Schweitzer Fachinformationen
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SARAH
Alles Gute zum Jahrestag, Sarah.«
Als ich die Augen öffne, steht Patrick neben dem Bett, eine in Geschenkpapier verpackte Schachtel in der Hand. Er ist vollständig angezogen, und ich werfe einen Blick auf die Uhr - es ist acht. Herrgott, die Kinder, Patricks Frühstück. Ich hätte vor einer Stunde aufstehen sollen.
»Keine Panik«, sagt er und setzt sich. Er schiebt mir das Haar aus den Augen, beugt sich vor, um mich auf die Stirn zu küssen, lächelt mir in die Augen dabei. »Mia und Joe sind schon auf dem Weg zur Schule. Du kannst im Bett bleiben.« Er reicht mir die Schachtel hin, und ich setze mich auf und ziehe die Bettdecke hoch, um mich zu bedecken.
Ich sehe mir das Geschenk an. Das Papier ist silbern und glänzend, die Knicke an den Kanten scharf und präzise, das gekräuselte silberne Band oben zu einer komplizierten Schleife gebunden. »Aber es ist doch gar nicht .«
»Kein echter Jahrestag, nein. Aber dieser hier ist wichtiger.« Er greift nach meiner Hand und küsst sie. Er dreht sie um, küsst die Handfläche, küsst sich weiter zu meinem Handgelenk.
Ich versuche mich hektisch an das Datum zu erinnern; dann fällt es mir ein, und ich werde ruhig. 21. Januar, der Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind.
»Mach's auf«, sagt er, während er mir die Schachtel in die Hand schiebt. Meine Finger hantieren ungeschickt mit den Bändern herum, und er lacht und kommt mir zu Hilfe, indem er das Papier herunterreißt und den Deckel von der Schachtel nimmt.
Es ist eine CD. Ich nehme sie stirnrunzelnd heraus; dann sehe ich den Titel, und das Stirnrunzeln verfliegt. Dieses alte Verve-Album, das ich so geliebt habe. In der Titelliste steht Bittersweet Symphony ganz oben.
»Weißt du noch?«
Natürlich weiß ich noch. Ich schließe die Augen und bin wieder auf dieser Studentenparty damals - ein rauchgeschwängerter dunkler Raum, der Teppich klebrig von billigem Alkohol, alle Welt betrunken, ein einziger Knäuel von Teenagern auf dem Fußboden, von Hand zu Hand gehende Flaschen. Dann setzt Bittersweet Symphony ein, und dieser Mann, dieser lächerlich deplatzierte Mann im Anzug kommt auf mich zu und will tanzen. Mitten im Lärm und bei all diesen Leuten; niemand außer uns tanzte, und er wirbelt mich herum, als befänden wir uns in einem Ballsaal.
»Ich habe gedacht, wir könnten heute Abend dazu tanzen«, sagt er jetzt. »Du kannst deine Doc-Martens-Treter rauskramen, und ich tränke den Teppich mit billigem Rum.«
Er küsst mich wieder, und dieses Mal hat er es nicht eilig. Ich rieche sein Rasierwasser, den würzigen, feurigen Duft, den er schon immer verwendet hat. Ich schmecke Kaffee auf seinen Lippen, spüre die raue Wange, die meine streift. Ich bin noch im Halbschlaf, etwas benommen, und ich kann mich nicht erinnern, wie lange es schon her ist - Wochen? Monate vielleicht sogar? Wie lange, seit wir schläfrigen morgendlichen Sex hatten, langsam und träge und leise außerdem, der Kinder wegen? Ich greife nach ihm, aber er zieht sich zurück und lässt kühle Luft zwischen uns ein.
»Bleib«, flüstere ich.
»Ich muss zur Arbeit. Aber heute Abend . wir gehen zum Essen aus - irgendwas Besonderes. Nur wir zwei«, sagt er, jetzt wieder ganz der erwachsene Patrick, zugeknöpft in seinem Anzug, nicht der Patrick, der auf dem alkoholgetränkten Teppich gelegen und gelacht hat, während ich um ihn herumtanzte. Aber . Es ist doch alles noch da, oder nicht? Dieser Patrick, diese Sarah? In der kleinen Krümmung seines Lächelns, seinem leisen Lachen, der Art, wie er mich ansieht, als die Decke nach unten rutscht. Alles noch da, nur etwas stumpf geworden vom Alltagsleben.
»Bleib«, sage ich wieder, ziehe ihn dichter an mich und schiebe ihm das Jackett von den Schultern.
Er lacht und beginnt an meinem Hals zu knabbern. »Sie sind wirklich furchtbar, Mrs. Walker .«
Ich lasse mich auf die Kissen zurückfallen, als er das Zimmer verlässt, und schließe die Augen, ein Lächeln im Gesicht. Ich könnte schlafen, mir noch eine Stunde gönnen, bevor ich mich dem Tag stelle. Aber Patrick ruft aus dem Erdgeschoss zu mir herauf. Ich stehe auf und greife nach dem zerschlissenen Morgenmantel, der an der Tür hängt. Patrick zieht mich ständig auf wegen des schäbigen alten Fetzens. Er hat mir einen neuen gekauft, dick und luxuriös, den ich niemals trage, weil meine Mutter mir diesen hier geschenkt hat - vor einer Million Jahren, als ich von zu Hause ausgezogen bin. Seither habe ich ihn getragen, und ich werde ihn tragen, bis er auseinanderfällt, weil ich sonst so wenig habe, das mich an sie erinnert.
Patrick steht unten im Flur, einen Umschlag in der Hand. »Wann ist denn das gekommen?«
Das schlechte Gewissen zuckt durch mich hindurch. Ich erinnere mich an diesen Brief. Er war ein, zwei Tage zuvor gekommen, handschriftlich an Patrick adressiert. Ich hatte ihn von der Fußmatte aufgehoben, und statt ihn Patrick zu geben, hatte ich ihn in die Schublade gestopft . weil er handschriftlich adressiert war, weil die Handschrift nach einer Frau aussah.
»Es tut mir leid«, sage ich, »den muss ich in die Schublade gelegt haben statt obendrauf.«
Ich beobachte, wie er den Brief anstarrt. Als ich die Treppe hinuntersteige, bin ich darauf vorbereitet, mich ein zweites Mal zu entschuldigen, aber als ich Patricks Gesicht sehe, halte ich inne. Ärger erkenne ich, und er ist nicht ärgerlich. Ich weiß nicht, was das ist.
»Was ist los?«, frage ich, und als er mich ansieht, sind seine Augen heiß und voller Tränen, als werde er weinen, und rote Flecken sind auf seinen Wangen erschienen. Er wirft einen weiteren Blick auf den Brief und schiebt ihn sich dann in die Jackentasche.
»Gar nichts. Nichts Wichtiges.«
Aber doch, das ist es. Ich habe noch nie gesehen, dass Patrick so ausgesehen hätte. Furcht, die Euphorie ablöst, die . etwas anderes ablöst. Oder irre ich mich? Doch, ich glaube, ich habe es doch schon gesehen. Ein Mal.
Carolines SMS kommt eine halbe Stunde nachdem Patrick gegangen ist, und Caroline selbst klopft zehn Minuten später an die Haustür, zwei dampfende Pappbecher in den Händen und einen Stoß Reisebroschüren unter dem Arm. »Cappuccinobringdienst«, sagt sie.
»Du siehst widerwärtig wach aus«, antworte ich, während ich die Haustür weiter öffne und mir mit der Hand durchs wirre Haar fahre. Es ist erst halb zehn, aber Caroline sieht aus, als wäre sie schon seit Stunden auf den Beinen - Make-up komplett, Haar glänzend und makellos frisiert.
»Es ist ein fabelhafter Tag da draußen. Kalt, aber fabelhaft«, sagt sie, während sie mir in die Küche folgt. »Wenn ich mich mit meiner Dosis Zucker und Koffein gestärkt habe, gehen wir spazieren.«
Ich stelle meinen Becher ab und beginne in den Prospekten zu blättern. »Danke für das hier - an die Kaimaninseln hatte ich noch gar nicht gedacht«, sage ich, während ich über einem seitengroßen Foto von türkisblauem Meer und weißem Sand innehalte.
»Hast du denn schon entschieden, wohin ihr fahrt?«, fragt Caroline, und ich seufze.
»Du musst das nicht die ganze Zeit machen, weißt du.«
»Was machen? Dir Kaffee bringen?«
»Das ganze Programm. Jeden Morgen hier auftauchen, diese künstlich fröhliche Caroline. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du bis vor ein paar Monaten vor dem Mittag auch nur die Augen aufgemacht hast. Aber jetzt . Du und Patrick, das ist ja fast ein Staffellauf. Er geht, du kommst.«
Ihr Lächeln verblasst. »Na ja, okay, aber bis vor ein paar Monaten hab ich mir ja auch keine Gedanken drüber machen müssen, dass du allein zu Hause bist, oder?«
»Deswegen brauchst du dir auch jetzt keine zu machen.«
»Nein, brauche ich nicht?«, sagt sie, geht zum Schrank und nimmt sich ein paar Kekse. Ich schüttele den Kopf, als sie mir einen davon anbietet, und setze mich mit meinem Kaffee an den Tisch.
In Gedanken mache ich mir eine Notiz, die Kaffeebecher verschwinden zu lassen, bevor Patrick nach Hause kommt. Von Carolines Beteiligung an diesem Staffellauf weiß er nichts. Kann er nichts wissen.
Als meine beste Freundin umzog, in ein größeres und besseres Haus nur eine Ecke von uns entfernt, hat sie es uns wissen lassen, indem sie mit einer Flasche Prosecco auf der Türschwelle auftauchte und »Überraschung!« rief. Patrick glaubt, sie hätte es ganz gezielt getan, um ihn zu ärgern; ich habe widersprochen, aber ich bin mir sicher, dass Carolines Freude über den Umzug noch etwas gesteigert wurde durch das Wissen darum, wie sehr er ihn reizen würde. Sie kennt Patrick schon fast so lange wie ich selbst, und angesichts der Energie, die sie beide darauf verwenden, mich vor dem nächsten Zusammenbruch zu bewahren, mich hoffnungsvoll und optimistisch zu stimmen, müssten sie eigentlich die besten Freunde sein. Stattdessen sind sie immerfort kurz davor, einander an die Kehle zu gehen. Aber ich weiß, dass ihre Besorgnis auf nichts als Liebe beruht, dass sogar ihr kleinliches Gezänk darauf beruht, und selbst wenn ich mich eine Spur klaustrophobisch fühle bei all den Versuchen, mich in Watte zu packen - ich werde ihnen nicht vergessen, dass sie mir damit über eine üble Zeit hinweggeholfen haben.
»Gehst du heute Abend zu Helens Lesezirkel?«
»Kann ich nicht - Patrick und ich gehen aus.«
Sie zieht die Brauen hoch und nimmt sich noch einen Keks aus der Dose. »Welcher Anlass?«
Ich lächele. »Es ist albern - der Jahrestag unsres...
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