Schweitzer Fachinformationen
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Da steht sie nun endlich vor uns, die Sennhütte auf der Hinterwaach. Alt ist sie, und schon etwas windschief. Sie soll für mich und meinen Schweizer Jagdfreund Severin Domizil sein für eine ganze Woche Gamsjagd im Berner Oberland. Trotz des eisgrau verwitterten Daches mit den von Sonne, Schnee und Regen gebleichten Zirbelschindeln bietet sie immer noch Schutz vor Sturm und Hagelschlag. Doch die hier auf 1800 Metern Seehöhe harten Wetterlagen mit den strengen Frösten im Winter haben im Laufe der Jahrzehnte dem Bauwerk sichtbar zugesetzt. Die vielen ausgebesserten, teilweise mit Zinkblech verkleideten Stellen sprechen eine deutliche Sprache. Die anfänglich sicher vorhanden gewesene bauliche Schönheit der Almhütte hat im Laufe der Jahre zwar gelitten, aber insgesamt ist sie die traute und schützende Heimstatt für Mensch und Vieh geblieben, für die sie einst erbaut worden war. Und Ästhetik hin oder her, am Berg gilt zuallererst die Zweckmäßigkeit; Schönheit steht da hintenan.
Ich war einer Gegeneinladung Severins auf Gams gefolgt. Seine jagdlichen Bemühungen auf Schwarzwild in meinem Sauerländer Revier waren schon mehrfach von Erfolg gekrönt gewesen. Nun hatte er darauf gedrungen, dass ich endlich einmal zu ihm in sein Jagdrevier - das ist immerhin der ganze Schweizer Kanton Bern - kommen sollte, um auf Gams zu jagen. Im Kanton Bern gilt das Patentjagdsystem mit all den uns so fremdartig anmutenden Eigenheiten. So gilt, dass alle Berner Eidgenossen, wenn sie Jäger sind und ihr Patent gelöst haben, auf dem gesamten Gebiet des Kanton Bern jagen können. Seit dem Jahr 2003 ist eine Neuerung hinzugekommen. So kann ein im Kanton ansässiger Schweizer Jäger einen Teil seines Abschusses auch auf einen anderen - auch ausländischen - Jäger übertragen. Dieser darf dann als Gast und unter Führung des Berner Jägers - und natürlich erst nach Zahlung der Tagesjagdkartengebühr - den ihm überlassenen Abschuss tätigen. Von dieser Regelung hatte Severin Gebrauch gemacht und mir einen Teil seines Gamsabschusses zukommen lassen.
Die Hinterwaachhütte; Severin bringt einen Obstler.
Das Gebiet um die Hinterwaach ist Severin seit Kindesbeinen vertraut. Dort hat er schon als kleiner Bub mit seinem Vater jagdliche Streifzüge auf Gams unternommen. Nun, als erwachsener Mann und ebenso wie der Vater passionierter Jäger, kennt er die Gegend wie seine Westentasche.
Geographisch ist die Bergregion der Hinterwaach höchst unterschiedlich geformt. So gibt es felsige, hoch aufragende und steile Schrofflagen, aber genauso auch rundbucklige Bergkuppen, ähnlich wie die des Nockgebirges in Kärnten. Entsprechend verschieden sind die Anforderungen an den körperlichen Einsatz. Insgesamt jedoch ist das Gebiet nicht allzu schwer zu bejagen.
Mit dem Bauern, der die Alm um die Sennhütte herum bewirtschaftet, hat Severin nun schon seit Jahren ein freundschaftliches Verhältnis. Jetzt, gegen Ende September, wo das Vieh bereits zu Tal getrieben ist, hatten wir die Hütte für die Zeit der sogenannten Hochjagd zur alleinigen Verfügung. Übrigens, Hochjagd ist die Jagd auf Hirsch, Gams und Steinbock.
Wir waren mit Severins Allrad-Pkw die unbefestigte Forststraße, die mit vielen Windungen und scharfen Kehren in die Hochlagen führte, hinaufgefahren, bis zu einer großen, auch schon verlassenen Sennhütte. Aber dort war Schluss, weiter ging es nicht. Der von Schmelzwassern ausgespülte und mit tiefen Rinnen versehene zweispurige Pfad, der von hier weiter zur Hinterwaachhütte führte, war trotz der vier angetriebenen Räder nicht mehr befahrbar. Nur des Bauern geländegängiges Vielzweckfahrzeug, mit dem er Kuhmist und Dünger streute, kam hier weiter. Diese beweglichen, speziell für die steilen Berglagen gebauten Fahrzeuge sieht man ja im gesamten Alpenbereich häufig auf den schrägen und abschüssigen Almwiesen ihre Arbeit verrichten. Sie krabbeln dank ihrer drei Achsen wie überdimensionierte Käfer in manchmal abenteuerlichen Schräglagen über die steilen Almwiesen, sodass einem allein vom Hinschauen schon schwindelig wird. Doch weder der Bauer noch sein Miststreuerfahrzeug standen zur Verfügung. Also mussten wir per pedes den Weg unter die Bergsohlen nehmen.
Alles, was so für ein einwöchiges Hüttenleben gebraucht wird, hatten wir in den Rucksäcken verstaut und diese mussten nun zu der etwa zwei Kilometer entfernt liegenden Hütte getragen werden. Gott sei Dank führte der von hier aus relativ eben verlaufende Weg ohne allzu große Höhenschwankungen direkt zur Hütte. Die wichtigsten Utensilien, nämlich die Pirschbüchsen und Ferngläser, befanden sich fest verzurrt oben auf den Rucksäcken.
So, fertig. Mit Schwung die prallen Rucksäcke geschultert, den Bergstock gepackt, und los ging's. Dass gleichzeitig beijedem Schritt ein leis zu vernehmendes Gluckern aus dem Innern der Rucksäcke ertönte, verriet, dass ein Teil der Ladung aus Flüssigkeiten bestand. Wasser ist zwar wichtig, doch noch wichtiger ist guter Rotwein und Birnbrand. Diese "geistvollen" Erfrischungen gehören unbedingt zu einem zünftigen Hüttenleben dazu. Denn der innere Mensch braucht seine Stärkung und Labung, auch und gerade auf der Gebirgsjagd. Nie schmeckt ein guter Obstbrand besser als in der reinen und kalten Bergluft. Und Wasser zum Stillen des Durstes gibt's ja draußen am Bergquell reichlich.
Übrigens ist der in Österreich so häufig verwendete Bergstock in der Schweiz weit weniger in Gebrauch. Dies mag daran liegen, dass der Schweizer Gebirgsjäger nicht so sehr dem Wild im Fels nachsteigt, sondern sich mehr auf das Ansitzen und Abwarten an Wechseln oder Äsungsstellen verlegt. "Hier bei uns kommt das Wild zum Jäger", so die Erklärung von Severin, warum er keinen Bergstock führte. Ich aber hatte meinen stabilen Bergstock dabei, der uns später, das wird die Geschichte noch zeigen, außerordentlich gute Dienste geleistet hat.
Nicht zu schnell, sondern gemächlichen Schrittes strebten wir unserem Ziel zu. Das Wetter meinte es gut mit uns und die auf Mittag zugehende Sonne heizte gehörig ein. Schon die ersten 500 Meter Wegstrecke erzeugten erhöhte Innentemperaturen und entsprechende Transpiration. Der sonst beim Wandern im Gebirge immer suchende Blick in die Berghänge hinein und auf die Grate hinauf nach Gams unterblieb daher zwangsläufig; denn der Schweiß floss in Strömen, brannte in den Augen und unterband so das Ausschauhalten nach Wild. Im Moment jedenfalls, während wir Schritt für Schritt die Wegstrecke zurücklegten, richteten sich die Gedanken mehr und mehr auf das Ziel: die Hütte, die Hütte - hoffentlich ist's bald geschafft!
Der Weg zur Hinterwaachhütte
Dann endlich, nach einer weiteren Wegkurve erschien sie vor unseren Augen. Sonnenbeglänzt und friedlich eingeschmiegt in hügelige Almwiesen lag sie vor uns. Eine lang gezogene, flache Mulde musste noch durchschritten werden, dann die letzten 50 Meter und endlich war's geschafft. Aufatmend ließen wir die Rucksäcke von den Schultern auf die vor der Gebirgshütte angebrachte Außenbank gleiten. Severin wusste, wo der Hüttenschlüssel versteckt war, und mit leichtem Knarren schwang die zweigeteilte Tür auf.
Im Innern ein alter Herd mit offener Feuerstelle. Der einfache Rauchfang darüber war mit einer dicken Schicht schwarz glitzerndem Russpech überzogen und zeugte von jahrzehntelangem Gebrauch. Der Geruch von kaltem Holzrauch und Viehdung umfing die Nase und ließ keinen Zweifel an dem Bestimmungszweck des Bauwerks aufkommen. Der Hauptraum war Aufenthaltsbereich sowohl für Mensch wie Vieh. Nur die Viehstände selbst mit ihren Holzstreben und Ketten teilten die Fläche. Hier wurde gekocht, gespült und, so man es für erforderlich hielt, auch rasiert und gewaschen. Im Sommer beim einsamen Senner schaut dabei nur das Vieh zu. Einzig der Essraum, der zugleich auch als Schlafgemach diente, war für sich separat. Ich liebe solche Ursprünglichkeit und mir passt es so am allerbesten. Einfach und zweckmäßig. Das reicht für ein gamsjägerisches Leben allemal.
Peter Spycher, ein Jagdfreund von Severin, mit dem Autor vor der Hütte
Nachdem wir alle Utensilien verstaut und uns für die nächsten Tage eingerichtet hatten, musste zunächst einmal Wasser von der 100 Meter entfernt liegenden Quelle geholt werden. Ein ordentlicher Kaffee sollte die Lebensgeister wieder auf Vordermann bringen. Severin machte sich auf den Weg. Derweil genoss ich mit ausgestreckten Füßen die herrliche Bergwelt um mich herum. Im Ohr das Summen der sonnenseligen Bienen und Hummeln, dazu die im weiten Himmel ziehenden, dickweißen Spätsommerwolken und die von ringsher grüßenden Grate und Zinnen. Und im vollendeten Einklang dazu kamen zwei Kolkraben angerudert, welche umeinander im Blau des Himmels ihre Flugspiele aufführten, wobei...
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