Schweitzer Fachinformationen
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Beaumont, Texas, Golfküste, 1973. Delpha Wade kommt nach vierzehn Jahren Knast anscheinend zufällig in die Kleinstadt und versucht, wieder Fuß im bürgerlichen Leben zu fassen. Mit viel Chuzpe und kreativer Energie ergattert sie sich die Stelle als Sekretärin bei dem jungen Privatdetektiv Tom Phelan, der nicht unbedingt die hellste Leuchte ist, aber hartnäckig und sympathisch. Das Duo stolpert bald über ein Komplott in der Ölindustrie, von der die Gegend wirtschaftlich dominiert wird, und bekommt es mit einem üblen Killer zu tun. Außerdem begegnet Delpha dem Mann wieder, der sie einst ins Gefängnis gebracht hatte. Wird sie sich rächen? Ja, aber auf keinen Fall so, wie man denken mag .
Tom Phelan hielt seine linke Hand in die Höhe und betrachtete seinen Mittelfinger. Ein schmerzender Stumpen, an dem zwei Zentimeter fehlten. Hätte schlimmer kommen können. Auf einer Bohrinsel wog alles so viel wie ein ölverschmierter VW, fünfzig Milliarden Maschinenteile, die rammen oder schlagen, quetschen, drehen, wegfliegen oder zusammenkrachen und fallen. Schlafmangel, ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit an den Winden, und schon hatte er einen Phantomfinger, der sich an seinen Zeigefinger drängte.
Er stützte die Ellbogen auf die Ausgabe des Beaumont Enterprise vom 21. Mai 1973. Sie hatten die Anzeige, in der die Eröffnung seines Büros bekanntgegeben wurde, mittig gesetzt und schwarz umrandet und seinen Namen richtig geschrieben. Die andere Anzeige, die bei den Stellenangeboten - Gesucht: Sekretärin -, hatte gestern zwei Frauen angelockt. Er hatte vor, die mit den korallenroten Nägeln und der rauchigen Dusty-Springfield-Stimme zu nehmen. Aber dann rief sein alter Schulfreund Joe Ford an, mittlerweile Bewährungshelfer, und Joe war hartnäckig.
»Schreibmaschine, Steno, was du willst, mein Freund. Hat sie alles im Bau gelernt. Hat ihre Schuld gegenüber der Gesellschaft abgebüßt. Wie wär's, wenn du mal mit ihr redest?«
»Such dir einen anderen Deppen. Wundert mich, dass du dich da so reinhängst. Seit wann bist du das Arbeitsamt?«
»Seit wann bist du Privatdetektiv?«
»Seit mir die Unfallversicherung genug Kohle gezahlt hat, um die Miete zu zahlen.«
»Ich dachte, dir gefällt's auf der Bohrinsel.«
»Ich hab noch neun Finger. Die will ich behalten.«
»Schau dir die Frau einfach mal an, Tommy. Sie ist gut.«
»Warum bist du so dahinter her?«
»Telefone nehmen sich nicht selbst ab, oder?«
»Ich hab gehört, es gibt jetzt eine Maschine, die -«
Joe schnaubte laut. »Kommunistenlüge. Ich schick sie dir rüber. Sie kann in null Komma nichts bei dir sein.«
»Nein.«
»Ich sag's ja nur ungern. Aber wer hat dir Rückendeckung gegeben, als du mit Narlan Pugh vor die Tür bist, seine vertrottelten Cousins im Kielwasser?«
»Ungern? Das erzählst du mir jetzt zum dritten Mal. Dir sollte langsam klar werden, dass auch Dankbarkeit ein natürliches Ende hat, genau wie eine Tüte Donuts.«
Joe wartete.
Phelan brütete.
»Okay, aber ich versprech nichts.«
»Nein, nein! Natürlich nicht. Die Entscheidung bleibt ganz dir überlassen. Aber danke, dass du mit ihr redest, das wird ihre Laune heben.«
Phelan fragte, weswegen sie gesessen hatte, bekam aber nur ein Tuten als Antwort.
8:32. Schritte auf der Treppe, die zu seinem Büro im ersten Stock führte.
Bedächtige Schritte. Eilig schien sie es nicht zu haben. Das Klopfen an der Tür, auf der seit kurzem Phelan Investigations stand, war nicht schnell, nicht langsam. Nicht laut, nicht leise.
Phelan trat aus seinem Büro, ging durch das künftige Empfangszimmer und öffnete die Tür. Gut. Kein Mädchen. An den Augenwinkeln hatten zwei Krähen zarte Spuren hinterlassen. Eine leichte Verbitterung hatte sich am linken Mundwinkel ihrer leicht geschminkten Lippen eingegraben. Hellbraune Haare, kinnlang, weite weiße Bluse, dunkelblauer Rock. Dunkler Teint, über dem Gefängnisblässe lag. Augen graublau, ein wenig umwölkt, abwesend, wie ein Sturm, der vom Golf herkommt. Die würde nicht am Schreibtisch sitzen und ihre frisch lackierten Nägel anpusten. Die Nägel an der Hand, die er schüttelte, waren blank und kurz geschnitten.
»Tom Phelan.«
»Delpha Wade.« Sie hatte eine kühle, tiefe Stimme.
Delpha Wade. Aus seinem Hirn ratterte ein Bild, aber nur bruchstückhaft, so wie ein Lohnstreifen, der halb in der Maschine stecken bleibt.
Sie setzten sich in sein Büro, er auf den wackligen Drehstuhl hinter dem großen Metallschreibtisch, die beide zum Inventar gehörten. Sie in einen der beiden schicken neuen Mandantenstühle, ledergepolstert mit thronsesselhohen Rückenlehnen.
»Ich will ehrlich sein, Miss Wade. Ich glaube, ich habe schon eine Sekretärin gefunden.«
Keine Enttäuschung in den graublauen Augen, aber auch keine Hoffnung. Sie schob ihm nur ein Zeugnis mit Goldprägung über den Schreibtisch. Darauf stand, dass sie siebzig Wörter pro Minute tippte, Steno schrieb, doppelte Buchführung beherrschte. Die Brünette mit der Dusty-Springfield-Stimme hatte dasselbe von sich behauptet, aber sie hatte es mit einem Kichern untermauert, nicht mit einem Zeugnis von Gatesville.
»Sie würden also gerne für eine Detektei arbeiten?«
»Ich würde gerne arbeiten.«
Touché. »Ihr wievieltes Bewerbungsgespräch ist das?«
»Das erste.«
»Ich fühle mich geschmeichelt. Kaum draußen, tauchen Sie schon bei mir auf.«
Ein kurzer Strahl fiel in die graublauen Augen. »Da zähl ich nicht die elf Stellen mit, auf die ich mich beworben hab und wo man mir gleich die Tür vor der Nase zugemacht hat. Und die eine, wo etwas stattfand, was man nicht gerade als Bewerbungsgespräch bezeichnen kann.«
Kein Wunder, dass Joe sie empfahl. »Wenn Sie es sich aussuchen dürften, wo würden Sie arbeiten, Miss Wade?«
»In einer Bücherei. Ich mag Büchereien. Das hab ich drinnen gemacht.«
Drinnen war das Frauengefängnis in Gatesville. Weil sie selbst die Sprache darauf brachte: »Wie viele Jahre haben Sie gesessen?«
»Vierzehn.«
Phelan unterdrückte ein Pfeifen. Das schloss Scheckfälschung, Betrug, den Griff in die Kasse und Drogenbesitz aus. Er wollte ihr schon die heikle Frage stellen, als sie ihm die Antwort auf einem Alutablett servierte. »Vorsätzliche Tötung.«
»Und dafür haben Sie vierzehn Jahre bekommen?«
»Er war sehr tot, Mr Phelan.«
Sein Hirn spuckte das ganze Bild aus. Phelan war damals noch ein Teenager gewesen, fasziniert von der blutrünstigen Geschichte, auf die die Presse sich gestürzt hatte. Minderjährige Kellnerin in einer Bayou-Kneipe, die auf den Wirt gewartet hat, damit er die Einnahmen abholt. Allein. Zwei Männer, die kurz vorher hinausgeworfen worden waren, kamen zurück. Vater und Sohn, das war der Witz an der Sache. Der Sohn hat sie geschlagen, vergewaltigt, mit dem Messer angegriffen. Und dann: Überraschung, hat das Messer die Hände gewechselt. Der Vater hat einen Schnitt und der Sohn mehrere tiefe Stichwunden abbekommen. Als die Autoscheinwerfer des Wirts auftauchten, ließ der Vater seinen Sohn zurück und machte sich in ihrem Auto aus dem Staub. Delpha Wade hatte der Natur nicht ihren Lauf gelassen. Sie hatte dem Junior auf dem Tanzboden den Rest gegeben.
Das Gatesville-Zeugnis war in eine geprägte Lesemappe eingepasst, Made in Prison, stabil und garantiert nicht schön. Sie stellte beide Füße auf den Boden. Aber stand nicht auf. Er konnte den Blick nicht von diesen Augen lösen. Keine Hoffnung, keine Verzweiflung. Nur eine Sturmwolke am fernen blauen Horizont.
Klopfen an der äußeren Tür. Ein zögerliches Klopfen, so als stünde eine Maus draußen. »'tschuldigung«, sagte Phelan und stand auf. Die hölzerne Sitzfläche seines Stuhls klappte nach oben, als würde der nächste Benutzer durch die Decke kommen. Er drückte darauf. Die Sitzfläche klappte wieder nach unten. »Muss ich reparieren«, murmelte er.
Als er aufblickte, sah er den geraden Rücken von Delpha Wade, die hinausging. Komisch, er hätte gedacht, dass sie nicht so schnell aufgeben würde.
»Sie haben Ihre Tasche vergessen, Miss Wade.«
»Nein.« Leise schloss sie die Tür zwischen den beiden Zimmern - genauer gesagt, die Tür zwischen seinem Büro und dem Empfangszimmer der künftigen Sekretärin. Er hörte: »Guten Morgen, Ma'am. Haben Sie einen Termin mit Mr Phelan?« Die kühle Stimme war geschmeidig wie ein Yale-Schloss.
Ich glaub's nicht. Phelan brachte die Sitzfläche in Stellung und nahm Platz wie ein anständiger Chef.
Murmeln. »Darf ich fragen, worum es geht?«
Weiteres, ausgedehntes Murmeln. Dann - Phelan hasste dieses Geräusch - Schluchzen. Nicht, dass er nicht darauf vorbereitet wäre. Er hatte für verlassene Ehefrauen eine Schachtel Kleenex im Sonderangebot besorgt. Sie steckte in der untersten Schreibtischschublade neben dem Rachenputzer für die Gatten. Seine .38er hatte er in einer anderen Schublade, den Waffenschein in der Brieftasche, die Privatdetektivlizenz an der Wand, frisch gedruckte Visitenkarten. Eine Ex-Gefängnisinsassin, die die Sekretärin gab.
Delpha Wade kam herein, schloss die Tür hinter sich. »Haben Sie Zeit für eine Mandantin, Mr Phelan?«
»Bringen Sie sie rein.« Trotz des Schluchzens hoffte er auf die Personalchefin einer der großen Raffinerien, Goodyear zum Beispiel, die ein Problem mit einem betrügerischen oder diebischen leitenden Angestellten hatte, und wenn sie schon mal da war, würde ihr klar werden, dass neue Angestellte vor der Vertragsunterzeichnung auf Herz und Nieren gecheckt werden sollten. Die alten vielleicht auch, mehrere tausend möglicherweise.
»Sie können jetzt hineingehen, Mrs Toups.«
Eine klapperdürre Frau mit dem Make-up von gestern und zerknitterter Bluse trat durch die Tür. Kunstledertasche, kleines goldenes Namensschildchen wie von einer Kassenkraft über der linken Brust. Die beiden Falten zwischen ihren...
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