Schweitzer Fachinformationen
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Ich hatte unseren jüngsten Sohn mehrere Monate nicht gesehen. Es war sein erstes Jahr am College und ich musste mich immer noch daran gewöhnen, dass ich nicht mehr Teil seines täglichen Lebens war. Als er nach Hause kam und seine Haare so lang waren, dass er sie zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden konnte, war ich darauf absolut nicht vorbereitet. Ich war nicht mehr an den Entscheidungen beteiligt, die er in Bezug auf sein Äußeres traf. Es mag albern klingen, aber ich fühlte mich ausgeschlossen.
Erwartungen bringen uns immer wieder in Schwierigkeiten. Durch Erwartungen sind Enttäuschungen und das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, vorprogrammiert. Wir waren ungefähr 20 Jahre lang Teil des Lebens unserer Kinder. Dadurch sind wir es gewohnt, über ihr Leben Bescheid zu wissen und uns in manchen Bereichen auch einzumischen. Aber wenn unsere Kinder von zu Hause ausziehen, müssen sich diese Erwartungen ändern. Mit dem Rat des Predigers im Hinterkopf, dass Festhalten wie auch Loslassen seine Zeit hat (Prediger 3,6), wollen wir vier Erwartungen betrachten, die Eltern loslassen müssen, wenn sie diese neue Lebensphase antreten.
Es war Thomas' erstes Jahr am College. Da er zwei Stunden von seinen Eltern entfernt studierte, mussten er und sie sich mit einer neuen Lebensphase anfreunden. Thomas hatte an der Highschool Football gespielt; deshalb waren seine Eltern gewohnt, im Herbst jeden Freitagabend ins Footballstadion zu gehen. Obwohl Thomas nicht mehr da war und seine Eltern niemanden kannten, der in der Mannschaft spielte, beschlossen sie, zum ersten Heimspiel zu gehen, um diese Tradition fortzusetzen. Als sie auf der Tribüne saßen, machte sein Vater ein Foto von der Mannschaft auf dem Spielfeld und schickte es Thomas. »Wir denken heute Abend an dich. Wir vermissen dich«, lautete die Nachricht, die er mit dem Bild schickte. Ungefähr 20 Minuten später kam Thomas' Antwort. Es war ein Foto vom selben Spielfeld mit der Nachricht: »LOL . Ich bin auch hier!«
Mutter und Vater waren nicht sicher, was sie davon halten sollten. Einerseits waren sie enttäuscht, dass ihr Sohn nach Hause gekommen war, ohne ihnen Bescheid zu geben. Andererseits waren sie erleichtert, dass sie wenigstens wussten, wo er war. Wenn sie ganz ehrlich waren, fühlten sie sich ein wenig ausgeschlossen. Willkommen im Grundkurs für Eltern, deren Kinder ausgezogen sind! Sie müssen die Erwartung loslassen, dass Sie über Dinge Bescheid wissen, die Sie in der Vergangenheit gewusst haben.
Ihr Sohn oder Ihre Tochter treffen ihre Entscheidungen jetzt unabhängig von Ihnen. Sie entscheiden selbst, womit sie ihre Zeit verbringen. Sie entscheiden selbst, wie sie ihr Geld ausgeben. Sie treffen Entscheidungen, bei denen Sie in der Vergangenheit mitgeredet hätten. Thomas' Eltern mussten sich erst noch an diese neue Lebensphase gewöhnen. Sie beschlossen, aus dieser Mücke keinen Elefanten zu machen, aber sie baten Thomas trotzdem, ihnen Bescheid zu geben, wenn er weitere Fahrten unternahm, da das Auto, mit dem er fuhr, ihnen gehörte.
Manchmal sind es keine weiten Autofahrten, sondern alberne Dinge wie das äußere Erscheinungsbild, das uns beunruhigt. Als der Sohn meiner Freundin Marci ihr ein Foto von sich und seiner Freundin schickte, war Marci sehr überrascht, dass ihr Sohn plötzlich einen Bart trug. Früher hatte er nie einen Bart getragen. Das war neu. Dieses Bild gab ihr ein wenig das Gefühl, ihn nicht zu kennen. Sie gab zu, dass sie sich ein bisschen aus seinem Leben ausgeschlossen fühlte.
Wir müssen die Erwartung loslassen, Dinge zu wissen, die wir früher wussten. Wir müssen die Erwartung loslassen, bei den Entscheidungen unserer erwachsenen Kinder mitzureden. Wenn Sie das Studium Ihrer Kinder finanzieren, können Sie sich in einigen Bereichen natürlich noch ein Mitspracherecht vorbehalten, aber spätestens wenn die Kinder auf eigenen Füßen stehen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, haben Sie kein Mitspracherecht mehr. Selbst wenn Sie Ihre Kinder immer noch unterstützen, müssen Sie Ihre Erwartungen anpassen und ihnen die dringend benötigte Unabhängigkeit gewähren. Erlauben Sie ihnen, ihre Flügel auszubreiten und zu fliegen.
Wenn sich unsere Kinder ein eigenes Leben aufbauen, haben sie die Freiheit, auch ihre Prioritäten selbst festzulegen. Sie haben das Fundament gelegt, aber welches Haus die Kinder darauf bauen wollen, entscheiden sie selbst. Mir gefällt das Bild, das Sara, die Frau unseres Pastors, gebraucht: »Wenn die Kinder beschließen, auf das Fundament, das du gelegt hast, eine schäbige Hütte zu bauen, ist es deine Aufgabe zu beten, dass sie irgendwann die Hütte einreißen und das schöne Schloss bauen, für das du das Fundament vorbereitet hast.«
Wir müssen lernen, dass nicht mehr wir die Prioritäten unserer Kinder festlegen. Fast 20 Jahre lang haben Sie ihnen geholfen, gute Entscheidungen zu treffen und vernünftige Prioritäten zu setzen. Jetzt müssen die Kinder das selbst machen. Es ist gut möglich, dass Sie mit ihren Prioritäten nicht einverstanden sind. Dieser Abnabelungsprozess kann schrittweise geschehen, solange die Kinder noch unter Ihrem Dach wohnen und erwachsen werden. Er sollte aber spätestens dann abgeschlossen sein, wenn die Kinder ihre eigene Wohnung haben und ihre eigene Familie gründen.
Vor mehreren Jahren schrieb ich zusammen mit Pam Farrel das Buch Got Teens?. Bei unseren Recherchen stießen wir auf eine interessante Studie zur Hirnentwicklung. Dr. Jay Giedd vom amerikanischen National Institute of Mental Health schreibt: »Der letzte Teil des Gehirns, der seine endgültige Form und Dimension annimmt, ist der präfrontale Cortex, in dem die sogenannten ausführenden Funktionen sitzen - planen, Prioritäten setzen, Gedanken ordnen, Impulse unterdrücken, die Konsequenzen des eigenen Handelns abwägen. Mit anderen Worten, der Teil des Gehirns, der als Letztes erwachsen wird, ist der Teil, der für Entscheidungen zuständig ist. Entscheidungen wie zum Beispiel: Ich mache zuerst meine Hausaufgaben, dann bringe ich den Müll hinaus und erst dann schreibe ich meinen Freunden, ob wir ins Kino gehen wollen.«1 Studien legen nahe, dass das Gehirn erst im Alter von 25 Jahren voll entwickelt ist. Ja, das heißt, dass unsere Kinder jetzt ihre Prioritäten selbst festlegen, obwohl sie dafür noch gar nicht vollständig ausgerüstet sind.
Doch auch ohne Berücksichtigung der Hirnforschung sind unsere jungen Erwachsenen einfach andere Menschen als wir. Was uns wichtig ist, ist ihnen vielleicht nicht wichtig. Oder es dauert seine Zeit, bis ihnen diese Dinge wichtig werden. Zum Beispiel kann es sein, dass ihnen Familie erst wieder wichtig ist, wenn sie selbst Eltern werden.
Es ist unsere Aufgabe, ihnen die Freiheit zu geben, andere Prioritäten zu haben als wir. Wir müssen dem Drang widerstehen, ihnen ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie anders sind als wir. Wir dürfen kommunizieren, was uns wichtig ist, aber es nicht persönlich nehmen, wenn unsere Kinder andere Prioritäten haben als wir. Hier geht es nicht darum zu jammern: »Was haben wir bei der Erziehung dieses Kindes falsch gemacht?«, sondern ruhig zu bleiben und zu sagen: »Ich weiß, dass er versucht, sich im Leben zurechtzufinden, und ich werde ihm dafür den nötigen Raum geben.«
Ich habe fünf erwachsene Kinder und jedes von ihnen kommuniziert auf andere Weise mit mir. Mit zwei von ihnen spreche ich fast täglich. Entweder ich rufe sie an oder schreibe ihnen oder sie melden sich. Ich weiß meistens, was in ihrem Leben los ist. Von Kind Nummer drei höre ich ungefähr einmal in der Woche und von Nummer vier und fünf höre ich ungefähr einmal im Monat. Jeder dieser Gesprächsabstände ist völlig normal.
Das gilt auch für den Kontakt unserer Kinder zu ihren Geschwistern. Sie wünschen sich vielleicht, dass Ihr Kind eine enge Beziehung zu seinen Geschwistern hat. Aber Ihre Kinder müssen selbst entscheiden, wie intensiv sie ihre Beziehungen pflegen. Sie haben das Fundament gelegt, aber die Kinder entscheiden selbst, wie viel sie als Erwachsene in ihre Beziehungen investieren.
Übrigens leert sich bei den meisten Eltern, die mehr als nur ein Kind haben, das Nest schrittweise. Wenn das erste Kind auszieht, ist plötzlich ein Stuhl am Esstisch leer. Vielleicht sind Sie versucht, oft darüber zu sprechen, wie sehr dieser leere Stuhl Sie schmerzt. Dabei vergessen Sie, dass die Kinder, die noch zu Hause wohnen, Sie auch brauchen. Achten Sie darauf, dass Sie Ihren Kindern, die noch zu Hause wohnen, nicht unabsichtlich vermitteln, sie wären Ihnen weniger wichtig. Unterlassen Sie deshalb Bemerkungen wie: »Ich vermisse Sophie so sehr; ohne sie ist es hier nicht mehr so wie früher.«
Jedes Kind ist anders. Auch das Bedürfnis der Kinder, mit Ihnen und anderen Familienmitgliedern Kontakt zu haben, ist verschieden. Von einigen hören Sie nur, wenn sie etwas brauchen. Andere beziehen Sie in fast jeden Bereich ihres Lebens ein. Es ist Ihre Aufgabe, sich an den Takt anzupassen, den die Kinder vorgeben.
Sie denken jetzt vielleicht: »Und was ist mit meinen Wünschen? Was ist mit meinem Bedürfnis, Kontakt zu meinem Kind zu haben?« Natürlich können Sie Ihren Kindern sagen, dass Sie gern jede Woche mit ihnen sprechen würden, aber wenn die Kinder den Wunsch haben, sich nur einmal im Monat zu melden, müssen Sie einen Kompromiss finden, mit dem Sie...
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