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Die Dichterin Ingeborg Bachmann formuliert in einer ihrer «Frankfurter Poetik-Vorlesungen» in feinfühliger Art das Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit, das zugleich auch das Verhältnis zwischen Sprache und Erkenntnis kennzeichnet: «Mit einer neuen Sprache wird der Wirklichkeit immer dort begegnet, wo ein moralischer, erkenntnishafter Ruck geschieht, und nicht, wo man versucht, die Sprache an sich neu zu machen, als könnte die Sprache selber die Erkenntnis eintreiben und die Erfahrung kundtun, die man nie gehabt hat. Wo nur mit ihr hantiert wird, damit sie sich neuartig anfühlt, rächt sie sich bald und entlarvt die Absicht. Eine neue Sprache muss eine neue Gangart haben, und diese Gangart hat sie nur, wenn ein neuer Geist sie bewohnt.»28
Rudolf Steiner hat schon um 1920 darauf hingewiesen, wie die Sprache heutzutage oft in einer Art benutzt werde, dass sich «Theorien» - die Erkenntnisse durch die Sprache - durch einen gewissen Sprachgebrauch wie von selbst ergäben: «Aber damit, dass die Sprache - jede heutige zivilisierte Sprache - allmählich Satzformen, Sentenzen, ja ganze Theorien, die schon in der Sprache liegen, ausgebildet hat, braucht man nur das, was in der Sprache liegt, ein bisschen umzuändern, dann hat man etwas scheinbar von sich aus Geschaffenes, in Wirklichkeit hat man im Grunde genommen nur ein wenig durcheinandergewürfelt, was schon da war.»29
Ingeborg Bachmann und Rudolf Steiner sprechen vom selben Phänomen: Durch die Zivilisationsgeschichte, durch den inflationären Sprachgebrauch in den letzten 150 Jahren und durch die zunehmende Konzentration auf die physisch-materielle Welt haben sich um die einzelnen Wörter der Sprache feste Bedeutungshöfe gelagert, die einerseits bestimmte Wortverbindungen nicht nur nahelegen, sondern sie quasi von selber entstehen lassen, und die andrerseits zunehmend verunmöglichen, zum intimsten Gehalt der Worte, zu ihrer Quelle, zur ursprünglichen Wort- und Sinngebärde durchzudringen.
Wie im Märchen von Dornröschen ist um das Wort - die schlafende Prinzessin - eine undurchdringliche Dornenhecke gewachsen, deren einzelne Zweige sich fest miteinander verschlungen haben und das Durchkommen zu der in der Mitte ruhenden Schönen fast verunmöglichen. Wenn man mit der Sprache - um mit Bachmann zu sprechen - nur «hantiert», wird man in den Dornen steckenbleiben: man wird ein Gefangener der Hecken um das Wort herum. Aber dort, wo ein «moralischer, erkenntnishafter Ruck» geschieht, da wird auch eine neue Sprache entstehen. Die Dornenhecke der Sprache weicht zwar nicht ganz so leicht zurück wie die vor dem Prinzen im Märchen, aber wer Mühe und Kratzer nicht scheut, wird die Prinzessin «Sprache» erwecken können. Und für jeden «Prinzen», für jeden Worterwecker, wird sie anders ausschauen, wird sie ein neues Antlitz zeigen.
Versetzt man sich nun in die Lage Rudolf Steiners bei der Begründung der Anthroposophie, so kann man sich leicht ausmalen, in welch schwieriger Situation in Bezug auf eine angemessene Darstellung geistiger Inhalte er sich befand. In einer Zeit, als Schriftsteller und Dichter erstmals von einer «Sprachkrise» redeten, da sie die Sprache «schlaff und durch allzu großen Verbrauch wertlos geworden»30 empfanden, in einer ersten allgemeingesellschaftlichen Hochblüte des Materialismus, sollte er den Menschen von der geistigen Welt reden, von einer im Vergleich zu der vertrauten sinnlichen Welt des Alltags so ganz anders gearteten Sphäre. Und er konnte sich nur der Sprache bedienen, die er vorfand - mit allen Einschränkungen und Schwierigkeiten, die ihm dadurch auferlegt waren.
Oft äußerte sich Rudolf Steiner über diese Sprach- und Mitteilungsprobleme. Insbesondere in seinen Grundwerken, die er ja bewusst in die volle Öffentlichkeit stellte, kommt er darauf zu sprechen. So heißt es in der Geheimwissenschaft im Umriss: «Doch fühlbar wurde dem Verfasser an zahlreichen Stellen, wie spröde sich die Mittel der ihm zugänglichen Darstellung erweisen gegenüber dem, was die übersinnliche Forschung zeigt. [.] Doch weichen die Erlebnisse in Bezug auf solche Dinge so sehr von allen Erlebnissen auf dem Sinnesgebiete ab, dass die Darstellung ein fortwährendes Ringen nach einem nur einigermaßen genügend scheinenden Ausdruck notwendig macht. Wer auf den hier gemachten Versuch der Darstellung einzugehen willens ist, wird vielleicht bemerken, dass manches, was dem trockenen Worte zu sagen unmöglich ist, durch die Art der Schilderung erstrebt wird.»31 - «Man muss zur Bezeichnung der höheren Dinge des Daseins eben doch die Worte der gewöhnlichen Sprache gebrauchen. Und diese drücken ja für die Sinnesbeobachtung nur das Sinnliche aus.»32 An anderer Stelle schreibt er: «Die Worte unserer Sprache rufen nur zu leicht sogleich Vorstellungen hervor, die dem Leben der Gegenwart entnommen sind. [.] unsere Sprache ist auf die Sinneswelt berechnet. Und was man mit ihr bezeichnet, erhält sogleich den Charakter dieser Sinnenwelt.»33
Vor welche Schwierigkeiten sich demnach derjenige gestellt sieht, der von dem «innerliche[n] Erleben einer geistigen Wirklichkeit»34 Mitteilung machen will, beschreibt Rudolf Steiner in seinem Aufsatz «Sprache und Sprachgeist» ausführlich: «Will er nun doch von seinen Schauungen Mitteilungen machen, so beginnt sein Kampf mit der Sprache. Er sucht alles Mögliche innerhalb des Sprachlichen zu verwenden, um ein Bild dessen zu gestalten, was er schaut. Von Lautanklängen bis zu Satzwendungen sucht er überall im Bereich des Sprachlichen.» Wenn man sich auf diese Art redlich bemüht, «kann der Kampf den besten, den schönsten Ausgang nehmen. Es kommt ein Augenblick, wo man fühlt: der Sprachgeist nimmt das Geschaute auf. Die Worte und Wendungen, auf die man kommt, nehmen selbst etwas Geistiges an; sie hören auf, zu , was sie gewöhnlich bedeuten, und schlüpfen in das Geschaute hinein. - Da tritt etwas ein wie ein lebendiger Verkehr mit dem Sprachgeiste. Es nimmt die Sprache einen persönlichen Charakter an; man setzt sich mit ihr auseinander wie mit einem andern Menschen.»35
In dieser Beschreibung wird deutlich, dass der Geistesforscher ein anderes Verhältnis zur Sprache einnehmen muss als das allgemein übliche, auf den bloßen Inhalt gehende. Er muss das reine «Bedeutungselement» der Sprache, die mit den Wörtern fest verbundenen Vorstellungen, überwinden: «Der Seher denkt wortlos und ist dann genötigt, das, was wortlos ist im Erleben, in die schon festgestaltete Sprache hineinzugießen. [.] Er kann sich verständigen dadurch, dass er das Vorstellungsmäßige der Sprache abstreift. Daher ist es so bedeutungsvoll, dass man begreift, es ist wichtiger, wie der Seher es sagt, als was er sagt.»36
Man könnte viele Stellen anführen, wo Rudolf Steiner auf dieses zentrale Stilprinzip zu sprechen kommt: Dass das Wie der Sprache des Geistesforschers wichtiger sei als das Was, der bloße Inhalt. Das Wie der Sprache - das ist die ganze Art der Gestaltung: Lautklänge, Rhythmen, Bilder, Syntax, Komposition und anderes mehr.37
Was aber verlangt diese andere Gestaltung der Sprache dem Leser ab Auf was muss er sich beim Lesen einstellen?
Rudolf Steiner betont öfters, dass eine bestimmte innere Haltung gefordert ist, wenn man übersinnliche Erkenntnisse aufnehmen will: «Etwas Geisteswissenschaftliches vorbringen heißt, den Menschen einladen, seelisch mitzuarbeiten. Das wollen die Menschen heute nicht. Alle Geisteswissenschaft muss zu einer solchen inneren Aktivität einladen, das heißt, sie muss alle Betrachtungen bis zu dem Punkte hinführen, wo man keine Anhaltspunkte mehr hat an dem äußerlich-sinnlichen Anschauen und sich das innere Kräftespiel frei bewegen muss.»38 Und schon sehr früh, 1907, stellt er fest: «Man kann nicht ein geisteswissenschaftliches Buch lesen, wie man andere Bücher liest. Es muss so geschrieben sein, dass es die Eigentätigkeit hervorruft. Je mehr man sich selbst abplagen muss, je mehr zwischen den Zeilen steht, desto gesünder ist es.»39
So war Rudolf Steiner also durch die besondere Art dessen, was er schildern wollte - Charakter und Tatsachen der geistigen Wirklichkeit -, dazu angehalten, anders mit der Sprache umzugehen als allgemein üblich. Doch musste er dabei auch noch etwas anderes berücksichtigen: Es galt solche Wege der Darstellung zu finden, dass nichts von dem Mitgeteilten suggestiv wirken, nichts die Freiheitssphäre des Lesers (respektive Hörers) beeinträchtigen konnte. Er wollte «Tatsachen vorbringen», Tatsachen der sinnlichen, der historischen und der übersinnlichen Welt, aber die Darstellung dieser Tatsachen so einrichten, «dass auf Grundlage dieser...
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