Schweitzer Fachinformationen
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Als ich in den Stand der heiligen Ehe trat, war ich 24 Jahre alt, perfekt in der Handhabung von Telefon und Schreibmaschine, aber ohne die geringsten Erfahrungen in hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Meine Kochkenntnisse beschränkten sich auf die Zubereitung von Kaffee oder allenfalls Spiegeleiern, und ein Bügeleisen hatte ich nur dann in die Hand genommen, wenn es sich nicht umgehen ließ. Vom Nähen oder Stopfen hatte ich überhaupt keine Ahnung. Meine Abneigung gegen jede Art von Handarbeit stammte noch aus der Schulzeit. Aber zum Glück fanden sich immer begabtere Klassenkameradinnen, die meine verschandelten Werke wieder in Ordnung brachten und mir dadurch wenigstens die Drei im Zeugnis garantierten. Zum Dank dafür schrieb ich ihnen ihre Deutschaufsätze.
Ursprünglich hatten wir erwogen, Rolfs derzeitiges Junggesellen-Apartment mit meinen eigenen Möbeln vollzustopfen und dort erst einmal zusammen zu wohnen. Sein Mobiliar bestand aus einer Schlafcouch, zwei nicht zueinander passenden Sesseln - einer davon mit Blümchenmuster -, einem Tisch, der vollgepackt war mit Büchern, Zeitschriften, Manuskripten und Krawatten, einem Schreibtisch, auf dem es so ähnlich aussah, ein paar ständig überquellenden Aschenbechern sowie einem riesigen Gummibaum, den ein Freund einmal untergestellt und nie wieder abgeholt hatte. Dann gab es noch eine winzige Dusche und eine ebenso winzige Kochnische.
Nun hatte ich nicht gerade von einer Zehn-Zimmer-Villa nebst Butler und Dienstmädchen geträumt, aber die augenblickliche Behausung entsprach doch in keiner Weise meinen Vorstellungen vom eigenen Heim. Außerdem hatten wir uns davon überzeugt, daß wir meine Möbel nur mit Mühe und Not in dem Zimmer würden unterbringen können - vorausgesetzt, wir selber blieben draußen!
Glücklicherweise fanden wir ziemlich schnell eine kleine Mansardenwohnung, bestehend aus zwei Zimmern nebst Küche und Bad. Schräge Wände mögen in Möbelkatalogen ihren Reiz haben, in der Praxis sind sie hinderlich. Ich habe mich jedenfalls nie daran gewöhnen können, mit eingezogenem Kopf vom Sessel aufzustehen oder in halbgebückter Haltung im Kochtopf zu rühren. Außerdem war das Bad so klein, daß man sich kaum darin umdrehen konnte. Den meisten Platz beanspruchte nämlich ein mittelalterlicher Badeofen. Wollte man um sechs Uhr ein Bad nehmen, so fing man zweckmäßigerweise um vier Uhr an, ihn mit Holz und Kohlen zu füttern. Neben heißem Wasser spendete er gleichzeitig eine derartig große Hitze, daß wir es zumindest im Sommer vorzogen, kalt zu baden - ein ziemlich zweifelhaftes Vergnügen, auf das wir dann auch meistens verzichteten.
Aber wenigstens hatte ich jetzt >Trautes Heim, Glück allein< und darüber hinaus einen völlig neuen Wirkungskreis.
Zunächst lernte ich eine weitere Fähigkeit meines Mannes schätzen: Er konnte kochen! Nach dem Ursprung seiner Kenntnisse fragte ich lieber nicht; vermutlich gab es mal eine Freundin mit kulinarischen Ambitionen. Außerdem ist meine Schwiegermutter eine hervorragende Köchin.
Der frischgebackene Ehemann sah sich also gezwungen, seine völlig unwissende Gattin in die Geheimnisse der Kochkunst einzuweihen, und ich bemühte mich redlich, Begriffe wie etwa >Farce<, >Fond< oder >legieren<, die mir bis dato in einem ganz anderen Zusammenhang geläufig gewesen waren, mit dem Küchen-Abc in Verbindung zu bringen. Jedenfalls war ich damals froh, daß wenigstens einer von uns beiden mit Kochtopf und Bratpfanne umgehen konnte.
Heute bin ich von Rolfs sporadischen Einbrüchen in mein Küchenrevier nicht mehr so begeistert. (Er pflegt mich bei seinen Gastspielen zu allen subalternen Tätigkeiten wie Kartoffelschälen und Zwiebelschälen heranzuziehen und mir nach Beendigung seines Wirkens die nicht unerheblichen Aufräumungsarbeiten zu überlassen.) Übrigens ist er der Meinung, daß jeder Mensch kochen kann, wenn er die nötigen Grundbegriffe beherrscht. Alles andere sei lediglich eine Sache des Geschmacks. Recht hat er! Unsere Meinungen über die Zubereitung von Hühnerfrikassee gehen auch heute noch ziemlich auseinander, aber seins schmeckt trotzdem besser! Dafür stimmten wir in einem anderen Punkt völlig überein: Wir wollten Kinder, mindestens zwei, am besten drei. Ich bin ein Einzelkind und bedaure das heute noch. Ständig war ich Mittelpunkt elterlicher und großelterlicher Fürsorge, und so verfügte ich im Alter von vier Jahren zwar über einwandfreie Tischmanieren, muß aber sonst ein ziemlich unausstehliches Balg gewesen sein. Die Fama berichtet, daß meine charakteristischsten Merkmale Egoismus und despotische Herrscherallüren waren, denen sich meine Spielkameraden zu unterwerfen hatten. Taten sie das nicht, dann drehte ich ihnen den Rücken (oder sie mir!). Später muß ich mich wohl doch ein bißchen geändert haben, denn viele Freundschaften, die zu Beginn meiner Schulzeit begründet wurden, bestehen heute noch.
Rolf ist auch ein Einzelkind und hatte ähnliche Erfahrungen gemacht.
Außerdem waren wir uns darüber im klaren, daß sich der geplante Nachwuchs möglichst bald einzustellen hatte, denn Rolf wollte mit seinen Söhnen (!) noch Fußball spielen, bevor das altersbedingte Zipperlein derartige Vorsätze zunichte machen könnte.
Bis Sven geboren wurde, hatte ich mir die notwendigen Kenntnisse über die >Aufzucht< von Babys aus Büchern zusammengelesen und war der Ansicht, eventuell auftretende Schwierigkeiten ohne weiteres meistern zu können. Die Praxis sah aber dann ganz anders aus. So wurde zum Beispiel in dem Buch >Mein erstes Kind< dringend empfohlen, Säuglinge regelmäßig und zu ganz bestimmten Zeiten zu füttern. Mein Sohn war da völlig anderer Meinung. Er fing bereits zwei Stunden vor der fälligen Mahlzeit an zu brüllen, und wenn er endlich die Flasche bekam, schlief er nach den ersten Schlukken ein. Derartige Vorkommnisse wurden in dem Buch nicht behandelt. Also griff ich zur Selbsthilfe, weckte Sven mit einem kalten Waschlappen auf, dann nuckelte er auch brav ein paar Augenblicke weiter und schlief danach wieder ein. Auf diese Weise zogen sich die Mahlzeiten oft über eine Stunde lang hin, was mit den Angaben im Baby-Leitfaden keineswegs übereinstimmte. Trotz meiner unvorschriftsmäßigen Behandlung gedieh der Bursche prächtig, bekam runde Bakken und einen blonden Lockenschopf, und ich war jedesmal empört, wenn mich jemand fragte, wie alt denn >die Kleine< sei. Als der mädchenhafte Knabe ein halbes Jahr zählte, bekamen wir durch Zufall eine Dreizimmerwohnung mit Balkon angeboten und griffen zu.
In einem jener klugen Bücher hatte ich gelesen, daß der Altersunterschied zwischen Geschwistern möglichst gering sein soll. Warum der Autor dieser Ansicht war, weiß ich nicht mehr, vielleicht fand er es praktisch, wenn man gleich für zwei Kinder Windeln waschen kann. jedenfalls hielt ich damals alles Gedruckte, das mit psychologischen Thesen durchsetzt war, für das Nonplusultra, und so wurde zwanzig Monate nach Sven unser Sascha geboren. Er kam übrigens fast drei Wochen zu früh und sprengte beinahe eine Verlobungsparty, weil ich mitten beim Kaffeetrinken fragte, wer von den anwesenden Autobesitzern mich in die Klinik fahren könnte. Rolf stieß erst abends wieder zu der Gesellschaft und übernahm ab Mitternacht die weiteren Kosten der Feier, nachdem ihm telefonisch die Ankunft seines zweiten Sohnes mitgeteilt worden war.
Sascha war ein ausgesprochen ruhiger Bürger, der selten schrie, anstandslos alles hinunterschluckte, was man ihm in den Mund schob, und das erste halbe Jahr seines Lebens überwiegend schlafend verbrachte. Das änderte sich allerdings schlagartig, als er anfing, herumzukrabbeln. Ich weiß nicht mehr, wie viele Bücher er damals zerrissen und wieviel Geschirr er zertrümmert hat. Jedenfalls mußten wir bald alles Zerbrechliche auf Schränken und Regalen übereinandertürmen, so daß unsere Wohnung manchmal aussah wie ein Auktionshaus kurz vor Beginn der Versteigerung. Außerdem entwickelte Sascha einen ungeahnten Bewegungsdrang, und auch diese Wohnung wurde schließlich zu klein.
Also zogen wir wieder einmal um. Diesmal in ein Reihenhaus mit Garten am Stadtrand. Hier wuchsen die Kleinkinder zu unternehmungslustigen Knaben heran, die ständig Hosen zerrissen und ihre Mutter zwangen, sich endlich fundierte Kenntnisse im Umgang mit Nadel und Faden anzueignen. Während ich Lederherzen auf durchgewetzte Hosenbeine nähte, träumte ich von einem kleinen Mädchen, das Kleidchen trägt und mit Puppen spielt statt mit rostigen Blecheimern.
Als Sven sechs Jahre alt war und Sascha gerade vier, kam Stefanie auf die Welt, ein Bilderbuchbaby mit schwarzen Locken, dunklen Kulleraugen und Grübchen am Kinn. Sie war ein Sonntagskind in doppeltem Sinn: Allerheiligen ist in einigen Teilen der Bundesrepublik ein gesetzlicher Feiertag, darüber hinaus fiel der 1. November in ihrem Geburtsjahr auf einen Sonntag. Mein Arzt, der morgens um zehn aus einer Tennishalle herantelefoniert werden mußte, hat mir das nie verziehen!
Kurz nach Stefanies Ankunft stand uns ein neuer Tapetenwechsel bevor. Rolf mußte aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz nach Süddeutschland verlegen, und so zogen wir zum viertenmal um, und zwar nach Stuttgart. Dort wurde Sven eingeschult, und Sascha kam in den Kindergarten. Beide Institutionen schlossen mittags ihre Pforten. Nachmittags tobten die Kinder auf der Straße herum, und jedesmal, wenn Autoreifen quietschten oder ein Krankenwagen mit Sirenengeheul vorbeifuhr, zuckte ich zusammen und sah in Gedanken einen meiner Helden verletzt am Straßenrand liegen. Im Laufe der Zeit wurden diese Wahnvorstellungen beängstigender als mein Horror vor einem erneuten Umzug. Also mieteten wir eine...
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