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Ziemlich angeschlagen saß ich im Zug nach Stuttgart und versuchte, meine gute und meine schlechte Seite miteinander ins Gespräch zu bringen.
Die Jugend muss verschwendet werden. Das macht sie so schön, so schmerzhaft und so intensiv. Was bleibt denn vom Leben übrig, wenn wir es wie ein paar Groschen auf dem Sparbuch verwalten? Alles mit Maß und Ziel, immer schön in der langweiligen Mitte bleiben, keine Ausschläge nach oben oder unten. Natürlich wird man damit alt, aber wozu? Wer sich nie dem brausenden Leben ausgesetzt hat, wäre besser gar nicht erst geboren worden. Sterben müssen wir alle, aber wenn es so weit ist, hilft es ungemein, ein paar zackige Runden gedreht zu haben. Dann kannst du zufrieden die Augen schließen.
Hm?
Jeder haut in seiner Jugend über die Schnur. Die Gesundheit ist robust, der Körper widerstandsfähig und die Natur geduldig. Sie hat aber kein Mitleid mit einem zahnlosen Greis, der seiner Abberufung entgegenhumpelt. Jede Lebensphase stellt ihre eigenen Aufgaben, Erleben-Können ist ein Privileg der Jugend, wenn dich das Leben bereits gezeichnet hat und du immer noch glaubst, deine frühere Rolle weiter spielen zu müssen, bist du ein lächerlicher alter Kerl. An den Krankheiten und Einschränkungen, die ein gedankenloser Lebensstil mit sich bringt, gibt es nichts zu romantisieren. Wer in schlechter Verfassung ist, der leidet und ist für keinen Spaß zu haben, den ein tolles Leben mit sich bringen könnte. Wer aus dem Vollen schöpfen möchte, braucht Reserven, und die werden ihm ab 30 nicht mehr geschenkt. Die Natur gibt allen eine Chance, zumindest bis 30, dann könntest du Nachkommen gezeugt und somit den biologischen Sinn deines Lebens erfüllt haben. Das Ziel der Natur ist die Erhaltung der Art und nicht die Pflege einzelner lebenstoller Exemplare. Wenn man erst seinen physischen Höhepunkt überschritten hat, ist man ganz allein für sich verantwortlich. Und schlicht gesagt ist es doch so: Ohne Gesundheit ist ein gutes und glückliches Leben nicht denkbar.
Der Gedanke an das Ende sollte dabei nicht verdrängt werden, im Gegenteil! Es hilft, in dem Bewusstsein zu leben, dass wir einmal sterben werden. Als Arzt wusste ich das ohnehin, es war einmal mein tägliches Geschäft. Unbegrenztes Leben ist nicht der evolutionäre Plan. Nehmen wir kurz einmal an, es wäre doch so. Wir trinken aus dem Brunnen ewiger Jugend und der Tod ist für immer verschwunden. Wünschenswert? So sitze ich dann da, blicke hinaus auf ein weites Feld, dahinter ein Wald und denke, ich könnte doch spazieren gehen. Kann ich, ich habe ja alle Zeit der Welt, heute, morgen, übermorgen oder erst in zehn Jahren. Eine unbegrenzte Lebensspanne vorausgesetzt, werde ich irgendwann alles bereits einmal erlebt haben. Ich wäre in einer Wiederholungsschleife gefangen, die nicht nur einen Tag umfasst, wie im Film Und täglich grüßt das Murmeltier mit Bill Murray, sondern Jahre und Jahrzehnte. Alles schon dagewesen. Deshalb würde es sich nicht lohnen, aufzustehen und den Spaziergang anzutreten. Wir hätten zwar keine Angst mehr vor dem Tod, aber auch keine Lust mehr, das Leben zu genießen und unsere Möglichkeiten auszuschöpfen. Gerade weil wir nur eine begrenzte Zeitspanne zur Verfügung haben, ist uns das Geschenk gemacht, ein erfülltes Leben zu führen. Allerdings müssen wir uns in die Lage versetzen, unsere Zeit zu nutzen, den Moment und alles darüber hinaus wertzuschätzen.
Den Zeitpunkt unseres Abtretens kennen wir nicht. So steht es schon in der Bibel: "Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater." (Matthäus 24,36) Dem ins Auge zu sehen, muss keine Furcht auslösen, es ist vielmehr - richtig angewendet - eine Anleitung zum glücklichen Leben. Falsch wäre der Versuch, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu erleben, um die verfügbare Zeit ausgekostet zu haben. Diese Art von Unruhe wird uns ständig weitertreiben, ohne dass wir die Zufriedenheit in einem "Wie schön, das war's!" erreichen können. Die andere Strategie, den Kopf in den Sand zu stecken, verfängt ebenfalls nicht. Die Angst, die wir verdrängen, holt uns spätestens im Alter ein. Wichtig ist, alle Aufgaben, die uns gestellt sind, so gut wie möglich zu erledigen, und allen Erfahrungen, denen wir ausgesetzt sind, angemessen zu begegnen. Außerdem müssen wir wählerisch bleiben und nur solche Wege gehen, die, auch unter dem Blickwinkel des Todes betrachtet, standhalten. Martin Heidegger hat 1927 in Sein und Zeit ausgeführt, dass das menschliche Dasein die Bestimmung mit sich bringt, unsere Existenz zu verstehen und durch einen Sinn zu rechtfertigen. Natürlich kann man diese Wegweisung auch verfehlen und "uneigentlich" leben.
Wichtig ist das ernsthafte Bemühen. Auch wenn es nur eine Winzigkeit ist, aber die Welt soll durch mich ein Stück weit besser werden. Dabei zählen auch der kleinste Beitrag und eine realistische Einschätzung, welche Hebel wir tatsächlich betätigen können. Was uns nicht in die Hand gegeben ist, damit müssen wir leben. Unser Augenmerk muss dem gelten, was wir gestalten und verändern können. Dazu gehört natürlich auch unsere körperliche Ausstattung. Was uns mitgegeben ist, müssen wir ebenso achtsam pflegen und erweitern wie alles andere sonst auch.
Wozu aber das Ganze? Gibt es überhaupt einen Sinn? In Douglas Adams' Roman Per Anhalter durch die Galaxis errechnet der Supercomputer Deep Thought als Antwort auf die Frage nach "dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest" die Zahl 42. Das mag stimmen - wenn wir wüssten, was damit gemeint ist. Mehr Klartext würde uns helfen. Der österreichische Psychiater und Neurologe Viktor Frankl hatte auf die Frage nach dem Sinn ein paar nachdenkenswerte Antworten. Vorausgeschickt sei, dass Frankl dabei eine besondere Autorität genießt, nicht so sehr, weil er die Psychoanalyse neu erfunden hat, vielmehr, weil er seine Theorien durch sein eigenes Leben beglaubigt hat. Frankl war zu Zeiten des Nationalsozialismus im Konzentrationslager interniert. Dennoch lautete nach dem Krieg einer seiner Kerngedanken, dass der Mensch zwar in Situationen geraten kann, in denen er sein eigenes Schicksal nicht mehr in der Hand hat, dass er aber auch in den schwierigsten - und in seinem Fall: unmenschlichsten - Lagen immer die Freiheit hat, seine Haltung dazu zu bestimmen und eine positive Einstellung zu bewahren. Heute spricht man vielfach von "Resilienz" und meint damit, dass eine stabile Persönlichkeit die Möglichkeit besitzt, nicht nur Stress, sondern auch tiefe Krisen zu bewältigen. Der Mensch, so Frankl, kann sich frei entscheiden und besitzt daher die Gabe, sich und seinem Leben einen Sinn zu verschaffen. Dieser Sinn ist nicht für alle derselbe, er ist immer ein individuelles Resultat menschlichen Bemühens und muss als den jeweiligen Umständen angemessen empfunden werden. Diese Sinnstiftung gelingt, wenn wir in der Lage sind, unseren persönlichen Werten Geltung zu verschaffen: Liebe, Kreativität oder sonst eine Aufgabe, die uns Mut und Verantwortung abverlangt. Es liegt im Charakter dieser wie auch sonst aller Werte, dass sie soziale Tugenden sind, die wir anstreben. Ein Mensch, der ganz für sich allein ist, bräuchte dergleichen nicht.
Aus Hadis Bibliothek
Viktor Frankl: Wer Sinn sucht, findet Heilung. Vorträge und Gespräche 1956-1994. SWR Edition 2018.
Man kann natürlich Bücher von oder über Viktor Frankl lesen. Die Stimme, der Gesprächsduktus und die Art zu formulieren machen jedoch Tondokumente zu etwas Besonderem. Frankl führt in sechs Originalbeiträgen seine Erfahrungen und therapeutischen Konsequenzen aus. Frankl, so heißt es hier, nennt drei Wege zu einem erfüllten Leben: ein Werk schaffen, jemandem in Liebe verbunden sein und Leiden bewältigen.
Mein eigenes Bemühen kann ich so zusammenfassen: Ich möchte gesund bleiben und ein harmonisches Körpergefühl erlangen, um auf dieser Grundlage alt werden zu können. Warum ich das anstrebe, verdeutlicht das folgende Erlebnis, das mich sehr geprägt hat: Meine Eltern hatten eine weit verzweigte Verwandtschaft in Ägypten zurückgelassen. Viele Cousinen und Cousins, jede Menge Tanten und Onkel. Mein Vater war der Erstgeborene von zwölf Geschwistern. Zwei sind schon früh gestorben, die neun Geschwister habe ich selbst noch kennengelernt. Logischerweise haben auch die geheiratet und Kinder bekommen. Mein Verwandtenkreis würde einen Saal füllen. Und damals, als ich noch klein war, mussten die alle besucht werden, was durchaus mühsam war. Das galt aber nicht für meinen Großvater, auf den ich mich immer gefreut habe. Leider habe ich ihn früh verloren. Ich war zwölf, wir waren gerade angekommen, ich stürmte in die Wohnung und rief nach meinem Großvater. "Psst, er schläft!", hieß es. Also bin ich in sein Schlafzimmer geschlichen. Und tatsächlich, da lag er! Ich trat heran, fasste nach seiner Hand, um sie zu streicheln, sie war jedoch starr und kalt. Großvater war tot! Er war eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Ich war unendlich traurig. Ich hätte ihn so gern um mich gehabt, er war ein freundlicher Mann, der mir mit Liebe und ruhiger Souveränität etwas über das Leben beibringen konnte. Vielleicht gelingt mir das auch irgendwann. Dabei denke ich natürlich an meine Kinder, meine Enkelkinder und deren Kinder, wenn alles optimal läuft. Vielleicht geht es ihnen wie mir. Solange ich gebraucht und gemocht werde, möchte ich auf der Welt bleiben. Darum geht es, dafür lohnt sich jede Anstrengung!
Noch im Zug entschloss ich mich, nach guter ärztlicher Art einen...
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