Schweitzer Fachinformationen
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Es war kurz nach 22 Uhr, als Lea das Handy aus der Hosentasche zog. Sie war gerade dabei, den Balkon zu verlassen und ins Wohnzimmer zurückzukehren, als der Bildschirm aufleuchtete:
"Anna"
Eine Freundin aus ihren gemeinsamen Jugend- und Ausbildungsjahren. Die Anrufe waren seltener geworden. Meist waren es Weihnachtsgrüsse, Geburtstagswünsche, belangloser Smalltalk oder das gegenseitige Erzählen alter Geschichten, aber nie zu dieser Uhrzeit. Sie nahm das Gespräch an.
"Anna? Alles in Ordnung?"
Am anderen Ende zögerte es, dann eine Stimme, leise und leicht angespannt: "Lea. es tut mir leid, dass ich so spät anrufe. Aber ich wusste nicht, wen ich sonst fragen sollte."
"Was ist passiert?"
Anna seufzte am anderen Ende der Leitung: "Du erinnerst dich doch an die alte Munitionsfabrik und die Bunker bei uns in der Nähe in Birkenhain? Da, wo wir früher immer rumgestromert sind."
"Natürlich. Die stehen doch seit Ewigkeiten leer."
"Seit ein paar Wochen ist da... etwas. Ich kann's nicht erklären. Aber gestern Abend... ich habe dort etwas gehört oder gespürt."
Lea setzte sich auf die Sofakante: "Was meinst du mit etwas?"
Ein flacher Atemzug am anderen Ende.
"Es war wie ein Gefühl, aber. es hat mich angesprochen... als würde es wissen, dass ich da bin." Anna machte eine Pause: "Ich glaube, du kennst jemanden, der mit sowas umgehen kann."
Lea schwieg einen Moment. Dann antwortete sie leise:
"Ja. ich kenne da jemanden."
Sie beendete den Anruf, legte das Handy neben sich und starrte hinaus in die dunkle Nacht. Die Strasse war leer und die Fenster gegenüber spiegelten nur das Licht ihres Wohnzimmers. Aber etwas. etwas hatte sich bereits auf den Weg gemacht. Sie würde gleich morgen früh Gideon anrufen.
*
Es war ein ruhiger, wolkenverhangener Morgen an der Küste von Yorkshire. Gideon stand wie so oft am offenen Fenster seines Wohnzimmers, eine warme Tasse schwarzen Tees mit einem Spritzer Zitrone in der Hand. Die salzige Brise, die vom Meer heraufzog, trug den Geruch von Tang und nassen Steinen mit sich. In der Ferne kreischten ein paar Möwen, ansonsten herrschte eine angenehme, fast meditative Stille im kleinen Küstenort Staithes.
Er liebte diese frühen Stunden, wenn das Dorf noch schlief, die Gassen leer waren und nur der Wind durch die Ritzen der alten Fensterrahmen seufzte. In dieser Stille konnte er denken, sortieren und schreiben. Er hatte am Vorabend noch ein paar alte Notizen durchgesehen. Vergangene Fälle, Beobachtungen und lose Gedanken, die er vor einiger Zeit aufgeschrieben hatte. Nichts Konkretes, aber das war oft der Anfang für etwas Neues. Manchmal lag die Wahrheit in dem, was im ersten Moment unzusammenhängend erschien.
Im kleinen Gewächshaus hinter dem Haus hatte er, wie jeden Morgen, nach seinen Pflanzen gesehen. Ein Ritual und ein Ausgleich zu seiner Arbeit. Wissenschaftlich betrachtet eine banale Tätigkeit, aber in seinem Fall fast notwendig, um nicht in den Schatten seiner Fälle zu verschwinden. Er hatte gerade die zweite Tasse Tee aufgegossen und den Stift zur Hand genommen, als das Handy auf dem Schreibtisch vibrierte. Mit einem Mal war die Stille vorbei. Es war Lea.
Er nahm sofort ab: "Guten Morgen mein Schatz."
"Gideon... hast du einen Moment?" Ihre Stimme war zwar ruhig, aber auch leicht gepresst. Sie war irgendwo draussen, er hörte Wind, entfernte Schritte und Stimmen. Gideon spürte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war.
"Natürlich. Was gibt's?"
"Ich habe gestern mit Anna gesprochen. Du erinnerst dich sicher, eine alte Freundin aus meiner Ausbildungszeit. Sie lebt wieder in meinem Heimatort."
"Birkenhain?" fragte Gideon.
"Genau, es liegt am Rand eines alten Bundeswehrgeländes, früher eine Munitionsfabrik und ein Lager mit unterirdischen Gängen und Bunkern. Schon zu Schulzeiten war das unser Ort für abenteuerliche Mutproben. Aber jetzt." Sie zögerte. "Jetzt scheint dort etwas Seltsames zu sein."
Gideon, setzte sich auf seinen Sessel und lehnte sich zurück, nahm den Stift zur Hand und schlug eine neue Seite in seinem halb gefüllten Notizbuch auf, das vor ihm auf dem Beistelltisch lag: "Erzähl."
"Anna ist Restauratorin. Sie hat vor ein paar Monaten einen Auftrag bekommen die alten Gebäudestrukturen der Anlage zu dokumentieren. Es geht wohl darum, das Gelände entweder zu sichern oder vielleicht sogar zu verkaufen."
"Private Investoren?"
"Vielleicht, sie hat keine offiziellen Pläne gesehen, aber sie war oft allein dort. Die Hallen und Bunker sind zwar gut erhalten aber teilweise auch verfallen. Das Gelände ist eingezäunt, aber gut zugänglich. und dann fing es an."
"Was genau?"
Lea atmete langsam ein: "Zuerst Schritte. Immer dann, wenn Anna stehen blieb. Als würde jemand in der Dunkelheit ein paar Meter hinter ihr folgen. Anfangs dachte sie, es wäre ein Tier, aber dann kamen die Stimmen."
Gideons hielt mit dem Stift in der Luft inne: "Stimmen?" fragte er mit wachsendem Interesse.
"Ja, Männerstimmen. Abgehackt und undeutlich. Manchmal nur ein Wort und manchmal. ein Name, auch ihren Namen."
"In welcher Sprache?"
"Deutsch, manchmal fast militärisch, aber... auf jeden Fall altmodisch."
"Und das wiederholte sich?"
"Es ist kein klassisches Spukverhalten, Gideon. Anna sagte, sie fühlt sich nicht beobachtet, sondern als würde der Ort wollen, dass sie etwas hört. In einem der unterirdischen Gänge hörte sie sogar ein Lied. Marschmusik und ganz leise. Dann, plötzlich wieder Stille. Aber keine normale, eher eine, die in den Ohren dröhnt."
Gideon legte den Stift ab: "Was weiss sie über das Gelände?"
"Nur, was man sich erzählt. Dass dort Munition gelagert wurde, dass irgendwann in den 60ern ein Unfall passiert sei, angeblich bei einer Übung. Später soll die Bundeswehr einen Teil der Bunker verfüllen und versiegeln lassen haben. Aber niemand weiss, was genau da drin war."
Gideon war einen Moment still und überlegte. Dann nahm er den Stift wieder in die Hand und machte weiter seine Notizen: "Warum hat sie dich angerufen?"
"Weil sie dachte, ich hätte jemand an der Hand, der sich mit sowas auskennt." Eine Pause. "Ich hatte ihr von dir erzählt, ist aber schon länger her."
"Und du hast ihr hoffentlich nicht zu viel versprochen." Gideon stand auf, trat zum Fenster und schaute in die Ferne. Das Meer vor Staithes schimmerte bleiern.
"Ich brauche weitere Informationen von Anna, damit ich mir ein Bild machen kann. Pläne, Karten und vielleicht auch ihre Aufzeichnungen. Wenn möglich ein Lageplan des unterirdischen Teils der Anlage. Gibt es ein Archiv in der Gegend, ein Heimatmuseum, oder etwas, das ich durchforsten kann?"
"Ich frag sie. Ich schick dir per E-Mail, was ich von Anna bekomme."
"Und du?" fragte Gideon wartend.
"Ich komme natürlich mit dir mit und ich kann bei der Kontaktaufnahme helfen. Anna hat gesagt, wir können bei ihr wohnen. Ich kann auch von dort zur Praxis zum Arbeiten fahren. Es ist nicht so weit weg und ich freue mich, wenn ich dich wieder sehen kann."
Gideon schmunzelte: "Geht mir auch so. Anna weiss, worauf sie sich einlässt?"
"Nein, aber sie wird es bald." Lea lachte, denn sie kannte Gideons manchmal trockenen wirkenden Humor.
"Dann wird es Zeit, dass ich die Taschen packe."
Sie redeten noch über das eine oder andere alltägliche und beendeten dann das Gespräch. Gideon setzte sich wieder auf seinen Sessel, dachte nach und machte schliesslich seine erste Fallnotiz:
Fallnotiz Eintrag 01 - Birkenhain
Ort: Staithes, Wohnzimmer
Zeit: Früher Vormittag
Zustand: ausgeruht, konzentriert, gespannt
Ein neuer Fall, diesmal nicht auf der Insel, sondern durch Lea in Deutschland. Das macht es auf eine unangenehme Weise persönlicher. Eine alte Freundin von ihr (Anna) meldet sich wegen seltsamer Beobachtungen auf dem Gelände einer stillgelegten Munitionsfabrik bei Birkenhain im Rheinland. Ein unterirdisches Bunkersystem, seit Jahrzehnten nicht mehr offiziell genutzt. Teile des Areals gelten als "versiegelt", wobei offensichtlich niemand genau weiss, was das bedeutet.
Anna berichtet von akustischen Phänomenen, Schritte hinter ihr, obwohl sie allein war, Stimmen, undeutlich, angeblich ihren Namen, Musikfragmente, wie aus einem alten Marschlied und eine Stille, die sich nicht natürlich anfühlte. Keine Erscheinungen und kein klassisches Spukmuster. Nur Töne, Geräusche und das Gefühl, dass der Ort selbst auf sie reagiert.
Beachtenswert:
Sie arbeitet als Restauratorin. Rational, analytisch und keine Sensationslust. Das macht ihre...
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