Schweitzer Fachinformationen
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Aus: sehepunkte.de (17) 2017 Nr. 12- Cord Arendes [.] Die Stärken liegen in der präzisen und unaufgeregten Sprache Hilmar Sacks sowie in seiner konzisen wie doch ausführlichen Darstellung der Problemlagen, Debatten und theoretischen Konzepte. Dabei profitiert das Buch vor allem von den vielen Fallbeispielen die entweder direkt an die Lebenswelt heutiger Studierender anknüpfen oder die Diskurse und Debatten der Zeit bis in die Mitte der 1990er Jahre doch treffend ins Bewusstsein bringen können. Das Ziel, auf vergleichsweise wenigen Seiten das "unerlässliche Basiswissen für jeden angehenden 'Erinnerungsarbeiter'" zu bieten (8), wird auf jeden Fall erreicht. [.]
Aus: ekz-Informationsdienst - Knickelmann-Werger - 23.01.2017 Die Autorinnen und Autoren, allesamt Dozenten, behandeln die Aspekte Geschichte des Lehrerberufs, Arbeitszeiten, Arbeitsplatz Schule, Erziehungsauftrag, Kompetenzen und Unterrichtsqualität, um nur ein paar zu nennen, ausführlich, anspruchsvoll und kompetent. Strukturiert, mit Infokästen, "zum Weiterlesen" und Literaturhinweisen zu den Kapiteln. Fundiertes Fachbuch für Lehramtsstudierende, die mehr wollen als nur praktische Tipps zum Unterrichten. Es regt zur Reflexion und Auseinandersetzung mit dem gewählten Beruf an.
"Die Suche nach der Erinnerung hat eingesetzt", verkündete 1982 ein Sammelband über Geschichte und demokratische Identität in Deutschland (Ruppert 1982, 9). Was damals vermeintlich erst begann, gehört heute unbestritten zu den prägenden Zeittendenzen: die Hinwendung zur Vergangenheit. Das Erinnerungspostulat ist so allgegenwärtig, dass sich kaum mehr vorstellen lässt, dies sei einmal anders gewesen. Doch tatsächlich bedurfte es dazu eines tiefgreifenden Mentalitätswandels. Zuvor hatte eher der Begriff "Geschichtslosigkeit" (Heimpel 1957, 4) das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik bestimmt. Mit dem Zivilisationsbruch zwischen 1933 und 1945 schien die Brücke zur nationalen Vorgeschichte abgebrochen - ein Eindruck, der sich mit der Fixierung auf die nationalsozialistische Diktatur im Generationenkonflikt der 1960er Jahre und durch die intensivierte Aufarbeitung dieser Epoche in der Folge zunächst noch verstärkte.
Heute sagt Paul Nolte hingegen: "So viel Geschichte war selten" (Nolte 2003, 24). Der Trend wechselte rasant von der "Geschichtsvergessenheit" zur "Geschichtsversessenheit" (Assmann/Frevert 1999). Erinnern wurde zu einer gesellschaftlichen Leitinstanz und "Erinnerungskultur" ( Glossar) avancierte zum dominierenden Begriff in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft - mit ihr weitete sich das Interesse auf andere Epochen der Geschichte, auch wenn die NS-Aufarbeitung in Deutschland geschichtspolitisch stets im Mittelpunkt blieb. Numerisch lässt sich das historische Interesse, das über Wissenschaft, Feuilleton und Politik hinaus längst in der Breite der Gesellschaft anzutreffen ist, an der hohen Zahl von Museen ablesen. Binnen weniger Jahrzehnte wuchs sie in Deutschland um ein Drittel auf heute weit über 6000. Neben zahlreichen von Vereinen getragenen kleineren Dorfmuseen und Heimatstuben ziehen Ausstellungen großer staatlicher Museen als gesellschaftliches Ereignis regelmäßig die Massen an. Daneben folgen seit den 1970er Jahren viele historisch interessierte Bürger in lokalen Geschichtswerkstätten dem Aufruf: "Grabe, wo Du stehst!" Parallel zu diesen Formen gewissenhafter (wissenschaftlicher) Aufarbeitung der Vergangenheit hat sich das 'Histotainment' entwickelt, das vom aufwendig inszenierten Ritterspektakel über das Computerspiel bis zur interaktiven App fester Bestandteil der Tourismus- und Unterhaltungsindustrie geworden ist. Geschichte erweist sich obendrein als film- und fernsehtauglich, sogar als quotenstark. Auf den Bestsellerlisten erscheinen historische Romane, dazu Biographien und Memoiren. Magazine füllen regelmäßig ihre Titelgeschichten mit Serien zu historischen Ereignissen und Persönlichkeiten. Selbst vor der Wirtschaft und ihren Unternehmen macht der Trend nicht Halt: "Zukunft braucht Herkunft" - Odo Marquards Kurzformel zur nachhaltigen Bedeutung der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft (Marquard 2003) ist bis in die Etagen der Marketingabteilungen vorgedrungen. Als eingängiger 'Claim' legitimiert sie hier in Abgrenzung zu klassischen Kommunikationsmaßnahmen eine populäre, spezifisch historische Ausrichtung von Werbung und Marketing.
History rules - and sells. Was hat diesen Paradigmenwechsel bewirkt? Die Forschung verweist auf mehrere Prozesse, die seit den 1970er Jahren zu einer "grundlegenden mentalitätsgeschichtlichen Wende" geführt haben (Cornelißen 2003, 553; zum Folgenden vor allem auch Schmid 2009c, 56ff.). So sei mit der ersten großen Energie- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit der Fortschrittsglaube aus der Gründungsära verloren gegangen. Mehr noch: Neue soziale und ökologische Bewegungen, die die 'Grenzen des Wachstums' und soziale Ungerechtigkeiten in einem globalen Rahmen problematisierten, hätten den planvollen Zukunftsoptimismus der Moderne grundsätzlich in Frage gestellt. An seiner Stelle seien Skepsis und Krise getreten. Überdies sei es nach den ideologischen 'Sechzigern' zu einer Abkehr von politischen Utopien gekommen, habe etwa der Marxismus, nicht zuletzt angesichts der ernüchternden Erfahrung mit dem realexistierenden Sozialismus, an Strahlkraft verloren. Orientierung versprach man sich nun weniger von Ideologien und ihren Zukunftsentwürfen, sondern vom Blick zurück: von den Erfahrungen der Vergangenheit. Nach der Wende 1989/90 beschleunigte sich zudem ein in jeder Hinsicht grenzenloses Phänomen gesellschaftlichen Wandels: die Globalisierung. Rasante technische Neuerungen, insbesondere auf dem Feld der Kommunikationsmittel, ließen die Welt zum Dorf schrumpfen. Nationale Ereignisse bekommen heute globale Bedeutung, Entwicklungen in weiter Ferne nehmen unmittelbar Einfluss auf das eigene Land. Dies führt nicht nur zwangsläufig zur Universalisierung der Erinnerung an historische Ereignisse ( Kapitel 3.2). Die Komplexität der Welterfahrung lässt in einer Gegenreaktion zugleich auch lokale und regionale Traditionen an Bedeutung gewinnen. Mit dem Fall des 'Eisernen Vorhangs' und der Wiedervereinigung erfuhr zudem die Nation als identitätsstiftender Rahmen einen Bedeutungszuwachs, jedenfalls in Deutschland und in den jungen mittelost- und osteuropäischen Demokratien. Konträr zum zeitlich parallel verlaufenden europäischen Einigungsprozess wurden verschüttete nationale Traditionen neu in den Blick genommen. Und noch etwas nährte das Interesse an der Vergangenheit: Die untergegangene DDR forderte nach Aufarbeitung (so wie die alte Bundesrepublik nach Historisierung). Gleichzeitig vergegenwärtigten sich ehemalige DDR-Bürger in wiederkehrenden nostalgischen Schüben ihrer Alltagserfahrungen jenseits von Diktatur und Staatssicherheit - heftige politische Kontroversen darüber inbegriffen.
Der Antiquitäten- und Flohmarktboom in Deutschland, die Rekonstruktionen ganzer Bauensembles oder die politische Idee der UNESCO-Weltkulturerbestätte: Sie alle sind Ausdruck von gesellschaftlichen Musealisierungsprozessen. Was liegt diesem Großtrend zugrunde? Aufschlussreich ist die Kompensationstheorie eines Kreises liberalkonservativer Denker um Joachim Ritter (1903-1974), unter ihnen Hermann Lübbe und Odo Marquard (1928-2015) (siehe Hacke 2006). Die sich von Tradition und Vergangenheit entfremdende Moderne entwickelt demnach eine paradoxe Eigendynamik, indem sie selbst wieder die Beschäftigung mit der Vergangenheit produziere. Nur so seien die beschleunigten Modernisierungsprozesse, die ja erst zur Geschichtslosigkeit geführt hätten, auszuhalten (Lübbe 1982, 18). Als diagnostischer Erklärungsansatz für die dynamische Hinwendung zur Vergangenheit ist diese Theorie einleuchtend und bis heute wirkmächtig. Widerspruch löst hingegen aus, sie normativ zu begreifen. Den Geisteswissenschaften und den kulturellen Akteuren würden dann nämlich, so lautet die Kritik, nur eine gesellschaftsstabilisierende Funktion zufallen, indem sie - ökonomische und soziale Defizite ausgleichend - "Modernisierungsschäden" (Marquard 1986, 105) kompensierten.
1972 verabschiedete die Generalkonferenz der UNESCO in Paris die "Internationale Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt". Stätten von "außergewöhnlichem universellen Wert" stehen seitdem unter der Obhut der gesamten Menschheit. Die Unterzeichner (die Bundesrepublik trat 1976 bei) verpflichten sich dazu, diese ausgewählten Orte im eigenen Land zu pflegen und für die Nachwelt zu erhalten. In Deutschland sind heute 41 Natur- und Kulturdenkmale (Stand: Herbst 2016) auf der Welterbeliste der UNESCO verzeichnet. Das Spannungsverhältnis von moderner Stadtentwicklung und Schutz des Welterbes zeigten in der jüngeren Vergangenheit die heftigen Debatten um die Bebauung am Kölner Dom und um die Waldschlösschenbrücke im Dresdner Elbtal.
Mit dem gesellschaftlichen Bedeutungsgewinn der Vergangenheit verband sich ein gewachsenes Bewusstsein für die Geschichte als Politikum. Wer sich politisch auf Vergangenes bezieht, strebt in der Regel nach Sinnstiftung, ihm geht es um Identität, um Bindungen und...
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