicklungen dokumentiert wurden, dann übergab Merten den Beutel mit den Münzen, und Alyss setzte ihr Siegel auf die Quittung für das erhaltene Geld.
»Geh mit Peer und Tilo die neuen Lieferungen durch, und lass die Fässer zur Seite stellen«, sagte sie...
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