Schweitzer Fachinformationen
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Vorwort
Als Eltern haben wir die bedeutsamste Aufgabe der Welt übernommen. Eine Aufgabe, die sich wie ein fremdes und unbekanntes Land anfühlen kann, für das man als Reiseführer nur die eigene Geschichte sowie viele Träume und Hoffnungen für die Zukunft seiner Kinder zur Verfügung hat.
Es ist ganz normal, sich ängstlich und unsicher zu fühlen, wenn man die Verantwortung für einen kleinen, neugeborenen Menschen trägt und plötzlich nicht mehr ein noch aus weiß. Wo kann man noch mal lernen, wie man zu den besten Eltern der Welt wird?
Wir sind oft unsicher und fragen uns zum Beispiel: Wie lässt sich ein untröstliches Kind beruhigen? Ist es in Ordnung, nicht zu stillen? Wie soll ich die Ticks meines Kindes interpretieren oder seine Angst vor dem Einschlafen? Und wie gehe ich mit all dem um, was mein Kind lernen muss, damit aus ihm ein selbstständiger und robuster Mensch wird?
Es gibt viele gute und relevante Bücher voller Ratschläge und Informationen zum komplexen und oft anstrengenden Elterndasein, aber weil sich das Kinderleben gerade stark verändert und darüber auch diskutiert wird, ist es wichtig, den Tendenzen der Zeit zu folgen.
Es gibt Kinder und Jugendliche, die sich nicht wohlfühlen und die nicht das vom Leben erhalten, was sie sich erhoffen. Die dänische Ministerin für Kinder und Soziales hat erst kürzlich einen Expertenrat zusammengestellt und eine »Erziehungsdebatte« angestoßen, damit wieder einmal über die Rolle der Eltern diskutiert wird - in der Hoffnung, eine Lösung für die Probleme der Elternschaft und für die steigende Anzahl der Kinder, denen es schlecht geht, zu finden.
Traurigkeit, Einsamkeit und Angst sind für viele - auch für Kinder und Jugendliche - zum Normalzustand geworden. Und jeden Tag melden sich Kinder in der Schule aufgrund von Stress krank. Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, denen in Dänemark ein Antidepressivum verschrieben wird, ist in den letzten sieben Jahren um 60 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die in der Psychiatrie behandelt werden, ist in den letzten fünf Jahren um 44 Prozent gestiegen.1 Diese alarmierenden Zahlen bestätigen nur, dass Veränderung und ein neuer Fokus nötig sind.
Wir haben dieses Buch im dänischen Original Det gør ondt i maven, mor genannt - »Mama, ich habe Bauchweh« -, weil unsere Gefühle in der Bauchregion sitzen. Wir sagen: »Ich habe Schmetterlinge im Bauch«, wenn wir verliebt sind. Wir verschränken die Arme über dem Solarplexus, wenn wir uns bedroht fühlen oder emotional auf uns aufpassen wollen. Wir glauben, dass viele Kinder und Jugendliche in ihrem Innersten »Schmerzen« haben. Sie haben Schmerzen in ihrem Gefühlsleben und spüren eine große Verunsicherung, weil Heranwachsende in ihrem Leben heutzutage ganz andere Herausforderungen meistern müssen als die Generationen vor ihnen.
Der Magen ist das Kommunikationszentrum des Körpers, wenn es um Gefühle geht, deswegen kann sich ein seelisches Ungleichgewicht oder eine innere Unruhe ganz typisch psychosomatisch zeigen - das heißt, als körperlicher Schmerz, der von psychischem Schmerz verursacht wird. Die psychosomatischen Reaktionen können schwer zu lokalisieren sein, und ihre Behandlung kann bedeuten, dass wir nur die Symptome angehen und nicht die tatsächliche Ursache.
Wenn unser Kind Bauchweh hat oder eine andere Art von innerem Unbehagen empfindet, tendieren wir oft dazu, möglichst schnell eine Erklärung und Lösung für das Problem zu finden - es kann nämlich schwierig sein herauszubekommen, was physischer und was psychischer Schmerz ist. Es ist wichtig, daran zu denken, dass unsere Kinder - und ihre Körper - uns etwas mitteilen möchten, für das sie vielleicht keine Worte finden. Vielleicht verstehen sie selbst nicht, woher ihr Unwohlsein rührt, oder sie kennen schlichtweg keine Begriffe dafür.
Deswegen ist es notwendig, ab und an innezuhalten und sich zu fragen: Habe ich im Moment einen guten Kontakt zu meinem Kind? Spüre ich, was mein Kind bewegt? Höre ich ihm aufmerksam zu? Sehe ich mein Kind und mich inmitten des Alltagsstresses? Diese Fragen helfen uns, unsere Kinder besser zu verstehen.
Im Stress des Alltagslebens können wir den engen Kontakt zu unseren Kindern leicht verlieren. Nicht weil wir das möchten, sondern weil wir den Kontakt zu uns selbst verlieren. Wenn wir uns bemühen, alle Fäden in der Hand zu behalten, schwirren unsere Gedanken gezwungenermaßen überallhin, sodass wir abwesend, unaufmerksam oder kurz angebunden wirken. Unsere Kinder reagieren auf diesen Eindruck und die Signale, die sie empfangen. Sie reagieren auf unsere Abwesenheit - und auf unsere Anwesenheit.
Der Kontakt zu uns selbst ist demnach der Ausgangspunkt für den Kontakt zu den Kindern - weswegen dieser Punkt auch einer der wichtigsten ist, die wir in unserem Buch vermitteln möchten. Wenn wir uns selbst nicht spüren, ist es schwer, wirklich präsent zu sein und ein Gefühl dafür zu haben, was unsere Kinder brauchen. Eine enge Beziehung zwischen Kindern und Eltern ist ganz entscheidend.
In einer guten, engen Beziehung geht es um die Energie, den Raum, der zwischen uns entsteht. Es geht darum, ob sich dieser Raum angenehm anfühlt und Geborgenheit vermittelt. Ist es ein Raum, in dem wir ganz präsent sind, wenn wir zusammen sind, und in dem wir uns frei und konstruktiv austauschen können? Wir können diesen Raum nur dann erschaffen, wenn wir als Eltern unsere eigenen Sorgen, Frustrationen, Erwartungen oder Enttäuschungen (alles, was wir oft unbewusst mit uns mitschleppen) eine Weile vernachlässigen können.
Wenn uns das gelingt, begegnen wir unseren Kindern mit offenen Herzen und Ohren und sehen den kleinen Menschen vor uns vielleicht sogar mit ganz neuen Augen. In einer solchen Atmosphäre fühlen sich unsere Kinder gesehen, gehört und völlig anerkannt, und hier blüht die enge Beziehung zueinander auf.
Tiefgehende Beziehungen sind entscheidend. Eine Studie der amerikanischen Harvard University hat gezeigt, dass tiefe und befriedigende Beziehungen glücklichere und gesündere Menschen aus uns machen.2 Wenn wir Menschen um uns haben, denen wir vertrauen und bei denen wir uns geborgen fühlen, reagiert unser Nervensystem mit Entspannung. Es hilft unserem Gehirn, aktiv zu bleiben und emotionalen wie körperlichen Schmerz zu reduzieren. Mehrere Studien belegen außerdem, dass oberflächliche Beziehungen an unseren Energiereserven zehren und eine direkte Ursache für den hohen Stresslevel sind, unter dem viele Kinder und Jugendliche heute leiden. Unsere Kinder wachsen mit den unendlichen Möglichkeiten des Internets auf, darunter auch der Gelegenheit, mit allen möglichen Menschen von nah und fern zu kommunizieren. Freundschaften sind in vielen Fällen rein virtuell. Früher war das anders. Heute versteht man unter der Gemeinschaft mit anderen oft nur schnelle Schnappschüsse und Bekanntschaften, die kommen und gehen.
All die Geschichten, Episoden, Erlebnisse, spaßigen Momente, Erfahrungen, Kontroversen und Vergleiche, die früher eine gute Freundschaft ausmachten, sind heute weniger präsent. Die »harte« Arbeit wird übersprungen, und die ganz wesentliche Resonanz, die sich im direkten, physischen Kontakt ergibt, wenn wir uns in einer Gemeinschaft entspannen, ist nicht mehr so stark und wertvoll wie früher. Die physische Abwesenheit führt oft zu einer starken Einsamkeit - unter Erwachsenen, aber vor allem auch unter Kindern und Jugendlichen. Die Wirklichkeit kann sich leer und gleichgültig anfühlen. Der unverbindliche Kontakt, mit dem viele unserer Kinder heute leben, verhindert, dass sie sich den Menschen in ihrem Umfeld eng verbunden fühlen - und so bleiben sie sich auch selbst fremd.
Ihre Beziehung zu uns Eltern ist umso wichtiger in einer Zeit, in der die Freunde mehr oder weniger abwesend sind, häufig soziale Medien genutzt werden und die Gesellschaft sich im Aufbruch befindet und viele Ansprüche stellt.
In einer neueren Untersuchung aus England nehmen wir Dänen, was die Zeit angeht, die wir mit unseren Kindern verbringen, den ersten Platz ein.3 Das können viele von unseren Landsleuten sicher bestätigen. Doch Zeit miteinander zu verbringen bedeutet nicht automatisch, dass die Atmosphäre stimmt und dass das Beisammensein auch bewusst stattfindet und befriedigend ist. Die schlichte körperliche Anwesenheit wird manchmal mit echtem Zusammensein verwechselt.
Wir sitzen alle um den Esstisch herum, ohne wirklich anwesend zu sein. Wir räumen auf, bereiten Pausenbrote zu, holen und bringen Sachen, kümmern uns um die Logistik und das Essen auf dem Tisch - ohne wirklich da zu sein.
Der tiefgehende Kontakt, der der Präsenz zugrunde liegt, ist auch einer der Dreh- und Angelpunkte dieses Buches. Und diese Präsenz entspringt einem verstärkten Bewusstsein. Ein Bewusstsein von uns selbst als Eltern und Menschen und ein Bewusstsein von dem Teil des Elternseins, der eigentlich unbewusst abläuft.
Viele Jahre hat man sich vor allem auf äußere Faktoren konzentriert - in Bezug auf unsere Kinder, aber auch in Bezug auf uns selbst -, und das entfernt uns von uns selbst und voneinander. Es gibt so viele Anforderungen, alles soll gemessen und gewogen werden, wir sollen leisten und effektiv sein, was bedeutet, dass wir Seiten von uns selbst vergessen, das Unmögliche anstreben und gelernt haben, immer schneller und...
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