Schweitzer Fachinformationen
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Tag 1, nachts PP Uplengen-Nord, Rtg. Mep.1
Er saß auf dem Fahrersitz des Transporters und sah nach draußen auf den einsamen Autobahnrastplatz. Wie verabredet hatte sie das alte Wohnmobil etwa 200 Meter vor seinem Fahrzeug am Rand des Parkplatzes abgestellt und die rote Beleuchtung eingeschaltet.
»Kannst du mich hören?« Ihre Stimme klang nervös und aufgeregt.
Er nahm das kleine Funkgerät aus der Ablage des Armaturenbretts und drückte die Sprechtaste. »Beruhige dich, ich kann dich gut sehen und pass auf dich auf. Schalte noch das rote Herz an.«
Kurz darauf leuchtete das Herz in knallig roter Farbe im hinteren Fenster des Wohnmobils.
Er legte das Funkgerät zu seiner restlichen Ausrüstung. Seine Hand fühlte die Handschellen, den Elektroschocker, das kleine Säckchen mit dem Autobahngold und das kalte Metall der Schere.
Noch war kein Kunde in Sicht. Er griff nach der Schere und wog sie in seiner Hand.
Er hatte sich sehr verändert. Zusammen mit seiner Naivität hatte er auch seinen Namen abgelegt.
1989 (Zeit der Wende) Brandenburg
Er stand vor der Wohnung seines Anlageberaters. In der Hand hielt er den aktuellen Kontoauszug seiner Bank. Die Tür ging auf und vor ihm stand Max van der Wierde. Dessen Lächeln wirkte aufgesetzt und angestrengt. Der Anlageberater war offensichtlich überrascht, ihn zu sehen.
»Guten Tag, Herr Bach, was kann ich für Sie tun?« Nach einer kurzen Pause fügte van der Wierde hinzu: »Kommen Sie doch rein!«
Er zwang sich zur Ruhe und betrat die Wohnung.
»Am besten, wir setzen uns in mein Büro, ich muss nur schnell in die Küche, den Herd ausschalten. Heute gibt es Hühnchen in Wein.«
Nun saß er auf demselben Stuhl wie vor vier Wochen, als er den Vertrag zu den Schiffsbeteiligungen unterschrieben hatte. Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Später konnte er sich nicht erinnern, wieso er aufgestanden und in den Flur gegangen war. Die Telefonklingel verstummte und er hörte van der Wierdes leise Stimme aus der Küche.
Vorsichtig sah er in den Raum. Der Mann stand mit dem Rücken zu ihm, rührte mit einem Kochlöffel in einem Topf und hielt einen Telefonhörer mit der anderen Hand.
Sein Anlageberater lachte. »Stell dir vor, jetzt sitzt dieser Trottel in meinem Büro und wartet darauf, dass ich ihm den Rest von seinem Geld abknöpfe«, flüsterte er.
Ihm war sofort klar, wer der Trottel war. Er ging in die Küche, riss van der Wierde das Telefon aus der Hand und warf es in den Kochtopf.
»Was fällt Ihnen ein, sind Sie verrückt?«
»Wo ist mein Geld? Der Trottel will wissen, wo sein Geld ist!«
Van der Wierde dachte wohl, Angriff sei die beste Verteidigung. »Verschwinden Sie aus meiner Wohnung!«, schrie er und zeigte zur Eingangstür.
»Nicht ohne mein Geld!«
Nun fing van der Wierde an, hysterisch zu lachen. »Dein Geld ist weg, Ronny. Futsch. Kapiert? Wir sind pleite! Wir haben keine Ladung für die Schiffe!«
Ronny war sprachlos. Seine gesamten Ersparnisse hatte er diesem Mann anvertraut und nun stand er vor dem Nichts.
Van der Wierde sah, wie die Wut der Verzweiflung wich und sein Gegenüber in sich zusammenbrach, und beging einen verhängnisvollen Fehler. »Du bist schuld, du hast mir ja dein Geld aufgedrängt. Hast mich in Versuchung geführt.« Er stieß Ronny den Zeigefinger gegen die Brust. Dann tippte sein Finger immer abwechselnd an Ronnys Schulter und Bauch. »Du hast mich doch zum Zocken verführt!«
Ronny sah nicht mehr van der Wierde vor sich stehen, sondern seinen Vater, der ihn beschimpfte und ihm den Finger in den Bauch bohrte. »Du - mein Sohn? Dass ich nicht lache, du Taugenichts!« Sein Vater hatte es nötig .! Hatte sich den ganzen Tag mit Nutten rumgetrieben.
Dann war es der Zeigefinger seines Klassenlehrers, dessen beliebtestes Opfer er gewesen war. »Ronny, aus dir wird nie was.« Die anderen Kinder in der Klasse hatten gelacht und ihn angestarrt. Er konnte ihre Blicke immer noch auf seinem Körper spüren, als er jetzt wieder den Mann vor sich wahrnahm, der ihn um sein ganzes Erspartes betrogen hatte.
Ronny ballte eine Faust und seine ganze Frustration entlud sich in diesen Schlag.
Der Faustschlag traf van der Wierde am Jochbein und er fiel nach hinten. Der Kopf knallte auf den Fliesenboden der Küche.
Auf der schwarzen Granitarbeitsplatte lag noch die Geflügelschere, mit der van der Wierde offenbar kurz zuvor das Hühnchen zerteilt hatte. Blut und Fettreste schimmerten im Schein der Beleuchtung.
Der Anlageberater war noch benommen. Er lag mit dem Rücken auf dem Küchenfußboden und versuchte, sich zu orientieren.
»Du nennst mich einen Trottel?«, schrie Ronny Bach und kniete sich neben van der Wierdes rechtem Arm nieder. Seine linke Hand umschloss wie ein Schraubstock den Zeigefinger des Mannes, der ihn ausgelacht hatte. In der Rechten hielt er die Geflügelschere. Dieses Schwein würde nie wieder mit dem Finger auf andere Leute zeigen. Ronny würde sich nicht noch einmal demütigen lassen. Entschlossen drückte er die Griffe der Schere mit aller Kraft zusammen.
Das knirschende, knackende Geräusch ging im Schrei seines Opfers unter. Ronny Bach steckte den abgetrennten Finger zusammen mit der Geflügelschere in seine Jackentasche. Er verließ die Wohnung und lief nach Hause. Dort wartete er auf die Polizei.
Tag 1, nachts Rastplatz Uplengen-Nord, Rtg. Leer/Mep2.
Seine Hände umschlossen noch immer verkrampft die Schere. Er sah zum Wohnmobil hinüber und hörte das Geräusch eines herannahenden Autos. Er legte die Schere unter den Sitz und griff nach dem Funkgerät.
Ein schwarzer Mercedes SLK hatte zwischen dem Transporter und dem Reisemobil geparkt.
*
Der Mann im Mercedes war auf der Autobahn fast eingeschlafen. Das Hinweisschild auf einen Parkplatz war ihm gerade recht gekommen.
Er saß allein im Auto. Seine Beine fühlten sich schwer und müde an. Das lange Stehen auf dem Messestand hatte ihn angestrengt. Die schlechte Luft und der ständig hohe Geräuschpegel dort machten es auch nicht besser. Immer dieselben Verkaufsgespräche über die Vorteile der angepriesenen Fassadenverkleidung . Die Kunden waren vorsichtiger geworden. Er musste seine ganze Überredungskunst aufbieten, damit es zu Vertragsabschlüssen kam.
Einen Vorteil hatte die Arbeit an dem Stand: Der Dienstwagen, ein nagelneuer Mercedes, war einsame Spitze.
Natürlich bekam man den vom Chef nur, wenn die Anzahl der Abschlüsse den Erwartungen entsprach. Er seufzte. Nächstes Mal bekam er sicher die ausgelutschte alte Karre mit. Sein neuer, junger, dynamischer Kollege hatte ihn bei den Abschlüssen weit abgehängt.
»Diese verdammte Freisprecheinrichtung«, fluchte er, »wie funktionierte das auch noch?« Er schaltete die Innenbeleuchtung an. Endlich gelang es ihm, seine Festnetznummer einzugeben. Die Verbindung baute sich auf und sein Blick richtete sich nach draußen und fiel auf ein rot beleuchtetes Wohnmobil.
Zum Glück hatte der Mercedes-Fahrer die Innenbeleuchtung angeschaltet. Beim nächsten Mal brauche ich unbedingt ein Nachtsichtgerät, stellte der Fahrer des Transporters fest.
Die Situation war optimal. Keine anderen Fahrzeuge auf dem Parkplatz. Ihr Opfer war allein im Auto.
Er griff zum Funkgerät, atmete tief durch und drückte die Sprechtaste: »Dies ist unser Mann, alles wie geplant!«
Die Tür des Wohnmobils öffnete sich und sie stieg aus.
Mein Gott, der Mercedesfahrer hatte keine Chance. Sicher, sie war eine schöne Frau, aber diese Aufmachung mit Schminke und Reizwäsche . >Unwiderstehlich< trifft es wohl am besten, dachte er.
Der Lautsprecher im Mercedes knackte. »Schulte!«, meldete sich seine Frau am anderen Ende der Leitung.
»Ich bin es, Erich, wollte mich nur mal kurz melden.«
»Das wird auch Zeit. Hast ja lange nichts von dir hören lassen.«
»Ist ja gut, Linde, ich bin circa in einer Stunde zu Hause und habe ganz schön Kohldampf.«
»Aha, daher weht also der Wind! Nur weil der feine Herr Hunger hat, ruft er an.«
Während ihn seine Frau beschimpfte, sah Erich Schulte eine Frau aus dem Wohnmobil steigen. Die dunkle Schönheit schaute in seine Richtung. Sie trug nur dunkelrote Reizwäsche und alles, aber auch alles, was er sah, gefiel ihm. Besonders die schwarzen Lackstiefel.
»Erich, hörst du überhaupt zu? Ich rede mit dir.«
»Linde, ich muss auflegen. Der Chef reißt mir den Kopf ab, wenn wir zu lange telefonieren.« Er drückte den roten Knopf an seinem Handy und beendete so das Gespräch. Mit Wehmut dachte er an längst vergangene Zeiten. Linde, seine große Liebe . Und jetzt tote Hose im wahrsten Sinne des Wortes. Wie lange war es eigentlich her, dass Linde und er .? Keine Ahnung. Sicher schon viel zu lange.
Die dunkle Schönheit begann mit einem Lappen in der Hand, die Fensterscheiben ihres Mobils zu bearbeiteten. Dazu bückte sie sich wie zufällig ständig nach dem Wassereimer neben ihr. Natürlich genau in seine Richtung! Erich konnte seinen Blick nicht von ihr lösen und bekam einen trockenen Mund. Sein Freund in der Hose erwachte aus dem Tiefschlaf.
Er überlegte nur kurz. Sein Schwarzgeld wäre hier gut angelegt.
So konnte er aber nicht aussteigen. Trotz der Dunkelheit war seine Erregung nicht zu...
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