Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Wir möchten hier auf der Grundlage des Modells der Doppelten Handlungsregulation ein psychologisches Funktionsmodell der histrionischen Persönlichkeitsstörung darstellen und die dabei ausgeführten Aspekte auch als relevante diagnostische Merkmale betrachten. Im Anschluss an dieses Modell gehen wir auf weitere, spezielle Aspekte der histrionischen Persönlichkeitsstörung ein, um dann erfolgreiche und erfolglose Histrioniker genauer zu differenzieren.
Das Modell der doppelten Handlungsregulation (Sachse, 1999, 2001a, 2001b, 2002, 2004a, 2004b, 2006a, 2008a) beschreibt die Entstehung und die Aufrechterhaltung einer Persönlichkeitsstörung und nimmt zur Erklärung drei Ebenen an. Auf der Motivebene findet sich als Kennzeichen einer spezifischen Persönlichkeitsstörung eine bestimmte Konstellation von bereits in der Kindheit frustrierten Beziehungsmotiven, die bei den erwachsenen Klienten weiterhin hoch in der Motivhierarchie stehen und die dadurch das Verhalten der Person fortwährend energetisieren.
Durch die in der Kindheit erlebten Frustrationen hat die Person Überzeugungen über sich und über Beziehungen entwickelt (Beziehungs- und Selbstschemata auf der Schemaebene). Diese stellen Negationen der Motive dar und implizieren, dass die Person ihre Motive nicht durch authentisches Verhalten erfüllt bekommt. Die Lösung für das Dilemma (stark frustrierte Motive und Überzeugung, diese durch authentisches Verhalten nicht erfüllt zu bekommen) ist die sogenannte Spielebene. Das Kind lernt durch Versuch und Irrtum und durch Problemlöseverhalten, dass es durch bestimmtes, nicht authentisches (strategisches) Verhalten vom Motiv abgeleitete interaktionelle Ziele erreichen kann. Das Erreichen dieser Ziele verhindert eine Aktivierung der negativen Schemata und gibt der Person teilweise kurzfristig ein positives Gefühl, befriedigt aber letztendlich nicht die Motive der Person.
Auch die histrionische Störung ist durch charakteristische, hoch in der Motivhierarchie stehende Beziehungsmotive gekennzeichnet.
Personen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung weisen insbesondere drei zentrale Beziehungsmotive auf:
Das Motiv nach Wichtigkeit: Das Motiv, im Leben anderer Personen eine zentrale Rolle zu spielen, für andere Menschen eine positive Bedeutung zu haben, für andere Personen wertvoll und eine Bereicherung zu sein, ernst genommen zu werden, wahrgenommen zu werden, beachtet zu werden, gehört zu werden; ohne etwas dafür tun zu müssen. Es geht den HIS damit um eine Wichtigkeit als Person.
Das Motiv nach Solidarität: Das Motiv danach, von anderen Menschen Hilfe und Unterstützung zu erhalten, wenn man sie benötigt, und das Bedürfnis danach, Schutz zu erhalten; manchmal auch das Bedürfnis danach, dass andere sich kümmern. Und wiederum geht es darum, solche Signale von Solidarität als Person zu bekommen.
Das Motiv nach Verlässlichkeit: Das Motiv, eine verlässliche Beziehung zu haben, die bestehen bleibt, belastbar ist und nicht "gekündigt" wird. Hier geht es darum, dass der HIS als Person für einen IP wertvoll sein möchte, dass dieser von sich aus verlässlich ist.
Besonders bedeutsam und vorrangig ist dabei das Bedürfnis nach Wichtigkeit: Wichtigkeit wird dabei durch interaktionelle Ziele definiert, wie:
Aufmerksamkeit erhalten,
ernstgenommen werden,
gesehen und gehört werden,
respektiert werden,
für andere eine irgendwie geartete Bedeutung haben,
zugehörig sein.
Personen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung weisen dysfunktionale Selbstschemata und Beziehungsschemata auf, die durch die Frustration der zentralen Motive in der Biographie entstanden sind. Dysfunktionale Schemata nennen wir solche, die elementare, problematische Aussagen über die eigene Person oder über Beziehungen enthalten und der Person heute Kosten verursachen (vgl. Sachse & Fasbender, 2010; Sachse, Fasbender & Breil, 2009; Sachse, Breil & Fasbender, 2009).
Die aufgelisteten Schemata sind Beispiele: Die HIS weisen Schemata dieser Art auf, unter Umständen in anderen Formulierungen; sie weisen möglicherweise nicht alle |22|diese Schemata und noch weitere Schemata auf. Die Liste ist eine Heuristik für den Therapeuten: Welche Schemata ein bestimmter Klient tatsächlich aufweist, muss im Therapieprozess genau geklärt werden!
Zentrale Selbstschemata sind:
Ich bin nicht wichtig.
Ich bin keine Bereicherung für andere.
Ich spiele im Leben anderer keine Rolle.
Ich habe anderen nichts zu bieten.
Ich habe keine Eigenschaften, die von anderen geschätzt werden.
Ich habe nichts, was andere anzieht.
Ich bin langweilig.
Ich bin uninteressant.
Ich bin unattraktiv.
Ich gehöre nicht dazu.
Manche Klienten weisen (aufgrund biographischer Erfahrungen) auch noch negativere Schemata auf, die wir als Toxizitätsschemata bezeichnen. "Toxizitätsschemata" sind solche, die Annahmen darüber enthalten, dass man als Person für andere in irgendeiner Form schädigend ist, also lästig, störend, beeinträchtigend oder wirklich schädlich. Die Klienten haben also den Eindruck, dass sie nicht nur "unwichtig" für andere sind, sondern definieren für sich eine Art "negative Wichtigkeit". So haben Klienten manchmal Schemata wie:
Ich bin lästig für andere.
Ich störe andere.
Ich behindere andere.
Ich schädige andere.
Ich bin eine Belastung für andere.
Ich bin eine Zumutung für andere.
Ich habe negative Eigenschaften, die andere beeinträchtigen.
Ich bin abstoßend.
Toxizitätsschemata erweisen sich als besonders dysfunktional und sollten vom Therapeuten auf alle Fälle identifiziert, geklärt und bearbeitet werden.
Zentrale Beziehungsschemata sind:
In Beziehungen bekommt man keine Aufmerksamkeit.
In Beziehungen wird man ignoriert.
In Beziehungen wird man nicht respektiert.
|23|In Beziehungen wird man nicht ernst genommen.
In Beziehungen wird man nicht gehört/gesehen/wahrgenommen.
Diese Selbst- und Beziehungsschemata machen Klienten "allergisch" und hyper-sensibel (das bedeutet, die Klienten reagieren auf minimale Stimuli mit maximalen Reaktionen, daher die...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.