Schweitzer Fachinformationen
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Abkürzungen der Organisationen Vorwort Einleitung: Das verlorene Kalifat 1. Aiman al-Zawahiri: Vom ägyptischen Arzt zum «Weisen der Umma» Familie und frühe Prägung | Jihadistische Zellen in Ägypten 18 | Verrat, Sühne, Exil
2. Usama Bin Laden: Vom saudischen Bauunternehmer zum Widerstandskämpfer Kindheit im Schatten des Vaters | Millionärssohn und frommer Außenseiter | Religiöse und politische Prägung | Nach Pakistan
3. Der Jihad in Afghanistan Peschawar: Aufmarschgebiet der internationalen Mujahidin | Die Gründung al-Qaidas | Die Schlacht ist gewonnen, der Krieg beginnt
4. Bin Ladens Heimkehr, Exil und erneute Vertreibung (1989 - 1996) Konflikte mit dem saudischen Regime | Erfolgreiche Jahre im Sudan | Dunkle Wolken über Bin Laden und al-Zawahiri | Auf dem Schirm der CIA
5. Im Land der Taliban (1996 - 2001) Tora Bora | Das Islamische Emirat Afghanistan | Neue Rekruten, neue Strukturen
6. Der 11. September 2001 Mastermind: Khalid Sheikh Muhammad | Vorbereitungen: Die Hamburger Zelle | Die Folgen von 9/11 in der al-Qaida-Perspektive | Die US-Perspektive
7. War on Terror Enduring Freedom (2001 - 2002) | Die Irak-Falle (ab 2003) | Obamas Drohnenkrieg | Auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit | Gewinne und Verluste
8. Jagd auf Bin Laden Das Phantom | 1. Mai 2011: Operation «Neptuns Speer» | «Wir alle sind Usama!»
9. Eine feste Säule auf der Arabischen Halbinsel Al-Qaida erfindet sich neu | Der Jihad im Jemen beginnt (1990 er-Jahre) | Terrorzellen in Saudi-Arabien (2000 er-Jahre) | Die USA und der Jemen | AQAH alias Ansar al-Shari?a (seit 2010)
10. Al-Qaida im Islamischen Maghreb Jihad in Algerien, Ansätze in Libyen (1990 er-Jahre) | Groupe Salafiste und AQIM | Kriminalität als Finanzierungsbasis | Mali: Im Verbund mit den Tuareg | Der Arabische Frühling | Libyen, Tunesien und Ägypten nach 2011
11. Ostafrika und al-Shabab Somalia, Kenia, Tansania | Al-Shababs Aufstieg in Somalia | Die zwei Gesichter von al-Shabab heute
12. Irak: Al-Qaidas Hoffnung, al-Qaidas Albtraum Al-Zarqawi, der Straßenjihadist | Das frühe Verhältnis zu Bin Laden | Al-Zarqawis Inszenierung des Todes (2003 - 2006) | Unter dem Kommando des Islamischen Staats (2006 - 2010) | Der Weg zum Kalifat (2010 - 2014)
13. Syrien: Zwischen nationalem und globalem Jihad Jihad von Aleppo bis Damaskus (ab 2003) | Die Nusra-Front (2012 - 2016) | Loslösung von al-Qaida? Jabhat Fath al-Sham (2016 - 2017) | Die neue Rebellenallianz: Hay?at Tahrir al-Sham (seit 2017)
14. Der jüngste Ableger auf dem Indischen Subkontinent Pakistan als Hochburg und Rückzugsgebiet | Vorbereitungen für einen Regionalableger | Aktivitäten und lokale Unterstützer
15. Iran und al-Qaida Die USA und der Erzfeind Iran | Frühe Kontakte zum Iran | Hausarrest für Bin Ladens Anhänger | Ein ambivalentes Verhältnis
16. Al-Qaida und Europa Aliens und frühe Netzwerke (1990 - 2001) | Wenn aus Nachbarn Terroristen werden | Al-Qaidas Drohkulisse (2002 - 2010) | Europäische Szene nach 2001 | Ausreisen in den Jihad | Konkurrenz zum IS (seit 2011)
Schluss: Die tausend Fronten des Terrors Dank Anmerkungen Literaturhinweise Videobotschaften Zeittafel Register der Personen und islamischen Organisationen
Die Geschichte von Aiman al-Zawahiri ist eine Parabel für die islamistische Bewegung an sich, besonders für die ägyptische, die seit ihrer Entstehung nach dem Untergang des Osmanischen Kalifats über eine besondere Ausstrahlungskraft für den arabischen Raum verfügte. Der Weg des späteren Nachfolgers von Bin Laden in den Terrorismus war keineswegs vorgezeichnet, ihm hätten Möglichkeiten offen gestanden, ein Leben als angesehenes Mitglied der ägyptischen Gesellschaft zu führen. Doch es sollte anders kommen.
Maadi, der südliche Vorort Kairos, in dem Aiman al-Zawahiri 1951 das Licht der Welt erblickte und seine Jugend verbrachte, entstand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.[1] Es war eine Art Gegenentwurf zur ärmlichen und chaotischen Metropole: Jüdische Familien und britische Offiziere siedelten hier, die feine Gesellschaft traf sich im örtlichen Sportklub. In den 1960er-Jahren entstand ein neues Viertel in Maadi, wo sich Angehörige der Mittelschicht, aber auch ärmere Ägypter niederließen. Hier lag auch die Wohnung, die Rabi? und Umaima al-Zawahiri, Aiman al-Zawahiris Eltern, bezogen.
Aiman hatte eine Zwillingsschwester, und zwei Jahre später wurde sein Bruder Muhammad geboren, der zu einem wichtigen politischen Weggefährten Aimans werden sollte und als jihadistischer Aktivist und Ideologe gilt.[2] Vater Rabi? al-Zawahiri lehrte als Professor an der Ain-Shams-Universität in Kairo Pharmakologie. Seine Vorfahren hatten durch ihr Wirken an der einflussreichen sunnitischen Lehranstalt der al-Azhar-Universität ebenfalls einige Bekanntheit. Auch mütterlicherseits konnte Aiman al-Zawahiri eine angesehene Familie vorweisen, darunter waren religiöse Autoritäten und auch Politiker, wie etwa der erste Generalsekretär der Arabischen Liga, ?Abd al-Rahman ?Azzam (1945-?1952).
Aiman al-Zawahiri besuchte eine reguläre, also nicht-religiöse Schule und schrieb sich dann im Studienjahr 1968/69 in der medizinischen Fakultät an der Kairoer Universität ein (al-Zayyat 2004, 18). 1974 schloss er sein Studium mit «sehr gut» ab und absolvierte 1978 einen Master-Studiengang in Chirurgie.[3] In dieser Fachrichtung sollte er später in Pakistan promovieren. 1978 oder 1979 heiratete er Azza Ahmad Nuwair, die erfolgreich ein Philosophie-Studium beendet hatte und mit ihrem künftigen Ehemann neben der höheren sozialen Herkunft die strenge Auslegung der Religion teilte (Wright 2008, 67; al-Zayyat 2004, 17). Das Ehepaar bekam vier Töchter und einen Sohn.
Ein sozialer Hintergrund, wie ihn Aiman al-Zawahiri aufwies, war keinesfalls die Ausnahme in der ägyptischen Jihad-Bewegung, was mehrere Studien belegen.[4] Von 326 aktenkundigen Angehörigen der militanten Organisation, der auch al-Zawahiri angehörte, hatte etwa die Hälfte universitäre Ausbildungswege, davon waren 55 Prozent in modernen naturwissenschaftlichen Fächern, Ingenieurwissenschaften oder Medizin eingeschrieben. Das lässt auf ihre exzellenten Schulnoten rückschließen, da die Zugangshürden für diese Fächer in den arabischen Staaten sehr hoch waren (Sivan 1985, 118-?119). Der Aufstand gegen das Establishment und das Eintreten für einen islamischen Staat waren also teilweise getragen von gebildeten Mitgliedern der urbanen Mittelschicht, erfuhren aber durchaus auch Unterstützung in den Armenvierteln der großen Städte.[5]
Bereits in früher Jugend soll Aiman al-Zawahiri ein ausgeprägtes politisches Bewusstsein gezeigt und mit fünfzehn seine erste Untergrundzelle ins Leben gerufen haben (al-Zayyat 2004, 18). Besonders die Schriften von Sayyid Qutb (1906-?1966), der als wichtigster Ideengeber der modernen Jihad-Bewegung gilt, beeinflussten den jungen al-Zawahiri. Qutb[6] hatte eine revolutionäre Befreiungstheologie entwickelt, deren erklärtes Ziel es war, die Herrschaft der Menschen über die Menschen zu beenden zugunsten der als gerecht und einzig legitim erachteten Herrschaft Gottes über seine Geschöpfe. Dies sollte durch eine politische Avantgarde geschehen, gegebenenfalls auch unter Anwendung von Gewalt. Insgesamt weisen viele Ausführungen Qutbs auffällige Ähnlichkeiten mit den Ideen der revolutionären Linken auf - freilich unter ganz anderen Vorzeichen und in Konkurrenz. Das ist nicht weiter verwunderlich, hatte doch die sozialistische und kommunistische Bewegung in der arabischen Welt bis in die 1960er-Jahre durchaus starken Zulauf. Eine wichtige Verbindung zwischen Aiman al-Zawahiri und Sayyid Qutb stellte Aimans Lieblingsonkel Mahfuz ?Azzam aus der mütterlichen Linie dar (Wright 2008, 56-?57), der einst in der Grundschule von Qutb unterrichtet worden war. Später wurde Mahfuz ?Azzam nicht nur ein Aktivist der Muslimbruderschaft, sondern auch Anwalt von Qutb, den er gegen den Staat unter Führung von Gamal ?Abd al-Nasir (Nasser) vertrat. Bevor Qutb hingerichtet wurde, soll Mahfuz ihn noch besucht haben. Seinem Neffen berichtete er später eindringlich von Qutbs Standhaftigkeit und seinem Leid im Gefängnis, was einen bleibenden Eindruck auf ihn hinterlassen sollte.
Al-Zawahiri selbst schrieb, dass die Verhaftungswelle gegen die islamistische Bewegung 1965 unter Nasser (vgl. Kepel 2005, 28-?33) und die Hinrichtung Qutbs 1966 die «Initialzündung für die jihadistische Bewegung in Ägypten gegen die Regierung» waren (al-Zawahiri 2010, 8). Damit steht al-Zawahiri exemplarisch für den Beginn der jihadistischen Mobilisierung, die Ende der 1960er-Jahre unter Nasser begann und sich unter seinem Nachfolger Sadat in den 1970er-Jahren vollends entfaltete.
Al-Zawahiri war beseelt von der Idee einer revolutionären Avantgarde, wie Qutb sie beschrieben hatte, die handstreichartig die Macht im Staat übernehmen und so möglichst unblutig und schnell den Weg zu einem islamischen Staat ebnen würde. Die mehrheitliche Position in der Muslimbruderschaft hingegen war keineswegs revolutionär, sondern sah vor, die Volksmassen einzubinden, ihnen beharrlich ein islamisches Bewusstsein zu vermitteln und so sukzessive durch Erziehung hinter sich zu scharen.
Anwar al-Sadat hatte 1970 das Präsidentenamt nach dem Tod von Gamal ?Abd al-Nasir übernommen, der in der Hochphase des Kalten Krieges sein Land am Sowjet-Block orientiert hatte. Diese Phase des ägyptischen Sozialismus war zunächst - nach Jahren der noch immer unter Großbritanniens Einfluss stehenden Monarchie - von vielen als hoffnungsvoller Aufbruch in die wahre Unabhängigkeit verstanden worden. Doch der Sechstagekrieg 1967, in dem Israel Teile Ägyptens besetzen und die ägyptische Armee vernichtend schlagen konnte, war der Anfang vom Ende des arabischen Sozialismus und seiner Anführer. Er läutete zugleich das Erstarken der Islamisten ein, da die Schuld für den verlorenen Krieg hauptsächlich den säkularen Herrschern und dem Abweichen der Muslime von ihrer Religion zugeschrieben wurde.
Es war daher deutlich, dass Anwar al-Sadat nicht weitermachen konnte wie bisher, als er Nasser, die «von Holzwürmern zerfressene Ikone» (al-Zayyat 2004, 23), politisch beerbte. Sadats Herrschaft war gekennzeichnet durch den endgültigen Bruch mit der Sowjetunion und die zunehmende Orientierung an den USA sowie die damit einhergehende Liberalisierung der Wirtschaft. Al-Zawahiri spricht hier vom «russisch-nasseristischen Zeitalter» einerseits und dem «amerikanisch-sadatistischen» andererseits (al-Zawahiri 2010, 13). Ganz im Sinne des Kalten Krieges und des Blockdenkens versuchte Sadat die linke Opposition, also Nasseristen und Kommunisten, zu schwächen. Dazu bediente er sich des religiösen und rechten politischen Rands, der sich nun in Ägypten immer freier entfalten konnte (Heikal 1983, 114-?118; Ibrahim 1980, 426; Gaffney 1994, 80-?112). Inhaftierte Mitglieder der Muslimbruderschaft wurden entlassen, und zwei ihrer Monatsmagazine nahmen ihre Arbeit wieder auf (Sivan 1985, 120). Es entstand eine Art Symbiose zwischen der politischen Führung und den Islamisten, insbesondere der studentischen «Gama?a Islamiya» (Islamische Vereinigung; GI).[7] Allerdings entglitt dem Staat im Laufe der 1970er-Jahre zunehmend die Kontrolle über die sich neben den «offiziellen» Islamisten ausbreitenden militanten Untergrundzirkel, die sich nun immer mehr gegen Sadats Regierung selbst richteten (Ibrahim 1980, 426; Haikal 1983, 128-?132; Gaffney 1994, 80-?112[8]). Die Radikalen forderten Staat und Gesellschaft mit...
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