Schweitzer Fachinformationen
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Hilko Swart stand hinter dem Ruder seines neuen Bootes mit dem Namen »Burkana«. Neues Boot . na ja, tatsächlich handelte es sich um ein ehemaliges Behördenfahrzeug mit etlichen Dienstjahren. Ein ausrangiertes Zollboot, welches er ersteigert hatte. Es war zirka 15 Meter lang, hatte zwei Antriebsmotoren und war deshalb gut geeignet, um es zu einem Tauchbasisboot umzubauen.
Hilko presste die Lippen fest zusammen. Mit diesem Boot hatten seine finanziellen Probleme begonnen. Er schüttelte beim Gedanken an die Versteigerung unwillkürlich den Kopf und atmete tief durch. Er hatte sich mitreißen lassen und zu viel gezahlt. Dann waren noch die teuren Umbauten zum Tauchbasisboot dazugekommen.
Hilko Swart hatte sein Hobby zum Beruf gemacht und betrieb seit einem Jahr eine Tauchfirma. »Firma« war vielleicht etwas übertrieben, denn es handelte sich um einen Einmannbetrieb. Hilko übernahm als Berufstaucher Aufträge in ganz Ostfriesland, angefangen vom Entfernen von Tauen und Netzen, die sich um die Schrauben der Kutter gewickelt hatten, bis zur Suche nach Smartphones, die unvorsichtigen Touristen ins Hafenwasser gefallen waren. Hilko erinnerte sich an eine hysterische Frau im Hafen von Greetsiel, die ihm, bevor er abtauchte, zugerufen hatte: »Herr Swart, auf dem Handy ist mein ganzes Leben. Bitte, ich muss es wiederhaben, zumindest die Simkarte!«
Tauchaufträge gab es ausreichend, bis jetzt jedoch unregelmäßig. Deshalb wollte Hilko zunächst keine zusätzlichen Taucher einstellen. Seine Freunde Jonas Mentjes und Tjade Akkermann halfen ihm hin und wieder aus, wenn er einen Auftrag nicht alleine durchführen konnte.
Für die lukrativen Tauchaufträge, zum Beispiel draußen auf See bei den Windanlagen, hatte ihm bis jetzt ein Tauchbasisboot gefehlt. Mit der Anschaffung dieses Bootes hoffte er, in Zukunft auch solche Arbeiten annehmen zu können.
Für seine neue Firma sah es durch die Investition finanziell düster aus, das Wasser stand ihm bis zum Hals. Irgendwie musste er die Zeit bis zu den erwarteten lohnenden Aufträgen überbrücken.
Die laute Stimme seines Kameraden Tjade riss ihn aus seinen trüben Gedanken. »Hilko, du fährst noch an der Fischerbalje vorbei, wenn du so weiterträumst.«
Hilko überhörte den Vorwurf und fragte stattdessen: »Was machen unsere Motoren?«
Tjade war der Schrauber an Bord und konnte einfach alles reparieren. »Sie laufen wie geschmiert, obwohl sie schon so alt sind. Die Zöllner haben damals gut für die Motoren gesorgt, und das zahlt sich jetzt aus. Allerdings .«
»Allerdings?« Hilko sah seinen Kumpel an. Diesen besorgten Gesichtsausdruck seines Freundes kannte er sehr gut.
»In der Bilge hat sich wieder Wasser gesammelt, vermutlich die Wellenabdichtung.«
Hilko schüttelte verzweifelt den Kopf, weil er genau wusste, was das bedeutete. Das Boot musste aus dem Wasser, die Schrauben mussten runter, um die Wellen neu abzudichten. Ein teurer Werftaufenthalt, der seine letzten Reserven verschlingen würde.
Hilko verdrängte seine Sorgen, weil er sich auf seinen Kurs konzentrieren musste. Sie waren vor Stunden aus dem Außenhafen Emden mit Kurs Borkum ausgelaufen. Hilko hatte den einsetzenden Ebbstrom abgewartet, um während der rund dreistündigen Fahrt nach Borkum Sprit zu sparen. Inzwischen manövrierte er sein Boot entlang der roten Tonnen des Fahrwassers der Westerems. Das Manövrieren hier in der Emsmündung war schwierig und verlangte seine volle Aufmerksamkeit. Zum Glück war die Sicht ausreichend und er konnte die Fahrwassertonnen gut sehen. Voraus zweigte ein Arm der Ems in westliche Richtung ab. Zwischen dem Hauptfahrwasser, in dem sie sich befanden, und der Alten Ems lag eine Sandbank, der Möwensteert.
Betrachtete man die Insel aus der Möwenperspektive, so gab es mehrere Fahrwasser um Ostfrieslands größte Insel herum: den Hauptschifffahrtsweg Westerems und die weniger befahrene Osterems. Die Westerems wurde ständig ausgebaggert und konnte ohne Probleme auch bei Niedrigwasser befahren werden. Beim Manövrieren im Wattfahrwasser der Osterems und der Alten Ems war allerdings Vorsicht geboten. Hilko befuhr diese schwierigen Gebiete nur bei auflaufendem Wasser, damit er, sollte er auf den Sandbänken auflaufen, mit dem steigenden Wasser wieder freikam.
»Oh, wir sind ja gleich da!«, sagte Jonas, der gerade aus der Kombüse kam. »Dann hört endlich die Schaukelei auf.«
»Ja, Jonas, wir müssen nur noch in die Fischerbalje einlaufen, dann kannst du dich entspannen«, entgegnete Hilko mit einem Grinsen im Gesicht. Es war kein Geheimnis, dass Jonas kein Freund von stürmischer See war. »Aber wenn ich meinen Kurs gleich nach Steuerbord ändere, liegt unser Dampfer quer zu den Wellen und wird kräftig rollen«, erinnerte er Jonas.
»Bind deinen Suppentopf fest«, fügte Tjade hinzu.
»Ach du Scheiße!«, rief Jonas, als das Boot sich stark zur Seite neigte. Mit blassem Gesicht ging er den Niedergang in die Kombüse runter, und die beiden Freunde auf der Brücke hörten ihn laut fluchen.
Hilko manövrierte das schaukelnde Boot nun in die Fischerbalje hinein. Dabei handelte es sich um das Ansteuerungsfahrwasser zur Insel Borkum. Es verlief zwischen der Insel und einem etwa zwei Kilometer langen Leitdamm aus Steinen. Deshalb beruhigte sich der Wellengang sofort, und bis zum Fährhafen Borkum war es nicht mehr weit.
Kurz darauf meldete sich Hilko über die Schiffsfunkanlage bei Borkum-Radar an und gab das Einlaufsignal. Er fragte, ob sie im Schutzhafen liegen durften. Als Liegeplatz wurde ihnen daraufhin der Schwimmanleger II im Schutzhafen zugewiesen.
Tjade und Jonas gingen an Deck und machten die Leinen und Fender an der Steuerbordseite klar. Hilko manövrierte das Boot in einem perfekten Winkel Richtung Anleger, und kurz bevor es den Anleger berührte, zog er den Maschinenhebel der Backbordmaschine zurück. Sanft stoppte die Fahrt, und seine Freunde brauchten nur noch die Festmacher über die Poller des Anlegers zu werfen.
Hilko stellte beide Maschinen aus und öffnete die zwei Seitentüren des Ruderhauses. Für einen Moment schloss er die Augen, freute sich über die Stille und die salzige Seeluft. Er atmete tief ein und dachte: Ich werde meine Sorgen zumindest für dieses Wochenende vergessen und mit meinen Freunden ein paar schöne Tage auf der Insel verbringen.
Dieses Wochenende sollte eine Art Belohnung für seine beiden Freunde Tjade und Jonas werden. Alle drei waren im gleichen Alter und teilten die Leidenschaft fürs Tauchen. Sie liebten die Einsamkeit und Ruhe unter Wasser. Die Idee mit dem Windsurfen auf Borkum war in einer typischen Schnapslaune entstanden. Die Aufgaben waren schnell verteilt gewesen: Hilko machte sein Boot startklar und sorgte insbesondere für Trinkwasser und Gasöl. Tjade sollte sich um die Surfausrüstung kümmern und Jonas für das Wochenende ihr Surflehrer sein. Dazu hatte Jonas stundenlang vor einer beliebten Internetseite gesessen und sich alles über Windsurfen angesehen und angehört.
Während seine Freunde an Deck beschäftigt waren, dachte Hilko über die beiden nach. Jonas war im Vergleich zu ihm und Tjade ein Leichtgewicht. Immer wenn Jonas seine Tauchausrüstung anlegte, befürchtete Hilko, sein Freund würde unter der Last zusammenbrechen. Aber sobald Jonas ins Wasser eintauchte, war er in seinem Element. »Flink« sagte man in Ostfriesland zu seinen schnellen Bewegungen unter Wasser. Jonas war immer als Erster unten oder oben. Seine gute Laune war chronisch, und manchmal erinnerte ihn Jonas' schelmischer Gesichtsausdruck an das Kartenbild des Jokers.
Tjade Akkermann war das genaue Gegenteil von Jonas und mehr der stille, introvertierte Typ. Tjade war Borkumer und der größte der drei Freunde. Seine Kraft war legendär und unter Wasser, wo es oft auf Kraft ankam, unersetzlich. Taue, die ungewollt in die Antriebsschrauben der Schiffe geraten waren, wickelten sich sehr fest um Welle, Schraube und Ruderanlage. Mit einem scharfen Messer wurde Stück für Stück des Taus oder des Netzes durchgeschnitten und losgerissen. Eine anstrengende und mühselige Arbeit, zumal die Sicht meistens bei null lag. Es war mehr ein Fühlen und ein Tasten mit den Händen als ein Sehen mit den Augen.
Hilko befand sich charaktermäßig irgendwo zwischen den beiden und musste oft vermitteln. Jonas, der Schelm, wusste, dass der Borkumer Jung Tjade extrem abergläubisch war, und nutzte das gerne aus.
Kennengelernt hatten sich die drei Männer bei der Marine in Eckernförde. Ihr gemeinsames Hobby war das Tauchen, und nach der Dienstzeit hatten sie in Pewsum einen Tauchklub mit Namen »Neptun« gegründet. Irgendwann war Hilko auf die Idee gekommen, sein Hobby zum Beruf zu machen, und hatte sich mit einer Tauchfirma selbstständig gemacht. Hilkos Hoffnung war, dass seine neu gegründete Tauchfirma einmal so gut laufen würde, dass er seine Freunde fest einstellen konnte.
Aus dem Lautsprecher des UKW-Funkgerätes hörte Hilko mit, wie ein Kutterkapitän sich bei Borkum-Radar meldete: »Wir hatten einen Hänger mit unserem Fanggeschirr und müssen den Schutzhafen anlaufen!«
»Verstanden, laufen Sie den Anleger II an, dort ist noch reichlich Platz.«
Kurz darauf beobachteten die drei Freunde, wie der Kutter hinter ihrem Boot anlegte. Sofort fiel ihnen auf, dass das Fanggeschirr an einer Seite beschädigt war. Die Besatzung des Kutters bestand nur aus zwei Männern, und es sah so aus, als ob sie Hilfe gebrauchen könnten.
»Was meint ihr, sollen wir mal rübergehen und fragen, ob wir helfen können?«, wandte sich Jonas nicht ganz uneigennützig an seine Freunde. »Vielleicht fällt ja ein...
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