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Muss man außergewöhnlich sein, um glücklich zu werden?
Nachdem die 28jährige Emily Turner eine BBC-Dokumentation über das Leben der Briten gesehen hat, stellt sie fest: Sie ist ganz und gar durchschnittlich. Ihr Name, ihr Beruf, sogar ihre Blutgruppe. Um dies schleunigst zu ändern, verfasst sie eine Liste mit Vorsätzen, um aus ihrer Routine auszubrechen. Am wichtigsten jedoch ist, dass sie sich nicht verlieben darf, nicht mit 28! Aber genau das erweist sich als schwierig, als sie den gutaussehenden Josh kennenlernt. Und auch das restliche Umsetzen der Liste ist schwerer als gedacht, denn während sie ihr aufregendes, neues Ich zu gestalten versucht, funken ihr immer wieder alte Gefühle aus der Vergangenheit dazwischen, von denen Emily glaubte, sie längst hinter sich gelassen zu haben ...
Offenbar ist es ein wesentliches Element des menschlichen Daseins, sich zu fragen, wann und wie man sterben wird. Es sei denn, man ist ich. Ich weiß bereits, dass ich exakt noch vierundfünfzig Jahre zu leben habe.
Sehr wahrscheinlich werde ich am Ende einem Herzleiden erliegen. Und wenn man danach geht, wie absolut durchschnittlich mein Leben ist, beiße ich vermutlich in einem Krankenhaus ins Gras und verlebe die letzten Momente meines sterblichen Daseins in irgendeinem Krankensaal des Huddersfield General.
»Und das war's. Der Tod. Die einzige Gewissheit im Leben eines Menschen«, rattert der Moderator, eine Art David Attenborough für Arme, die letzten Worte seines Skripts herunter, und der Abspann der BBC-Sendung setzt ein. Ich fühle mich, als hätte mir jemand einen Faustschlag verpasst. Nicht dass ich Erfahrungen mit Faustschlägen hätte, Gott behüte, ich bin nicht diese Art Mädchen. (Oder besser: Frau. Gott, jetzt fühle ich mich alt.) Ich stelle mir eben vor, dass es sich so anfühlen würde. Ins Gesicht geschlagen zu werden. Ich stehe auf wackeligen Beinen. Mir ist schwindelig. Ich will mich an der Couch festhalten, doch die ist so billig, dass sie sofort nachgibt, und so sinke ich auf den Boden.
Es war eine Dokumentation. Eine, die so tut, als wären menschliche Gewohnheiten ebenso interessant wie die von Tieren, obwohl wirklich niemand weiß oder wissen will, dass der Durchschnittsmensch 28 000 Mal am Tag blinzelt. (Memo an mich: weniger blinzeln.)
Alles in allem war die Sendung ziemlich langweilig. Der Grund, warum ich jetzt völlig fertig auf dem Teppich im Wohnzimmer liege, ist das Zeug, das Mr David Attenborough für Arme gesagt hat: »Der durchschnittliche Mensch dieses .« und »Der durchschnittliche Mensch jenes .«, und jedes einzelne Detail eines Durchschnittslebens schien genau auf mein eigenes mittelmäßiges Dasein zu passen. Meine Güte, sogar meine beiden Namen sind in den Top fünf der üblichsten Namen. Emily Turner. So spannend wie Graubrot.
Ich bin jetzt wieder auf den Beinen und erleichtert, dass Kaz nicht hier ist und Zeugin wird, dass ich wie eine Irre auf und ab renne.
Versteht mich nicht falsch, es ist nicht so, als hätte ich mich je der Illusion hingegeben, für etwas Großes bestimmt zu sein. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch mit gewöhnlichen Gedanken, der ein gewöhnliches Leben lebt. Ich hatte niemals vor, ein Heilmittel für Krebs zu finden oder etwas ähnlich Beeindruckendes zu leisten. Aber niemand will, dass sein bedeutungsloses Leben vollkommen durchschnittlich ist, oder?
Es ist Mums Schuld, dass ich überhaupt so viel über den Beginn und das Ende meines eigenen Daseins weiß. Die meisten Menschen vergessen doch sicher viel von dem, was in ihren ersten zehn Lebensjahren passiert. Dieses Glück ist mir nicht vergönnt. Meine Mum muss alles zwanghaft dokumentieren. Jeder Moment meines Lebens wurde sorgsam festgehalten. Früher fand ich das komisch. Heute denke ich mir, wenigstens hat sie eine Macke. Ich habe nicht mal eine Macke.
Wie dem auch sei, im Esszimmer meiner Eltern gibt es eine ganze Wand mit Fotoalben, jedes davon penibel beschriftet. Gäbe es sie nicht, würde ich vielleicht nicht wissen, wie lange sie und Dad es versucht haben, bis sie schwanger wurde (Schauder), wie lange ihre Wehen gedauert haben (Newsflash, Mum, das war nicht meine Schuld), wann ich meinen ersten Zahn bekommen und das erste Mal geredet habe, wann ich angefangen habe zu laufen. Sie hat mich sogar am Tag meiner ersten Periode fotografiert.
Mum die Schuld zu geben verschafft mir eine gewisse Erleichterung. Es ist ihre Schuld, dass ich durchschnittlich groß bin. Ihre Schuld, dass ich ziemlich durchschnittlich aussehe. Auf einer dieser total sexistischen Skalen, die Männer benutzen, um Frauen rein nach ihrem Aussehen zu bewerten, würde ich mich als eine solide Sechs bezeichnen. Eine Fünf an einem schlechten Tag. Ich habe braune Augen und Haare, die irgendetwas zwischen glatt und lockig sind. So eine Art weniger attraktive und alternde Hermine Granger. Manchmal denke ich, ich wäre die perfekte Kandidatin, um ungestraft mit einem Mord davonzukommen. Ich habe so wenige auffällige Merkmale, dass Augenzeugen sich nicht an mich erinnern würden. Das einzig Ungewöhnliche an mir ist eine Sommersprosse auf meiner rechten Wange. Und selbst da muss man schon sehr nah dran sein, um sie zu entdecken.
Ich habe nicht mal einen spannenden Beruf. Ich bin Lehrerin. Ja, ich weiß, dass manche Leute darin so eine Art Berufung sehen. Eine Bestimmung. Ich bewundere diese Menschen wirklich. Diese Leute verdienen einen Orden. Leider gehöre ich nicht dazu.
Kurz spüre ich ein Stechen, das sich verdammt nach einem schlechten Gewissen anfühlt. Direkt unter den Rippen. Wo das schlechte Gewissen einen für gewöhnlich packt. Nur dass ich jetzt keine Zeit für ein schlechtes Gewissen habe. Eine egozentrische Panikattacke ist da schon angenehmer.
Ohne dass ich es je geplant hätte, ist aus mir der durchschnittlichste Mensch der Welt geworden. Und was bleibt jetzt noch? Hochzeit mit einunddreißig, in drei Jahren. Ganz toll. Dann werde ich vermutlich dieses Jahr meinen Seelenverwandten treffen. Zwei Kinder. Und von da an schleppe ich mich dann zur Rente. Unterrichte jeden Tag meines Lebens Von Mäusen und Menschen, bis ich mit sechsundfünfzig in den Ruhestand gehe, ein paar Jahrzehnte durch den Garten spaziere, bis ich schließlich genau nach Plan in den tiefen Abgrund des Nichts gerissen werde.
Das ist schlimm. Richtig schlimm.
Kaz! Sie wird dafür sorgen, dass ich mich besser fühle.
Ich: Kaz, erzähl mir etwas Interessantes über mich.
Kaz: Das ist eine ziemlich komische Nachricht.
Ich: Jetzt komm schon!
Kaz: Ich muss Leben retten.
Ich: Bitte.
Diese kleinen Pünktchen, die anzeigen, dass sie schreibt, erscheinen und verschwinden wieder und wieder. Kaz ist meine Mitbewohnerin, meine beste und einzige Freundin. Und nichts an ihr ist normal. Zum einen ist sie Krankenschwester in der Notaufnahme. Sie bekommt sogar Gratiszeug im Sandwichladen, weil ihr Job so beeindruckend ist. Und sie hat rotes Haar und große grüne Augen. Wie eine sexy moderne kleine Meerjungfrau.
Schließlich eine Antwort.
Kaz: Du warst Zweitplatzierte in diesem Gedichtwettbewerb.
Kaz' Feststellung ist auf vielen Ebenen ein Reinfall.
Erstens: Sie ist der Mensch, der mich am besten kennt. Kaz war diejenige, der ich mich anvertraut habe, als Martin Stevens in der neunten Klasse allen erzählt hat, ich könne nicht küssen. Es war Kaz, der ich die Schmuddelheftchen gezeigt habe, die Matt unter seiner Matratze versteckt hatte. Und es war Kaz, die meine Hand bei der Beerdigung ganz fest gedrückt hat, als Mom und Dad anscheinend vergessen hatten, dass ich da war. Und trotz all der Dinge, die uns verbinden, ist das das Beste, was ihr einfällt. Meine Güte, ich habe noch nicht mal gewonnen. Der Teufel steckt im Detail. Zweitplatzierte.
Zweitens: Dieser Wettbewerb fand in der zehnten Klasse statt. Das lässt darauf schließen, dass ich ihrer Meinung nach in den letzten fünfzehn Jahren nichts auch nur annähernd Interessantes getan habe.
Ich bekomme keine Luft mehr. Ich habe das Gefühl, ein Elefant sitzt auf meiner Brust. Wie machen sie das immer in dieser Arztserie? Sie sagen den Leuten, dass sie atmen sollen. Ein und aus. Ein und aus.
Ja nun, das klappt nicht.
Sicher, es war nur eine Fernsehsendung. Aber niemand, ich wiederhole, niemand sollte abends um zehn Uhr dazu gezwungen werden, der Mittelmäßigkeit seines eigenen Daseins ins Auge zu blicken.
Ich laufe die Treppe hinauf und presse mir dabei theatralisch die Hand aufs Herz. Nur dass hier niemand ist, der es sehen könnte.
In dem kleinen Bad putze ich mir die Zähne und drehe mich dabei wie immer vom Spiegel weg. Natürlich habe ich noch kein eigenes Haus. Wenn man nach den mein Leben bestimmenden Regeln der Durchschnittlichkeit geht, eines der weniger bekannten physikalischen Prinzipien, liegen noch drei Jahre vor mir, bevor ich diesen Punkt auf der Liste abhaken kann. Ich meine, es wäre wirklich nett, ein Bad mit weniger Schimmel zu haben. Egal, was Mr McGee, unser Vermieter, sagt, mit moderner Kunst hat das nicht viel zu tun. Aber vielleicht bleibe ich trotzdem noch ein Jahr.
Es ist Viertel nach zehn. Ich habe meinen Nervenzusammenbruch jetzt schon seit ganzen fünfzehn Minuten.
Ich schreibe noch einmal an Kaz.
Ich: Das ist nicht sehr spannend.
Diese drei kleinen Punkte. Ich hasse diese kleinen Punkte.
Kaz: Du bist heute aber echt komisch. Es ist, wie meine Großtante Mary immer gesagt hat: Manche Menschen sind Stilettos und andere eher Hausschuhe.
Ich: Hat Mary das echt gesagt?
Kaz: Sie hat doch immer diese gigantischen Absätze getragen, erinnerst du dich? Selbst im Pflegeheim noch.
Ich: Demnach bin ich also ein Hausschuh, ja?
Kaz: Ja, aber was wärst du lieber auf lange Sicht?
Ich: Ja nun, natürlich kein Hausschuh!
Kaz: Du hast zwölf Paar Hausschuhe und ein Paar Stilettos.
Ich: Aber nur, weil bei dem anderen der Absatz kaputtgegangen ist. Du willst damit also sagen, dass mein Leben so interessant ist wie ein Paar Omahausschuhe? Was sonst noch? Ein Einteiler? Ein Waschlappen? Welche anderen Gegenstände würdest du hinzuziehen, um zu beschreiben, wie...
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