Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Sie schnauft bei jeder Treppenstufe, bricht bei der kleinsten Anstrengung in Schweiß aus und wird beim Radfahren von Rentnern überholt. Sie hat Angst vor Spinnen, Hunden, Gewitter, tiefen Seen, steilen Höhen und sie ist nachtblind. Außerdem hasst sie Berge. Nur Cola und Kaktus-Eis können sie beim Aufstieg besänftigen.
Trotzdem geht Rebecca Maria Salentin eines Tages einfach los, bepackt mit Rucksack, Zelt und Kocher, um 2 700 Kilometer weit zu laufen. Auf dem Internationalen Bergwanderweg EB von Eisenach nach Budapest (auch: "Weg der Freundschaft") erobert sie sich den Boden unter den Füßen zurück, nachdem sie im Jahr zuvor fast alles verlor.
Was blieb: ihre Freunde und Freundinnen. Zusammen bilden sie den Klub Drushba. Denn "Drushba" heißt Freundschaft.
"Man möchte gar nicht aufhören zu lesen, weil immer schon wieder eine neue Ungewissheit lauert. [...] Ein Buch, das ganz gewiss nicht nur [...] Freunde des 'Wegs der Freundschaft' mit Begeisterung lesen werden. Sondern auch alle, die eigentlich ahnen, dass man einmal im Leben so aufbrechen muss und einfach darauf vertrauen muss, dass einen sein Körper tatsächlich da hinbringt, wo man hin will."Ralf Julke, Leipziger Internet Zeitung
"Rebecca Salentin findet mit leichtem Ton die Balance zwischen Historie und Humor, Schwere und Schweben. Sie erfährt: Ein Tritt in den Hintern ist auch ein Schritt nach vorn."Dr. Torsten Unger, MDR Thüringen
"Sowas Witziges, Herzerwärmendes, Ermutigendes, man möchte sich das nach dem Lesen nicht ins Bücherregal stellen, sondern in den Lebensrucksack packen, in den nur die wirklich essentiellen Dinge reinkommen."Alex Rühle, Süddeutsche Zeitung
"Rebecca Salentin zeigt auf wunderbare Weise, dass Weitwandern so viel mehr sein kann als "einfach nur" eine lange Wanderung. Und dass man für diese Erfahrung nicht viel, sondern vor allem eines braucht: den Willen, den ersten Schritt zu machen."Kathrin Heckmann, Fräulein Draußen
"Endlich ein Buch über einen der spannendsten und zugleich unbekanntesten Weitwanderwege Europas! Rebecca Salentin erzählt darin nicht nur eloquent von der Natur, Kultur und Geschichte entlang des Weges, sondern auch von der Veränderung der eigenen Werte und Einstellungen: Ein realistischer Bericht über Lust und Frust des Langstreckenwanderns."Christine Thürmer, Autorin des Bestsellers "Laufen. Essen. Schlafen"
"Von einer, die auszog, das Fürchten zu verlernen. Ehrlich, sympathisch und hochgradig amüsant - am Ende hätte ich am liebsten sofort selbst den Rucksack gepackt!"Erik Lorenz, "weltwach"-Podcast
Rebecca Maria Salentin (*1979) lebt als Autorin in Leipzig. Sie ist Initiatorin und Moderatorin der Literaturshow "Die schlecht gemalte Deutschlandfahne". Von 2009 bis 2018 betrieb sie ihr Sommercafé ZierlichManierlich. Dann wanderte sie los. Zuletzt erschienen neben Essays und Kurzgeschichten der Roman "Schuld war Elvis" (Bertelsmann) und "Im Himmel gibt es kein Bier" (Literaturquickies).
Sachsen, Mai 2019
An der thüringisch-sächsischen Grenze ist das Landesgrenzenschild so verwittert, dass man die beiden Wappen kaum noch erkennt. Ich bin froh, dass ich es überhaupt gesehen habe, denn an diesem Meilenstein habe ich nicht nur über 300 Kilometer geschafft, sondern mir theoretisch auch das erste von fünf EB-Wanderabzeichen nach altem DDR-Reglement verdient. Aber ich sammle ja nicht einmal Stempel.
Gefeiert wird trotzdem, und zwar in einem Landgasthof bei einem fürstlichen Mahl: Wildschweinbraten mit Klößen und Rotkraut. Meine ersten Thüringer Klöße esse ich also in Sachsen. Der Braten ist meine kleine Rache für den nächtlichen Überfall bei Ziegenrück. Ich bin der einzige Gast und sehne mich nach Kontakt. Zum Glück hat der Wirt auch Lust auf einen Plausch und setzt sich zu mir. Er gibt mir die Geschichte des Hauses wieder, das eingerichtet ist wie ein englisches Landgut. Es ist das Wohnhaus seines Großvaters, eines Tuchfabrikanten, gebaut in den zwanziger Jahren. Die Familie hielt die vornehme Fabrikantenvilla schon in den Wirren des Krieges und der Besatzungszeit für verloren, aber dann war es die Enteignung im Sozialismus, die ihnen das Anwesen nahm. Nach der Wende konnte er die Villa zurückkaufen und eröffnete mit seiner Frau den Landgasthof. Die Fabrik aber war verloren.
Vorbei an einer Drachenhöhle und einer weiteren südstaatenbeflaggten Ranch namens »Klein Amerika« geht es Richtung Plauen. Dort komme ich bei Saruul, einer Freundin von Nina, unter. Ursprünglich hatten wir vorgehabt, uns zu dritt einen schönen Abend zu machen, bevor Nina und ich aufbrechen. Aber da ich trotz meines langsamen Tempos kurioserweise früher in Plauen ankomme als geplant, werden wir uns ein paar Tage später in Klingenthal treffen.
Saruul kommt aus der Mongolei. Wir hatten uns ein halbes Jahr zuvor bei einer Geburtstagsfeier kennengelernt. Als sie erwähnte, in Plauen zu wohnen, hatte ich ihr von meinen Wanderplänen erzählt, und davon, dass der EB direkt durch ihre Stadt führt. Umgehend hatte sie mir angeboten, mich zu beherbergen. So gehörte Saruul zu den Menschen, denen ich im Vorfeld ein Versorgungspaket schickte. Nun treffen wir uns an der Musikschule, wo sie ihre Tochter abholt. Mit meiner dreckigen und nassen Wanderkleidung fühle ich mich in ihrem SUV deplatziert. Wir kurven einmal quer durch Plauen; die Familie lebt auf einem großen Grundstück am Rand der Stadt.
»Ich muss dir noch was gestehen«, sagt Saruul. »Der Postbote hat dein Päckchen damals über den Gartenzaun geworfen und unser Hund hat es leider gefressen. Also, nicht alles, aber Teile davon. Den Wanderführer hat er verschont, aber vom Proviant haben wir nur noch zerfetze Verpackungen gefunden. Ich hoffe, das waren jetzt keine abgezählten Portionen .«
»Im Grunde hat der Hund mir einen Gefallen getan! Dieses Porridge schmeckt nämlich widerlich. Ehrlich gesagt mache ich mir mehr Sorgen um den Hund und das, was die Chiasamen in seinem Darm veranstaltet haben!«
»Ach, der hat schon viel schlimmere Dinge gefressen!«, versichert mir Saaruls Tochter lachend.
Nach dem Abendessen im Kreis der Familie zeigen mir die Kinder Fotoalben von den jährlichen Besuchen in der Mongolei. Und obwohl wir täglich telefonieren oder schreiben, fehlen mir an diesem Abend meine eigenen Kinder so sehr, dass es fast wehtut.
Die Zeit in Plauen nutze ich zum Wäschewaschen und Vorräte auffüllen. In der Fußgängerzone stehen nicht nur Schaukästen mit der berühmten Plauener Spitze, sondern auch bunte Plastiken der Comicfiguren Vater und Sohn aus der Feder des Karikaturisten Erich Ohser. Ohser wuchs in Plauen auf und brachte es unter dem Pseudonym e. o. plauen zu Weltruhm. Der drohenden Hinrichtung durch die Nationalsozialisten entzog er sich, indem er sich in seiner Zelle erhängte.
Ich bleibe länger als geplant, denn die Zeugen meines trotteligen Vorfalls an der Talsperre Hohenwarte haben es doch tatsächlich geschafft, meinen Trekkingstock wiederzubeschaffen. Das Paket habe ich sie vorsorglich an Saruuls Arbeit adressieren lassen, damit der Hund nicht wieder Schindluder treibt.
Bewaffnet mit beiden Trekkingstöcken folge ich den prächtigen Steinbogenbrücken über die Weiße Elster aus der Stadt hinaus und gebe mich wieder ganz dem wildromantischen Landstrich hin. In den saftigen Flussauen schrecke ich Reiher und Störche auf. Verwitterte Scheunen und krumme Weidenzäune beherbergen Viehherden. Bäuerliches Leben, tiefe Nadelwälder, sattgrüne Hügellandschaften und monumentale Viadukte bestimmen das Vogtland. Gelbe Rapsfelder und kleine Waldstücke reihen sich aneinander wie Spielfelder auf einem Schachbrett. Nachmittags beginnt es zu regnen. Als ich meine pinke Regenjacke aus dem Rucksack holen will, stelle ich fest, dass ich sie bei Saruul vergessen habe. Gerade erst habe ich meinen Trekkingstock wieder und schon den nächsten Gegenstand verloren!
Trailangel Bert läutet die Rettungsglocke, denn just hat sich noch ein Wanderer bei ihm registriert, der mir dicht auf den Fersen ist und nun von Bert gefragt wird, ob er bereit sei, mir meine Regenjacke hinterherzutragen. Ich hoffe, der fremde Wandersmann sagt Ja.
Im Nieselregen trotte ich durch saftige Wiesentäler, dichte Tannenwälder und triste sächsische Dörfer, in denen die Hausfassaden grau und unsaniert sind. Ich werde zwar nass, aber die eintönige und monotone Betätigung des Wanderns sorgt dafür, dass ich mich nicht weiter ärgere. Etwas Wesentliches verändert sich. Eine Lappalie wie diese hätte mich noch vor ein paar Wochen vollkommen fertiggemacht, ich hätte mich zermartert und wäre voller Selbstzweifel gewesen. Aber jetzt denke ich: Eine Regenjacke ist nicht lebensnotwendig. Kein Grund, ein Nervenbündel zu sein. Ich bin nicht mehr so dünnhäutig, wankelmütig und durcheinander wie noch vor einiger Zeit. Man wird eben ruhiger und entspannter, wenn über Stunden nichts zu hören ist als das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Fichten und der knirschende Rhythmus der Schritte auf mit roten Nadeln übersäten Waldwegen. Das Wandern wirkt.
Pfingstrosen und Rapsfelder stehen in voller Blüte. Willkommene Farbkleckse im tristen Grau des verhangenen Himmels, der meine Regenjackenlosigkeit mit andauerndem Nieselregen traktiert. Wahlplakate säumen die Landstraßen. Konkurrenz zu den rechten Parteien gibt es kaum. Die Dörfer sind wie leergefegt. Es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten. Dabei darbe ich nach Zucker und Fett: Dicke Würste, Fritten, Softdrinks und Eis sind meine neuen besten Freunde. Die Favoriten unter den Suchtstoffen: Cola, Knackwürste und Kaktus-Eis. Aber Kioske und Backstuben sind geschlossen, die Verkaufsräume verwaist, die Theken leer. An ehemaligen Gaststätten prangt jahrzehntealte Reklame für Bier- und Zigarettenmarken, von denen es einige längst nicht mehr gibt. In den Schaukästen vertrocknen Fliegen in staubigen Spinnennetzen vor Speisekarten, die so ausgeblichen sind, dass man nichts vom Angebot, das es hier einmal gab, erkennen kann. Türen und Fenster einstiger Pensionen sind zugenagelt, das Wurzelwerk von Bäumen und Sträuchern sprengt Höfe und Hauswände, Beton und Putz. Diese Relikte sind die einzigen Zeugen einer einst funktionierenden Infrastruktur. Es herrscht bedrückende Trostlosigkeit. Schwierig, sich unter diesen Umständen vorzustellen, dass es hier einmal eine florierende Geselligkeit gab. Die Dörfer sind zu Reliquien derer geworden, die nun versuchen, mit dem Frust der Wendeverlierer politisch Stimmung zu machen. Das Kopfsteinpflaster ist bruchstückhaft mit Teer übergossen. Alte Industrieanlagen liegen brach und Eisenbahntrassen still. Autobahnen zerschneiden das Gelände. Armut, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus zeichnen die Gesichter, die so grau und verwittert sind wie die Fassaden der zerbröckelnden Häuser. Einziger Farbfleck: Ein gelber Aufkleber an einer Laterne. »Bitte flüchten Sie weiter! Es gibt hier nichts zu wohnen! Refugees not welcome!« steht dort. Die Bordsteine sind übersät mit Zigarettenstummeln und den braunen Scherben zerbrochener Bierflaschen. Das einzig Idyllische in dieser Gegend mit der Tristesse eines No Man's Land ist die Natur rundherum. Obwohl, auch die ist an diesem Tag eher düster: Tote Gleise mit rausgerissenen Schwellen führen zu einem dunklen Forst. Bei einer Rast entdecke ich im feuchten Laub mehrere Schnürstiefel. Kappen und Schäfte ragen von grünem Moos überwuchert zwischen dem Wurzelgestrüpp einer alten Eiche hervor, und das ausgerechnet, als ich einen True-Crime-Podcast über einen Wald- und Wiesenmörder höre. Keine gute Idee, wenn man alleine wildzeltet.
Immerhin gibt es in einem Ort nicht nur eine Wurst- und Kaffeebude, sondern auch eine Drogerie. Dort finde ich einen billigen Poncho, Modell gelber Sack. Es ist keine Dauerlösung, aber besser als gar kein Regenschutz. Kurz darauf ruft der potentielle Regenjackenretter an.
»Hallo, EB-Wanderer hier!«, brüllt er durchs Telefon.
Hui,...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.