Bombay. - Der »Poseidon« hat vor dem Apollo Bunder Anker geworfen, von Passagieren und Officieren wird herzlicher Abschied genommen, auch von dem eben erscheinenden Oberst Mackenzie (Bruder des Leiters der East African Co.); - ein dicker Parsee, dem ich ein Trinkgeld geben will, der aber, wie ich höre, der Besitzer von 4Lacs (400.000 Rupien) sein soll, bringt unser Gepäck in Ordnung, und endlich um 7Uhr dampfen Biegeleben, Sapieha, Coudenhove und ich in der Barkasse der Lloyd-Agentie ans Land und sind bald darauf in dem riesigen, aber im Umbau begriffenen Watson's Esplanade Hôtel einquartiert. Nun beginnt ein harter Tag. Sapieha und ich stürzen uns sofort in die verschiedensten Läden; es ist keine Zeit zu verlieren, da wir in drei Tagen mit der »Thisbe« weiter fahren sollen; also zuerst zu Asquith&Lord um Solar Topees, grosse Sonnenhüte mit blauen golddurchwirkten Puggarees, um seidene Hemden und Cravatten, zu Treacher&Co. im Rampart Row um Patronen, zu Badham Pile um weisse Leinenschuhe, zum Hinduschneider Lacka in Medow Street um drapfarbige Kháki-Anzüge und Pujamees, zum Zahnarzt Walton und zum Haarschneider u.s.w. Im öst.-ung. Generalconsulat treffen wir den charmanten Stockinger und dessen Viceconsul Prumler, sowie zwei tagsvorher angekommene Landsleute, Grafen Géza Széchényi und Grafen Ernst Hoyos, beide von ihrer amerikanischen Reise aus mir wohlbekannt, - sie kommen zur Tigerjagd und sind mit über 70 Empfehlungsbriefen ausgerüstet, darunter vom deutschen Kaiser, der Königin Victoria u.s.w. Nach dem Tiffin fahre ich mit Biegeleben nach dem wundervoll gelegenen Malabar Point, um beim Gouverneur Lord Reay Karten abzugeben, und dann zum monumentalen Victoria-Terminus, wohl dem schönsten Bahnhofe der Welt, eher einer gothischen Kathedrale gleich, um die Ankunft des aus Indien scheidenden Lord Dufferin mitzumachen. Tausende von Zuschauern, alle Farben in Costümen und Haut, weisse, schwarze, gelbe, braune, röthliche Gesichter, Parsees mit ihren schwarzen Schornsteinhüten, Guzeratees, Bengalees in weissen enganliegenden Mousselinkleidern, Punjabees in Blau und Gold, Afridis in Braun, kurz der Regenbogen in allen Schattirungen, wie Mantegazza sagt: »eine Orgie von Menschenfleisch«. - Vicekönig und Gouverneur rollen in sechsspännigen Wagen vorbei, von prächtigen roth und goldenen Lanzenreitern umgeben, dahinter Punjabees in Roth, Nachkommen der Sikhs, und Ghoorkas zu Fuss in braunen Uniformen und riesigen Turbans, gedrungene kräftige Gestalten von ausgeprägt mongolischem Typus. - Der erste Eindruck Indiens ist überwältigend, viel mehr so als Egypten, da hier die tropische Vegetation beiträgt, die riesigen Banianen, Ficus religiosa, die Cocospalmen, die Toddypalmen, die Arecapalmen, die prachtvollen rothen Blumen, grüne Papageien, welche die Rolle der Spatzen zu übernehmen scheinen, die Flederfüchse, die von den Aesten herabhängen. - Abends Diner im Royal Yachtclub mit Biegeleben, Hoyos und Széchényi und dann mit ersterem zum Theater, wo eine Amateurtruppe zu wohlthätigem Zwecke die »School for Scandal« aufführt. Vicekönig und Marchioness of Dufferin, Maharajas mit Diamanten und anderen Edelsteinen besäet, Reays, enfin »tout Bombay«. - Um 12Uhr Rückkehr zu Watsons, - ein schöner Arbeitstag! Noch viele solche und ich gleite ins »kühle Grab«, wohl der einzige Ort, der hier kühl ist.
13. December.
Inhaltsverzeichnis Um 11Uhr versammeln wir uns am Apollo Bunder und fahren in der Lloydbarkasse nach Elefanta, einer kleinen, nordöstlich von Bombay gelegenen Insel mit merkwürdigen Höhlenbildwerken. - Biegeleben, Sapieha, die Possmann's, Vivian's, Exner, Walther und noch einige unserer reichsdeutschen Mitpassagiere landen unter Anführung des »Secondo« bei sengender Gluthitze gegen 1Uhr am kleinen Eilande, wobei von Stein zu Stein eines langen Piers gesprungen werden muss, dann grosse Kletterei! In den Tropen ist die Rolle eines Bergsteigers entschieden ungemüthlich, und besonders faule Leute, darunter ich, lassen sich in von nackten Buben getragenen »Dandys« den Hügel hinaufführen. Oben Besichtigung und Bewunderung der riesigen Reliefs (vide aller über Indien je erschienenen Reisebeschreibungen). - Tiffin im Schatten eines gigantischen Banianbaumes und dann, ohne die kleinste Cobra gesehen zu haben, Rückfahrt zum Apollo Bunder. Abends ½8Uhr Diner bei Stockingers auf Malabar Ridge in einem schönen Bungalow mit prachtvoller Aussicht auf die Stadt. Mm.S. ist eine charmante, sehr hübsche Engländerin, die mit einer Gesellschafterin uns sowie Prumler und Pertile aufs Liebenswürdigste die Honneurs machte. Die Rückfahrt um die Back-Bay, wohl 5Meilen bei kühler, wirklich balsamischer Luft unter dem tropischen Sternenhimmel war ein Genuss!
Trimurti - Elephanta
14. December.
Inhaltsverzeichnis Besichtigung der hauptsächlichsten »Löwen«, erstes Frühstück bei Stockinger und dann unter seiner Leitung zum heiligen Bramanendorfe Valkeshwar mit seinem berühmten Teich, zu den »Thürmen des Schweigens«, der Begräbnissstätte der Parsees, zum Hindu-Verbrennungsort auf Malabar Road, - nachmittags zum Victoriapark und dem interessanten Museum. Vom Yachtclub aus wohnen der Gesandte und ich der Abreise des Marquess of Dufferin bei; am Apollo Bunder ist ein rothes, mit Gold verziertes Zelt errichtet, alle Notabilitäten, Natives in grosser Gala und Civilbeamten und Militärs in Uniform, sind versammelt - Reden und Kanonensalute, auch seitens eines im Hafen liegenden russischen Kriegsschiffes. Abends Expedition mit Coudenhove und Sapieha zu den »Hind-Bibis« in Byculla; - einige der kleinen Hindumädchen sind hübsch und wie aus Bronze gegossen, besonders eine Namens Jumna, welche sofort das Herz des leicht entflammbaren Coudenhove gewann; so ziehen wir von Haus zu Haus, suchen vergebens eine »Nautch« (Bajaderentanz) zu arrangieren und hören blos ohrenzerreissende Musik. - Die »Thisbe« ist beschädigt, ihr Schaft soll gebrochen sein, wir reisen daher erst Dienstag den 18. mit unserem alten Schiffe »Poseidon« weiter.
Mit Sapieha zu dem Victoria Market, wo die merkwürdigsten Fische, Pflanzen und Früchte feilgeboten werden. Uns sind so ziemlich alle unbekannt, - dann grosse Bummelei in den Bazars, im sogenannten Black Town. Bei Vuccino lassen Biegeleben, Sapieha und ich uns photographiren, - bei der herrschenden Wintertemperatur eine Höllenarbeit, - der Compagnon Vuccino's hat Sapieha schon in Krakau photographirt; merkwürdiges Zusammentreffen! Nachmittags mit dem Chef nach Byculla zum Race-Course, wo Stockingers in einem sehr feschen Four-in-hand ankommen. - Die Rennen selbst sind schwach, aber das Publicum, besonders das ganz abgesonderte einheimische Element, ist amusant; bei den Rennen, an welchen Natives gehörige Pferde theilnehmen, sind keine englischen Pferde zu sehen. Abends wieder im Yachtclub, der sehr hübsch eingerichtet, grosse kühle Halle und angenehme Veranda mit Blick auf den Hafen hat. - Das Hôtel ist zwar billig, aber schlecht, die Bedienung unter aller Kritik, man soll schon in Indien immer seinen privaten »Servant« haben, der auch bei Tisch bedienen muss.
TURM DES SCHWEIGENS
NAUTSCH GIRL
16. December.
Inhaltsverzeichnis Tiffin bei Stockinger auf Malabar Ridge, - die Fahrt dorthin zur Mittagszeit, unter der Mittagssonne, wobei wir statt in den geschlossenen Gharies in meinem grossen offenen Miethslandauer sitzen, dürfte wohl an Hitze absolut nichts zu wünschen übrig lassen. - Nach dem Frühstück, an welchem auch Széchényi und Hoyos theilnehmen, erscheinen auf der Veranda viele Händler mit Waffen, Stickereien, Elfenbeinminiaturen aus Delhi, Silberschmuck u.s.w., wofür horrende Preise verlangt werden. Im Auftrage des Gesandten stelle ich der gleichfalls hier anwesenden Frau Marie von Amerling ein Vorschreiben für die Consulate in China und Japan aus. - Abends bei Watsons macht der Gesandte mir Vorwürfe, dass wir bei dem doch so langen Aufenthalte von der Umgebung Bombays ausser Elefanta nichts gesehen; ich proponire sofort einen Ausflug nach den Carli Caves, wir werfen schnell den Frack ab, ziehen leinene Anzüge, Reitstiefeln etc. an, und um 11Uhr nachts rollen Biegeleben, Sapieha und ich den »Ghats«, dem hohen Küstengebirge zu. - Vorher Abschied von Coudenhove, der morgen nach Mysore, und von Exner und Walther, die nach Jeypore reisen.
CARLI CAVE
17. December.
Inhaltsverzeichnis In unserem bequemen Coupé konnten wir bis ½5Uhr morgens die 78Meilen ruhig verschlafen, d.h. die Anderen konnten es, ich dagegen musste fortwährend auslugen, um die Station Khamballa nicht zu übersehen. Dort angelangt, werfen wir schnell unser spärliches Gepäck einigen Coolies zu und marschieren in der finsteren Nacht zu dem eine Meile entfernten Dack Bungalow, - prachtvolle kühle, würzige Gebirgsluft, wie wir schon lange keine eingeathmet. - Das Bungalow ist offen, aber leer, in einem Zimmer brennt eine Lampe, wir dringen hinein, legen uns auf die zwei Betten und einen Lehnstuhl und setzen schleunigst den unterbrochenen Schlaf fort. - Um 7Uhr weckt uns der portugiesische Khitmatgar, bestellt Pferde, servirt uns ein copioses Frühstück, und um 8Uhr traben wir schon lustig auf netten kleinen Ponnies den Carli Caves zu - 7Meilen - d.h. 5Meilen auf der Heerstrasse, dann noch zwei über Felder und dann etwa ½Stunde Fusskletterei. Der grossartige...