Schweitzer Fachinformationen
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Als Caroline erfährt, dass ihre totgeglaubte Mutter noch lebt, ist sie tief erschüttert: Nicht nur, dass ihr Vater sie jahrelang belogen hat - warum hat ihre Mutter nie nach ihr gesucht? Nachdem dann auch noch ihre Gärtnerei bei einem Unwetter zerstört wird, bricht sie endgültig alle Brücken hinter sich ab und begibt sich auf eine Reise ins Unbekannte, um ihre Mutter zu suchen.
Auch Gregors Welt gerät ins Wanken, als er die Urne mit der Asche seines Patenonkels erbt. Gregor, der eigentlich nichts für Sentimentalitäten übrighat, soll seinem Patenonkel einen letzten Wunsch erfüllten und dessen Asche dem Meer übergeben. Nach anfänglichem Zögern schmeißt er alles hin und macht sich auf den Weg.
Auf der Reise durch Frankreich, Spanien und Portugal begegnen sich Caroline und Gregor immer wieder. Und so unterschiedlich sie sind, haben sie doch eine große Gemeinsamkeit: die Suche nach ihrer Vergangenheit, der Wahrheit und Antworten auf die wichtigen Fragen im Leben.
Ein Roadtrip mit zwei bemerkenswerten Menschen und eine Liebesgeschichte, die eigentlich gar keine werden soll.
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. in dem Caroline eine Postkarte erhält und dreimal rot sieht
Sechsundzwanzig Jahre war meine Mutter tot. Dann schrieb sie eine Postkarte.
»Wie geht es Dir? Was macht die Kleine? Über Pfingsten bin ich in Deutschland. Vielleicht schau ich mal vorbei. A.«
Auf der Vorderseite eine felsige Küstenlandschaft mit viel stürmischem Himmel darüber. Eine französische Briefmarke.
Ich stehe mitten in meinem Gewächshaus, die Etiketten der Firma kleben noch auf den Glasscheiben, es ist ein blitzblanker Morgen im März, die Sonne fingert sich hartnäckig durch die Wedel der Dicksonia brasiliensis, deren schneckenförmige Triebe ich gerade mit Wasser und Nährlösung besprüht habe, überall der hellgrüne Widerschein meiner Pflanzenwelt, in der ich es mir all die mutterlosen Jahre prächtig eingerichtet habe, all die Jahre, in denen mein Vater mir erzählte, sie sei gestorben, gleich nach meiner Geburt, und das mit einem solchen Weh in der Stimme und Schmerz in den Augen, dass ich nur ganz selten gewagt habe, nach dieser Mutter zu fragen, - sie ist tot und mehr gibt es nicht zu erzählen, sagte mein Vater. Jetzt steht er dort zwischen meinen Farnen, mit eingezogenen Schultern und hängendem Kopf, zu feige, um mir in die Augen zu sehen, ein Lügner, mehr nicht.
Und ihn habe ich einmal so bewundert.
Nein, das kann nicht wahr sein, das ist ein Scherz, wenn auch kein besonders guter, das ist unmöglich, so schnell steht eine tote Mutter nicht auf aus ihrem Grab. Überhaupt, fällt mir ein: Dieses Grab, an das er mich führte, als ich doch einmal nach ihr fragte, der verschlungene Namenszug auf grauem Stein, darüber ein Engel mit Palmzweig, AN-GE-LA, entzifferte ich damals. Ich war sechs Jahre alt und gerade dabei, die Welt der Buchstaben zu erobern. »Angela«, sagte mein Vater, von dem ich damals noch nicht wusste, dass er ein Lügner ist, »das heißt Engel.« Ich betrachtete die Figur auf dem Stein genau, von da an hatte meine Mutter ein Gesicht.
Aber es ist kein Scherz. Mein Vater, der Lügner, findet endlich seine Stimme wieder, redet und fuchtelt mit den Händen, der Schweiß läuft ihm von der Stirn, und das liegt nicht allein am tropischen Klima, das meine Farne zum Leben und Wachsen brauchen. Er redet und redet, und keines seiner Worte dringt in mein Bewusstsein, ich sehe seine ängstlich huschenden Augen, seine fahrigen Bewegungen, betrachte ihn wie einen Fremden und stelle fest: Er ist alt geworden, das Haar farblos und dünn, die Züge schlaff. Sebastian Nadler, denke ich, Professor der Anthropologie, spezialisiert auf Totenkulte, Schwarm aller Studentinnen, Star jedes Symposiums, internationale Koryphäe in Sachen Grablegung, strahlender Held von Kyros und Nephtalos - im Grunde bist du nichts anderes als ein Versager. Und wie er so immer weiterredet, von einem Bein auf das andere tritt und wortreich versucht zu erklären, was nicht zu erklären ist, nicht in Hunderten von Jahren, denke ich: Auch du wirst dich eines Tages hinlegen und sterben, und dann werden wir dich in ein Grab legen - aber glaube bloß nicht, dass ich kommen werde, wie ich heimlich an das Grab mit dem Engel gelaufen bin, eine frische Blume in der Hand, später kleine Pflanzen, die ich einbuddelte und dann rasch davonlief, als hätte ich kein Recht, das zu tun. Dass ich tatsächlich kein Recht dazu hatte, das sehe ich nun klar und deutlich ein. »Wer zum Teufel war diese Angela in dem Grab?«, unterbreche ich ihn mitten in seinem Redestrom.
»Welches Grab?«, fragt da mein Vater, der Lügner. Ja. Er sagt wirklich: »Welches Grab?« Er kann sich tatsächlich nicht erinnern.
»Geh nach Hause«, sage ich. »Erzähl deine Lügen anderswo. Vielleicht finden deine Studentinnen sie ja irgendwie charmant.«
Später sitze ich in meinem grünen Lieferwagen und kämpfe mich durch den Verkehr in Richtung Innenstadt. Ich fluche und schimpfe und haue mit der Faust auf die Hupe, da sich vor mir wieder einmal die Autos ineinander verknäulen und keiner dieser elenden Blechbüchsenfahrer bereit ist, auch nur einen Millimeter nachzugeben, stur auf seinem Vorrecht besteht, bis sie schließlich aussteigen, die feinen Herren, ihre Anzugsjacken ausziehen, ordentlich auf den Beifahrersitz legen, die makellos weißen Hemdsärmel in aller Ruhe hochkrempeln, um sich eine Minute später die Nasen blutig zu schlagen. Alle anderen glotzen neugierig hinter ihren Scheiben hervor, da fühle ich, wie etwas in mir platzt, ganz still und leise, etwas, das über Jahre gewachsen ist, und ich steige ebenfalls aus, erwische einen der Kampfhähne am Arm und wirble ihn herum, mische mich ein, was ich in meinem ganzen Leben noch nie getan habe, bin auch noch nie so geschickt einem Haken ausgewichen, habe niemals, ich schwöre es, selbst mit der Faust zugeschlagen, und in der Millisekunde, bevor meine Rechte dieses fremde, erstaunte Gesicht trifft, verwandelt es sich in das Gesicht meines Vaters. Aber da kassiere ich selbst einen Schlag, der mich in die Realität zurückbringt, Mensch, tut das weh. Caroline, sag ich mir, du prügelst dich hier auf der Straße mit völlig fremden Menschen, doch es gibt kein Zurück mehr, und kurz darauf sitze ich auf der Polizeiwache, gemeinsam mit den beiden feinen Herren, und blute aus der Nase.
»Das müssen Sie sich mal vorstellen«, sage ich dem Wachtmeister. »Sechsundzwanzig Jahre lang ist Ihre Mutter tot. Und dann schreibt sie Ihnen eine Postkarte.«
In seinem Gesicht kann ich lesen wie in einem Buch: Entweder ich schick sie in die Psychiatrie und hab eine Menge Scherereien, denkt er, oder ich lass sie laufen. Aus dem Nachbarraum klingt die Radioübertragung eines Fußballspiels. Er seufzt und schickt mich nach Hause.
Aber ich gehe nicht nach Hause. Ich wasche mir auf der Toilette des Reviers das Gesicht. »Alles halb so wild«, sage ich zu meinem Spiegelbild. »Alles halb so wild. Du hast eine Mutter, was ist daran so schlimm? Jetzt setzt du dich in deinen Wagen und fährst zu dieser Werbeagentur. Schließlich hast du ein Geschäft.«
Es ist mein erster großer Auftrag. Drei Fuhren Farne für eine Präsentation. Nicht verkauft, sondern vermietet. Vor zwei Wochen kam ein Mann in mein Gewächshaus, sah sich alles an und machte mir diesen Vorschlag.
»Schreiben Sie uns ein Angebot«, sagte er. »Was es kostet, Ihre Pflanzen für drei Tage zu mieten. Sie bringen sie, stellen sie auf, holen sie wieder ab.«
»Wie viele Pflanzen sollen es denn sein?«, frage ich.
Er macht mit dem Arm eine vage Bewegung.
»Alle. Und vielleicht noch ein paar mehr. Können Sie noch mehr auftreiben?«
Klar konnte ich. Viel schwieriger war es, das Angebot zu schreiben. Zwei volle Abende schwitzte ich darüber. Dreimal schrieb ich es neu, und als ich es endlich abschickte, hatte ich das Gefühl, zu teuer zu sein und den Auftrag zu verlieren. Als das Angebot schon am nächsten Morgen unterschrieben und bestätigt durch mein Faxgerät lief, war ich mir sicher, ich hatte es doch zu niedrig kalkuliert.
Vollends überzeugt davon war ich, als ich die erste Ladung Farne an den Ort des Geschehens brachte. Die Basilika stand auf der rauchfarbenen Visitenkarte, die mir Arndt Godenflo, Artdirector, in die Hand gedrückt hatte. Und das war nicht gelogen, als ich die Farne anlieferte, fand ich mich vor einer veritablen Kirche. Innen allerdings war alles anders: Dort, wo einst die Gläubigen in stiller Andacht die Hand in das Weihwasserbecken tauchten und sich nach dem Gesangbuch umsahen, befindet sich heute ein Empfangsbereich mit Theken aus Edelstahl und Marmor. Zwei Mädchen, die auch auf einem Laufsteg eine gute Figur machen würden, lächeln dem Besucher entgegen. Dahinter öffnet sich der Blick in ein gewaltiges Kirchenschiff. Purpurrote und ultramarinblaue Glasfenster bündeln hoch oben das Licht und lenken es auf einen Fußboden aus cremefarbenem Travertin. In den Seitenschiffen schweben gläserne Kästen wie Aquarien, darin tummeln sich bunte Menschen. Dort, wo früher einmal der Altar stand, befindet sich der größte Flachbildschirm, den ich je in meinem Leben gesehen habe, dahinter im Chor eine Wand aus Monitoren, auf denen Bilder rhythmisch wechseln, Symmetrien bilden, sich zu einem einzigen, riesigen Bild zusammenfügen, um dann wieder auseinanderzufallen in Wogen und Wellen.
»Willkommen in der Basilika von >Schmidt-Hoss & Beer<«, begrüßt mich Arndt Godenflo. »Haben Sie die Farne dabei?«
Vor drei Tagen also verwandelte ich dieses Kirchenschiff in eine grüne Oase. Ein ganzes Heer hilfreicher Geister errichtete unter meiner Anleitung Podeste, die ich so arrangierte und bepflanzte, dass man die Aufbauten darunter nicht mehr erkennen konnte. An Stahlseilen befestigte ich große Arrangements, die von der Decke herabgelassen wurden, sodass es am Ende aussah, als sei über Nacht ein Urwald in die Kirche hereingewuchert und hätte sich dieses riesigen Raumes bemächtigt.
»Achten Sie unbedingt auf das Raumklima«, schärfte ich Arndt Godenflo ein und erklärte ihm die Handhabung der vier Luftbefeuchter. »Und die richtige Temperatur. Sonst lassen die alle morgen schon die Wedel hängen.«
Was es genau mit der Präsentation auf sich hatte, habe ich nicht herausbekommen. Ich sah eine Weile zu, wie eine theatertaugliche Beleuchtungsanlage installiert wurde und hatte eine Idee. Und aus diesem Grund fahre ich jetzt schon zur Basilika, und nicht, wie vereinbart, erst heute Abend: Heimlich, still und leise werde ich von der Empore aus ein paar Fotos machen, und bevor ich eine abschlägige Antwort erhielt, fragte ich lieber gar nicht erst um Erlaubnis, mich bekommt ohnehin niemand zu sehen, denn hinter der Sakristei entdeckte ich eine Treppe, die seitlich hinauf zur Empore führt .
Auf die Idee,...
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