Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
In Hamburg gibt der Schnee zwei Frauenleichen frei - Hände und Füße sind durchbohrt. Beide tragen eine Uhr anstelle des Herzens. Der aus Schweden stammende Ermittler Jan Nygård stößt auf den zurückliegenden Fall des Puppenmachers, der auf bestialische Art aus seinen weiblichen Opfern Marionetten zu erschaffen versuchte. Schnell wird Nygård und seiner neuen Partnerin Anna Wasmuth klar, dass sie es nicht mit einem einfachen Trittbrettfahrer zu tun haben. Hier ist ein Schüler am Werk, der seinen Meister übertreffen will - und er hat bereits eine neue Puppe am Faden ...
Jan Nygård saß allein im Zivilwagen und strich sich Jodsalbe auf die aufgeplatzte Haut seiner Fingerknöchel. Er wartete auf das Brennen, aber es kam nicht. Früher hatte die Salbe immer höllisch gezwiebelt. Beim Spielen in den Steinhügeln bei Slätterna, ein Stück nördlich von Göteborg, hatte er sich oft die Knie aufgeschlagen. Dann hatte seine Mutter die braune Salbe aus dem Badezimmerschrank geholt und dick auf die Schürfwunden geschmiert. Was hatte er gejammert. Aber das Brennen gehörte irgendwie zur Heilung dazu, gehörte zu einem geglückten Sommer, zu einem Stückchen Mut.
Er drehte die Tube zu und steckte sie zurück in seinen Parka. Heutzutage war von dem Brennen allerdings nichts mehr zu spüren.
Alles weg, dachte Jan. Nun war die Salbe so harmlos, dass man nicht einmal wusste, ob sie überhaupt half.
Im Rückspiegel musterte er seine Schrammen auf der linken Wange. Der dickere der beiden Burschen hatte ganz schön zugelangt. Seufzend entschied er sich, sie einfach so zu belassen.
»Wo bleibst du denn?« Riya Midani, seine indischstämmige Partnerin beim LKA, klopfte mit ihrer Taschenlampe gegen die Autotür. »Jan?«
»Komme.«
»Die Hunde haben angeschlagen.«
»Wirklich? Bin gleich bei dir . Der Chef?«
»Dieck kommt erst, wenn wir definitiv etwas haben.«
Jan nickte und sah zu Riya, die durch den Schnee einen schmalen Trampelpfad zu einem Wäldchen hinaufstapfte. In ihrer pinken Steppjacke aus Polyester sah sie fülliger aus als sonst. Im Kegel der Autoscheinwerfer konnte er ihre Silhouette zwischen den Bäumen erkennen, dann hatte sie der Wald verschluckt.
Die Nacht hatte neuen Schnee gebracht. Weiß, rein. So unberührt.
Jan warf einen letzten Blick in den Spiegel. Der Mann, der ihm entgegenblickte, war nicht in bester Verfassung. Augenringe und Krähenfüße, kaum Schlaf, nachdem der Anruf vom Revier ihn in aller Herrgottsfrühe geweckt hatte.
Eine Meldung war eingegangen. Die Stimme eines Unbekannten, durch eine Software verfälscht. Er hatte nur wenige Worte gesagt.
Ihre Lebensfäden zerschnitten.
Sie ruhen beim Grenzhaus im Wald.
Die Frau in der Telefonzentrale hatte nachhaken wollen, doch da hatte der Anrufer bereits aufgelegt.
Seufzend öffnete Jan die Fahrertür und zog die in die Jahre gekommene, reichlich klobige Fellmütze über den Kopf - noch so eine Erinnerung aus Schweden und an seinen Vater, der sie einst getragen hatte.
Dann folgte er seiner Kollegin von der schmalen Straße aus in das Waldstück. Von Weitem konnte er die Bundesstraße 432 hören. Der frühmorgendliche Berufsverkehr würde bald seinen Höhepunkt erreichen.
»Was habt ihr?«
Jan schloss zu Riya auf, die ihm zeigen wollte, was die beiden Blut- und Leichenspürhunde ungefähr fünfzig Meter von der Straße entfernt gefunden hatten. Sie drückte mehrere Birkenäste beiseite.
Neugierig verfolgten die beiden belgischen Schäferhunde, was vor sich ging. Obwohl sie aufs Wort gehorchten, war ihnen anzumerken, wie aufgeregt sie waren. Jan zückte seine Stablampe und leuchtete.
Im Schatten der Birken war eine Blutspur zu erkennen. Der von den Hundenasen aufgewühlte Schnee sah aus wie aufgeplatzte frische Innereien.
»Ziemlich viel Blut«, stellte Jan fest. »Weiter unten haben sie keine Spur gefunden?« Er drehte sich zu den beiden Hundeführern um, die dicht neben ihren Tieren standen und sie an der kurzen Leine hielten.
»Nein«, sagten sie unisono.
»Gut. Folgen wir der Spur. Sagst du Dieck Bescheid, Riya?« Er ließ die Hand über die Birkenäste gleiten. Einige waren eindeutig abgeknickt worden. Ob von den Hunden, von Riya oder dem Täter, ließ sich nicht genau sagen.
Durch die Birken, die starr und eisgefroren dastanden, konnte er den zerfetzten Himmel erkennen. Die Sonne war im Begriff aufzugehen, aber noch drang kaum ein Schimmer durch die schweren Wolken. Bald würde es wieder schneien.
Riya winkte den beiden Hundeführern und funkte ihren Dezernatsleiter an.
»Dieck soll sich beeilen. Wir brauchen das volle Programm«, wies Jan sie an und sah zu, wie die Hunde die Fährte aufnahmen. Im tanzenden Licht der Taschenlampen folgte Jan ihnen tiefer in das Wäldchen.
Nach gut hundert Metern blieben die Hunde vor einem flachen, schneebedeckten Hügel stehen. Die Muskeln angespannt, starrten sie auf den Schneehaufen, schnüffelten und wären am liebsten losgeschossen. Doch dazu waren sie zu gut ausgebildet. Winselnd rissen sie an ihren Leinen und scharwenzelten um die Hundeführer, die beruhigend auf sie einredeten.
Nachdem Jan ein paar Schritte näher gekommen war, konnte auch er den Leichengeruch wahrnehmen. Der süßliche Gestank der Verwesung drang durch die klare, eiskalte Luft. Es war wahrscheinlich bloß der Kälte zu verdanken, dass es nicht allzu bestialisch roch.
Behutsam trat er noch näher heran. Der Hügel entpuppte sich als von Schnee bedecktes Grüngut. Ein paar Äste und abgesägte Stämme waren hier irgendwann einmal abgelegt worden. Nichts Ungewöhnliches.
Der Strahl seiner Taschenlampe leckte über den Schnee, dann über eine fahle Hand, einen Arm . Schließlich erhellte der Lichtkegel dunkle Haare, ein Gesicht . oder das, was davon übrig war. Nahezu sanft hatte sich der Schnee auf Blut und gesprengte Knochen gelegt. Gefasst trat Jan einen weiteren Schritt um den Hügel herum und leuchtete.
Vor ihm saßen zwei Frauen.
Nur der Schnee der letzten Nacht bedeckte ihre Haut.
Die beiden lehnten mit dem Rücken an den abgesägten Stämmen, saßen im Schnee, als hätten sie sich nach einer langen Wanderung dort niedergelassen, um sich ein wenig auszuruhen.
Um für die Ewigkeit innezuhalten, dachte Jan und ließ den Strahl seiner Taschenlampe über das gleiten, was einst ihre Gesichter gewesen waren.
Der Schwarzhaarigen hatte man ins Gesicht geschossen oder geschlagen. Die linke Wange und ein Auge fehlten. Kieferknochen ragten gesplittert aus dem pudrigen Schnee. Sie zeigte Spuren der Verwesung.
Die Blonde hatte die Augen geöffnet und starrte mit gebrochenem Blick in die Ferne. Im Gegensatz zur anderen Frau war ihr Hals - wahrscheinlich durch ein Projektil - aufgerissen, ihr Antlitz jedoch nahezu unversehrt. Sie hatte den rechten Arm um die Schulter der anderen gelegt, während sie den linken auf ihr hochgezogenes Knie stützte. Die linke Hand streckte sie aus, als wollte sie, dass Jan etwas hineinlegte. Oder stand der Zeigefinger ab? Zeigte sie auf etwas?
Unwillkürlich wandte Jan den Kopf, um zu sehen, auf was die Tote deuten mochte. Dort hinten im Dunkeln standen die Birken schlank und gerade. Sonst war nichts zu erkennen.
Riya, die Jan gefolgt war, hatte seinen suchenden Blick bemerkt. »Ich geh nachgucken.«
»Sei vorsichtig. Geh von der Seite ran«, sagte Jan, der Sorge hatte, sie würden wichtige Spuren zertrampeln.
Riya schlug einen großen Kreis, während er abermals den Schein seiner Lampe über die beiden nackten Frauen gleiten ließ. Erst jetzt fiel ihm auf, wie rosig ihre Wangen unter der hauchdünnen Schneedecke wirkten. Sie waren geschminkt. Ihre Wangen waren mit Rouge bestrichen oder gepudert worden, was ihnen einen gesunden Teint gab. Außerdem trugen sie Lidschatten und Wimperntusche. Die Haut ihrer Lippen war aufgeplatzt, doch sie leuchtete vom Lippenstift in einem warmen Rot.
Aufgehübscht, grübelte Jan. Hübsch gemacht für den Tod oder für .
Im nächsten Moment sah er unter den Schneeflocken das Metall in der Handfläche der Zeigenden. Er richtete den Strahl der Taschenlampe darauf. Es handelte sich um eine schwere Sechskantmutter mitsamt einer großen Unterlegscheibe. Jan musste schlucken. Dann ging er in die Knie und warf einen Blick auf den Handrücken.
Säure stieg aus seinem Magen empor, er atmete dagegen an.
Aus ihrer Hand ragte eine Öse, eine wuchtige Ringschraube.
Im nächsten Moment hatte er sich so weit gefangen, dass er ihre andere Hand ableuchtete, die sie über die Schulter der zweiten Leiche gelegt hatte. Hier war ebenfalls eine Öse zu sehen. Er ließ den Lichtkegel über die Hände der zweiten Frau wandern. Auch sie war nicht verschont worden. Er rieb sich das Gesicht. Beiden Frauen waren Schrauben durch die Hand getrieben und Ösen am Handrücken angebracht worden.
Die Rufe einiger Krähen verirrten sich zu ihm. Der Lärm der nahen B 432 war zu einem steten Rauschen angeschwollen.
Jan atmete durch. Dann trat er einen weiteren Schritt vor. Etwas Schnee rutschte von der Brust der dunkelhaarigen Toten. Der Anblick ließ ihn erschaudern. Auf Höhe ihres Herzens war ein Stück herausgeschnitten worden. Im vernarbten Loch saß eine matte, runde Metallplatte. Zumindest nahm er an, dass es Metall war. Sie war etwa so groß wie der Boden eines Wasserglases.
Jan widerstand dem Drang, näher zu treten oder gar die Wunde auszuwischen, auf deren Rand sich die Flocken so sanft und geradezu anmutig niedergelassen hatten. In einem verborgenen Winkel seines Geistes spürte er eine gewisse Faszination, wie er sie bei Morden schon des Öfteren erlebt hatte. Was immer die Opfer durchlitten hatten - so etwas wie das hier hatte er noch nie gesehen. Und er begann sich zu fragen, welcher kriminelle Geist so etwas Abartiges ersann.
»Da hinten ist nichts«, riss ihn Riya aus seinen Gedanken.
»Hm«, brummte er. »Wir brauchen die ganze Truppe. Und Licht. Jede Menge Licht hier im Wald.«
Während er Riya noch einmal funken...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.