Schweitzer Fachinformationen
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Was bewegt eigentlich die Kurse? Ehe Sie sich mit der Welt der Börse auseinandersetzen, möchte ich Sie davon überzeugen, dass das Börsengeschehen eine zutiefst irrationale Veranstaltung ist. Denn Kurse werden von Menschen gemacht - und der Mensch ist und bleibt ein irrationales Wesen.
Daher an dieser Stelle mein Warnhinweis: Versuchen Sie wirklich niemals, die Börse zu verstehen. Es führt zu nichts, verstehen zu wollen, warum denn nun der eine oder andere Wert zu fallen oder zu steigen anfängt. Ebenso gut könnten Sie fragen, was zuerst da war - das Ei oder die Henne? Bezogen auf den »Marktplatz Börse« könnten Sie auch fragen, was war zuerst da - die guten Meldungen oder die steigenden Kurse? Manchmal weiß man als Marktbeobachter nicht so recht, ob nun Kurse Meldungen machen oder umgekehrt. Erklärungen über steigende oder fallende Kurse gibt es jedoch immer - doch nichts anderes auf der Welt als das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage bestimmt den Preis einer Aktie, eines Rohstoffes oder anderer Börsen-Instrumente.
Beachten Sie bitte Folgendes: Menschen handeln nicht die Aktie (einen Index, Rohstoff oder ein Währungspaar et cetera) allein als rationalen Wert an sich. Die Aktie symbolisiert vielmehr eine Idee, ein Bild, eine Erwartung. Menschen handeln Erwartungen an der Börse. Erwartungen über Gewinnaussichten und die Wettbewerbssituation eines Unternehmens, über Reichtum und Wohlstand, die eine Aktie unter Umständen dem Anleger bringen kann. An der Börse wird Zukunft gehandelt.
Werden Erwartungen enttäuscht, wird verkauft. Fallende Kurse wiederum enttäuschen, es wird weiter verkauft. Wird die Masse der Anleger enttäuscht, so wird eine um sich greifende Verkaufsneigung der meisten Marktteilnehmer so lange zu stets fallenden Kursen führen, bis sich die ersten potenziellen Käufer verwundert die Augen reiben, ob der scheinbar günstigen Kurse - und zu kaufen anfangen. Die Frage bleibt natürlich, was ist »günstig«?
Werden dagegen positive Erwartungen geschürt (durch Medien, Gurus, Unternehmensmeldungen, Bilanzen et cetera) und auch bestätigt, so wird die Masse der Anleger kaufen. Steigende Kurse wecken die Begehrlichkeit, die Gier anderer potenzieller Käufer. Solange genügend neue Käufer auftreten und nur eine geringe Anzahl von Verkäufern dagegenhält, werden die Kurse anziehen. Es entsteht so eine lang anhaltende »Kaufneigung«, bis sich keine neuen Käufer mehr finden und sich die Masse der Aktionäre fragt, ob denn die Kurse in den Himmel schießen können. Allgemein wird diese Frage verneint.
Nach der Kaufneigung und Euphorie, die immer mehr um sich greift, tritt nun Ernüchterung und damit eine vermehrte Verkaufsneigung ein. Die Kurse beginnen zu fallen.
Die in Abbildung 1 dargestellte Zyklik der Kauf- und Verkaufsneigung einer Masse von Marktteilnehmern resultiert letztlich aus angeborenen Verhaltensmustern des Menschen. Diese haben sich seit Adam und Eva nicht geändert. Gier, Euphorie, Angst und Panik - diese kräftigen und starken Gefühle werden den Menschen stets begleiten - und auch zu Massenphänomenen führen, welche verantwortlich sind für Börsenhaussen, Crashs, Über- und Untertreibungen auf dem Börsenparkett. Schematisch lassen sich die Phasen, die die Masse der Anleger und insbesondere der Kleinanleger an der Börse durchlaufen, in mehrere Grundstimmungen einteilen.
Der Beginn eines typischen Börsenzyklus ist die Zeit des größten Pessimismus, die Depression der Masse. Nach anfänglichen Kurssteigerungen beginnt sich ein zaghafter Optimismus durchzusetzen, der am Hochpunkt des Börsenzyklus in schiere Euphorie umschlägt. Nach dieser Zeit des größten Optimismus setzt Ernüchterung ein, gefolgt von Angst und Panik in einem anschließenden Abwärtstrend. Darauf folgt wieder die große Depression - das Spiel kann wieder von neuem beginnen. Angemerkt sei jedoch, dass es zwar bezogen auf die Gesamtmärkte immer wieder zu neuerlichen Anstiegen kommen wird, doch dies nicht unbedingt für Einzelaktien oder ganze Branchen gelten muss. Nachdem eine Börsenblase (Euphorie) geplatzt ist, kann dies auch das endgültige Aus für die eine Aktie, eine gesamte Branche oder auch für ein ganzes Land bedeuten.
Abbildung 1: Idealisierter Börsen-Zyklus - Stimmung der Kleinanleger
So benötigte beispielsweise der japanische Aktienmarkt einige Jahre, um sich von der exorbitanten Spekulationsblase Ende der 80er-Jahre zu erholen - die im Zuge einer gigantischen Euphorie unter anderem der japanischen Kleinanleger entstand. So fiel der Index von seinem Allzeithoch vom 29. Dezember 1989 bei 38.957,44 Punkten im Zuge des Platzens der Aktien- und Immobilienblase in Japan bis zum 3. Juli 1995 auf 14.485,41 Punkte. Und selbst mit einer kräftigen Erholung von 2012 bis 2018 konnte der Nikkei 225 sein Allzeithoch bislang nicht mehr erreichen (Abbildung 2).
Im oben dargestellten Abschnitt wurde verdeutlicht, wie und warum sich Kurse bewegen. Kauf- und Verkaufsneigung bewegen die Kurse. Die entscheidende Frage an der Börse lautet: Welche Neigung überwiegt im aktuellen Zeitpunkt und welche Neigung setzt sich fort? Können Sie dank Ihrer Analysemethoden diese Frage beantworten, sind Sie der Börse einen Schritt voraus. In diesem Fall sind Sie auch dagegen gefeit, ins »fallende Messer« zu greifen (also bei stark fallenden Kursen zu kaufen) oder zu früh aus einer bestehenden Kaufneigung auszusteigen. Die in diesem Buch vorgestellten Methoden sollten Sie nach ein wenig Übung dazu befähigen, Kauf- und Verkaufsneigungen im Markt festzustellen. Kauf- und Verkaufssignale können Sie dann ableiten, indem Sie entweder eine Stimmungsänderung oder eine Fortsetzung der vorherrschenden Stimmung feststellen.
Abbildung 2: Nikkei 225 von 1984 bis 2019 - Der japanische Aktienmarkt erlebte in den 80er-Jahren eine beispiellose Hausse. Das Allzeithoch ist seit dem Platzen dieser Blase bislang nicht mehr erreicht worden - chart provided by Metastock
Das Spiel von Angebot und Nachfrage, die Zukunftserwartungen in Verbindung mit den Emotionen der Anleger prägen letztlich das Börsengeschehen. Diese stets wiederkehrenden Verhaltensmuster oder auch typische massenpsychologische Börsenphänomene sind die Ursachen für zahlreiche Börsencrashs in der Geschichte. Exemplarisch sei Ihnen dies an einigen historischen Beispielen dargestellt.
Der erste dokumentierte »Börsencrash« in der Geschichte war die Spekulation mit Tulpenzwiebeln Anfang des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden. Die Tulpenzwiebel kam Mitte des 16. Jahrhunderts als Luxusgut aus der Türkei nach Holland. Sie avancierte schnell zu einem Statussymbol der reichen Kaufleute. Kleinere kostbare Tulpenbeete wurden angelegt und bezeugten den Wohlstand der oberen Kaufmannsschicht. Davon ausgehend entwickelte sich Anfang des 17. Jahrhunderts vor allem in Amsterdam ein Handel mit den noch seltenen und kostbaren Tulpenzwiebeln. Eine spekulative Begeisterung und ständig steigende Nachfrage nach den Tulpenzwiebeln sowohl als Statussymbol wie auch als Spekulationsobjekt trieben die Preise bis ins Jahr 1637 in exorbitante Höhen. Eine einzige Tulpenzwiebel der seltenen Sorte Semper Augustus wurde zum Preis von 4.600 Gulden nebst Pferdegespann, Zaumzeug und Geschirr gehandelt. Zum Vergleich: Ein Mastochse kostete damals 120 Gulden.
Über die Anfänge und den Anstieg, aber auch das Ende der Spekulation werden heute unter Historikern verschiedene Gründe diskutiert. So wird auch der Einfluss der Beulenpest genannt. Deren Folge sollen vermehrte Erbschaften und eine gestiegene Risikoneigung gewesen sein. Letztlich festzustellen ist, Tulpenzwiebeln entwickelten sich ab circa 1634 zum Spekulationsobjekt. Auf diese wurden auch Optionen verkauft und Leerverkäufe getätigt. Die stetig steigenden Preise und die Erzählungen von »über Nacht« reich gewordenen Händlern zogen immer mehr Spekulanten an. Einer Stagnation und rückläufigen Preisen Ende 1636 folgte jedoch der Zusammenbruch Anfang 1637. Die Nachfrage nach Tulpenzwiebeln brach ein. Die Hysterie der daran beteiligten Spekulanten und Kaufleute fand ein jähes Ende.
Ein weiteres historisches Beispiel für einen Börsenkrach ist die Südsee-Seifenblase zu Beginn des 18. Jahrhunderts (1720) in London: Die Südsee-Gesellschaft wurde vom Grafen von Oxford 1711 gegründet und von einigen Kaufleuten finanziert. Zweck der Gesellschaft war der Handel mit Lateinamerika. Durch die Übernahme von fast 10 Millionen Pfund der britischen Staatsverschuldung wurde das Monopol auf den gesamten Handel mit Lateinamerika erkauft. Dieses Monopol hatte jedoch seine...
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