Schweitzer Fachinformationen
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Der Junge und sein Pferd
Hoch über den Olivenhainen Griechenlands erheben sich die Gipfel des Olymps. Seit Hunderten von Jahren lauschen die Kinder bereits den sagenhaften Geschichten, die von dem Geschehen dort oben, zwischen der Erde und den Sternen, erzählen.
Auf dem Olymp hieß es, gebe es weder Regen noch Wind, sondern nur endlosen Sonnenschein. Hier lebten die Götter von Nektar und wie Honig schmeckendem Ambrosia, dem Trunk und der Speise für die Unsterblichen.
Von den Ufern der Ägäis bis zu den Wäldern Makedoniens kannte jedes Kind die Namen der zwölf olympischen Götter. Da war Hera, die Familien-Göttin, zuständig für Hochzeit, Mutterschaft und Geburt. Da war Poseidon, der Gott des Meeres, der das Wasser mit seinem Dreizack aufwühlen konnte.
Der Kriegsgott hieß Ares und wurde oft mit einem großen Schild auf seinem Streitwagen dargestellt. Die jungfräuliche Göttin der Jagd und des Mondes trug den Namen Artemis. Der Bogenschütze Apollo war der Sonnengott. Und dann gab es noch: Die weise Göttin Athene, die immer einen glänzenden Helm trug, mit ihrer Eule. Demeter, die Göttin der Ernte. Hephaistos, den Schmied, mit seinem Hammer und seinem feuerglühenden Amboss. Hermes, den Götterboten, mit seinen geflügelten Sandalen. Die sanfte Göttin Hestia, Hüterin von Heim und Herd. Und schließlich die schöne Aphrodite, die Göttin der Liebe.
Doch vor einem Gott zitterten all die anderen: vor Zeus, dem Göttervater, dem Herrscher über Himmel, Blitz und Donner.
In jungen Jahren hatte Zeus die Welt von der Tyrannei der Titanen befreit und sich selbst zur obersten Gottheit gemacht. Sein Vogel war ein Adler, sein Baum eine Eiche und seine Waffe ein Donnerkeil.
In Homers Epos Die Ilias lässt Zeus den anderen Göttern des Olymps eine Warnung zukommen.
»Ich bin der mächtigste aller Götter!«, sagt er. »Befestigt ein goldenes Seil am Himmel und hängt euch alle daran, ihr Göttinnen und Götter. Ihr werdet es nicht schaffen, Zeus, den Allmächtigen, vom Himmel auf den Boden hinabzuziehen! Ich aber könnte euch samt Erde und Meer zu mir emporziehen und könnte euch vom Gipfel des Olymps hängen lassen, so viel mächtiger bin ich als alle Götter und Menschen.«
Für die Kinder, die an den Küsten der Ägäis aufwuchsen, waren Götter wie Zeus mehr als erfundene Gestalten.
Mythen und Legenden waren ein Teil ihres täglichen Lebens und ihrer Realität. Hörten sie den Ruf einer Eule in der Nacht, so glaubten sie, diese brächte neue Nachrichten aus Athen. Und wenn der Donner über ihren Köpfen grollte, war dies ein Zeichen, dass Zeus ihnen zürnte.
Jedes Haus hatte seine geweihte Feuerstelle und jede Stadt ihren Tempel. Und jedes Jahr pilgerten Tausende von Menschen zu den über ganz Griechenland verteilten Heiligtümern, wo die Luft von Magie erfüllt zu sein schien.
An einem Sommertag in der Mitte des vierten Jahrhunderts vor Christus setzte ein junger Prinz seine Füße auf die Insel Samothrake. Sein Name war Philipp, und er war gerade aus Makedonien gekommen, dem rauen Königreich im Norden.1
Seit seiner Kindheit hatte Philipp davon geträumt, Samothrake zu besuchen. In ganz Griechenland sprach man vom Heiligtum der Großen Götter mit seinen wilden Zeremonien und Opferritualen.
Während des alljährlichen großen Festes betraten die zugelassenen Männer, Frauen und Kinder das Innere des Heiligtums und wurden in den Kult der großen Götter und ihrer Geheimnisse eingeweiht. Gesprochen wurde über dieses Erlebnis nicht, doch nun war Philipp gekommen, um sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen.
In einer der folgenden Nächte brannten die Fackeln und wirbelten die Tänzerinnen zu den wilden Rhythmen der Trommeln. Das Herz des jungen Prinzen schlug ihm bis zum Hals. Gleich würde er das Innere des Heiligtums betreten und schließlich mit den Geheimnissen der Götter vertraut gemacht werden.
Und plötzlich sah er sie: ein feingliedriges Mädchen mit rabenschwarzen Haaren. Ihre Augen glänzten fiebrig, sie war in Ekstase und schien ihm ein wenig jünger als er selbst zu sein, noch jugendlich. Philipp fand sie wunderschön.
Früh am nächsten Morgen, als die Sonne über die Berge von Samothrake stieg, sprach Philipp zum ersten Mal mit ihr. Sie hieß Olympias und war königlicher Abstammung. Ihr Vater, erklärte sie stolz, sei der König von Epirus, dem bewaldeten Bergland im äußersten Westen der griechischen Welt.
Philipp nickte. Epirus war ihm wohlvertraut.
Während sie sprachen, konnte er seinen Blick nicht von ihr abwenden. Olympias war eine Schönheit, doch nicht nur das. Sie strahlte auch eine geheimnisvolle und unzähmbare Wildheit aus.
Als Philipp wenig später nach Hause segelte, stand sein Entschluss fest. Dies war das Mädchen, das er heiraten wollte.
Die Zeit verging. Im Jahr 359 v. Chr. wurde der 23-jährige Philipp König von Makedonien. Das Mädchen mit den rabenschwarzen Haaren hatte er nie vergessen.
Zwei Jahre nach ihrer ersten Begegnung machte sich die achtzehnjährige Olympias vom bergigen Epirus auf nach Pella, der Hauptstadt von Makedonien und Residenz der makedonischen Könige.
Philipp erwartete sie und streckte ihr zur Begrüßung beide Arme entgegen.
Doch in der Nacht vor ihrer Hochzeit hatte Olympias einen Traum.
Gewaltige Donnerschläge ließen die makedonischen Berge erzittern, Blitze zuckten am Himmel. Sie kamen immer näher, doch Olympias war unfähig, sich zu bewegen.
Plötzlich war das Gewitter direkt über ihr und schien von allem Besitz zu ergreifen. Ihr war, als sei Zeus persönlich zu ihr herabgestiegen und habe alles um sie her in Flammen gesetzt . ihr Bett brannte, die Luft brannte, selbst ihr Körper.
Als Olympias die Augen aufschlug, war alles dunkel.
Wenige Stunden später war sie mit Philipp verheiratet. Doch als sie ihren Schleier hob, um ihren frisch vermählten Ehemann zu küssen, jagte ihr die Erinnerung an ihren Traum einen Schauer über den Rücken.
Im Jahr 356 v. Chr., am sechsten Tag des Monats Hekatombaion (was vermutlich dem 21. Juli unseres Kalenders entspricht), brachte Olympias einen Sohn zur Welt.
Sie nannte ihn Alexandros, nach zwei früheren mazedonischen Königen. Ihr Sohn sollte der dritte König dieses Namens werden und als »Alexander der Große« Weltruhm erlangen.
Noch Jahre später sprachen die Leute von den vielen seltsamen Begebenheiten rund um Alexanders Geburt. Sein Vater befand sich zu dieser Zeit weiter südlich und führte seine mächtige Armee gegen ihre griechischen Feinde, die Athener, ins Feld.
Am selben Tag, an dem Alexander das Licht der Welt erblickte, eroberte sein Vater die Hafenstadt Potidaea. Der Bote aus Pella fand ihn in seinem Zelt, überglücklich über den gerade errungenen Sieg.
Ein zweiter Bote überbrachte ihm nahezu gleichzeitig die Nachricht, dass eine weitere makedonische Armee die wilden illyrischen Stämme in einer blutigen Schlacht vernichtet habe.
Als sich die Nachrichten im Feldlager verbreiteten, brachen die Soldaten in Jubel aus. Und während sich die Abenddämmerung über den ägäischen Horizont senkte, erblickte Philipp einen dritten berittenen Boten. Seine Kleider waren mit Staub bedeckt und das Fell seines Pferdes glänzte vom Schweiß.
Er war den weiten Weg von Olympia, dem Heiligtum des Zeus in Elis, gekommen, wo Tausende von Zuschauern die Olympischen Spiele verfolgt hatten. Und auch von dort gab es fantastische Nachrichten.
Beim großen Pferderennen war Philipps preisgekrönter Hengst zum Sieg gestürmt. Im Laufe eines einzigen Tages hatte er also eine Stadt erobert, eine entscheidende Schlacht gewonnen, olympischen Ruhm erlangt und einen Sohn bekommen. Die Götter schienen es wirklich gut mit Makedonien zu meinen!
Doch gab es da noch ein weiteres Omen - ein weiteres Vorzeichen -, das eine andere Geschichte erzählte.
Hunderte von Kilometern weiter östlich, in Ephesos, stand der Tempel der Artemis. Für die Griechen, die an der asiatischen Küste lebten2, war der riesige Tempel aus blendend weißem Marmor nichts anderes als ein Weltwunder.
Doch an diesem Tag brach im Tempel der Artemis ein Feuer aus, und als die Flammen erloschen waren, blieb nichts als Asche von ihm übrig.
Für die Priester von Ephesos war der Verlust kaum zu ertragen. Viele von ihnen liefen weinend durch die Straßen und verkündeten, dass dieser Vorfall großes Unglück für ganz Asien vorausahnen lasse.
Erst viele Jahre später, als sich Alexanders Ruhm in fast jeden Winkel der Erde verbreitet hatte, wurde den Menschen klar, dass der Untergang des Tempels mit seiner Geburt zusammengefallen war.
Der kleine Alexander war ein vitales und gesundes Kind, zwar relativ klein für sein Alter, doch voller Energie. Seine Eltern bekam er nur selten zu Gesicht. Sein Vater Philipp führte meist Krieg gegen Makedoniens Nachbarn.
Und seine Mutter Olympias zog sich oft mit ihren...
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