Schweitzer Fachinformationen
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KAPITEL 1
Geldgier, Grössenwahn und Verantwortungslosigkeit trieben die zweitgrösste Schweizer Bank in den Ruin. Die letzte Chance zur Rettung wird 2022 verpasst, weil sich Verwaltungsräte bereichern wollen. Dutzende von Gesprächen mit ehemaligen Managern und bisher unbekannte Dokumente belegen: Der Untergang der CS wurde verursacht durch das eigennützige Handeln von wenigen und die Blindheit von vielen.
Seit dem 1. Juli 2024 gibt es die Credit Suisse nicht mehr. Ulrich Körner, der letzte Konzernchef ist weg, am Paradeplatz strahlt nur noch das Logo der UBS. Der Schweiz bleibt damit eine einzige Grossbank - und die ist riesig. Entsprechend gross ist ihr Einfluss auf die Politik, die Wirtschaft und auf den Wohlstand der Schweiz. Eine Monsterbank mit gewaltigen Risiken für das Land. Dank der neuen UBS bleibt die Schweiz aber auch ein wichtiger internationaler Finanzplatz mit globaler Ausstrahlung. Das bringt viele Vorteile: gut bezahlte Jobs, günstige Kredite für Firmen und Hausbesitzer sowie Steuern für den Staat. Dass es nur noch eine grosse Bank gibt, statt zwei, hatte bisher kaum spürbare Auswirkungen. Dank der am 19. März 2023 verfügten Zwangsfusion lief das Geschäft weiter, als wäre nichts geschehen. Zwar gibt es Klagen von Firmen, dass die UBS ihre Monopolsituation ausnütze, höhere Zinsen verlange und die Konditionen verschärfe, aber letztlich sind das Einzelfälle. Die grosse Kündigungswelle blieb aus. Es scheint fast so, als löse sich das Problem Credit Suisse von selbst.
Was bleibt, ist das gewaltige Risiko, das die Grossbank darstellt, weil sie aus Schweizer Sicht nicht untergehen darf. Die Idee, das «Too-Big-to-Fail»-Problem mit einem Gesetz zu lösen, hat sich im Falle der CS als Illusion erwiesen. In den letzten Tagen der Credit Suisse gab es massiven Druck aus Amerika, Grossbritannien und Europa. Für sie war es selbstverständlich, dass der Schweizer Staat das Problem Credit Suisse löst und die UBS dazu zwingt, die CS zu übernehmen. Auf die Bemühungen der Schweiz, die CS Schweiz sicherer zu machen, reagierten die USA und Grossbritannien mit Gegenmassnahmen.
Am aggressivsten waren die Amerikaner. Die verlangten bereits im Herbst 2022, dass die CS 18 Milliarden Dollar Cash nach Amerika schickt, und machten klar, dass sie eine Fusion mit der UBS wünschen.
Am aggressivsten waren die Amerikaner. Die verlangten bereits im Herbst 2022, dass die CS 18 Milliarden Dollar Cash nach Amerika schickt, und machten klar, dass sie eine Fusion mit der UBS wünschen. Am Wochenende des 18. und 19. März 2023 forderte die amerikanische Notenbank, dass die CS nochmals 9 Milliarden Dollar in die USA schickt. Als dann die Rettung kam - die Nationalbank stellte mit staatlicher Unterstützung 250 Milliarden Franken bereit - wuchsen die Begehrlichkeiten. Von den 168 Milliarden Franken Liquiditätshilfe, die tatsächlich bezogen wurden, gingen gerade mal 38 Milliarden an die CS Schweiz. Der Rest floss ins Ausland oder in die internationale Vermögensverwaltung. Kaum war das Geld da, gingen 65 Milliarden Dollar (60,5 Milliarden Franken) in die USA. 10 Milliarden Euro (9,5 Milliarden Franken) flossen nach Europa, um die offenen Rechnungen zu bezahlen. Die restlichen knapp 60 Milliarden Franken stabilisierten die internationale Vermögensverwaltung. Fazit: Dank der Nationalbank und dem Notrecht des Bundes gelang es, den Bank Run bei der CS zu beenden. Aber der allergrösste Teil des vielen Geldes floss ins Ausland oder in die internationale Vermögensverwaltung, nicht in den für die Schweizer Wirtschaft systemrelevanten Teil der CS Schweiz. Wenn etwas Ähnliches bei der UBS passiert, geht es um dreimal höhere Beträge - und die Schweiz zahlt auch für das Auslandgeschäft der UBS.
Weil die Risiken für die Schweiz so gross sind, lohnt es sich, genau hinzuschauen, wie es dazu kam, dass die CS Staatshilfe brauchte. Die parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) untersuchte dies 18 Monate lang und benennt keinen einzigen Verantwortlichen. Im Gegenteil, sie spricht die Behörden frei und weist die Schuld anonymen CS-Managern zu. Von diesen rechtfertigt sich kein einziger. Den Bonus zurückgegeben hat auch keiner. Sergio Ermotti, der Chef der neuen UBS, fragt deshalb im Film «Game Over»: «Eine solche Bank geht unter und niemand ist verantwortlich. Der Verwaltungsrat ist nicht verantwortlich. Die Direktion ist nicht verantwortlich. Die Aktionäre sind nicht verantwortlich. Die Aufsichtsbehörden sind nicht verantwortlich. Ja, wer soll denn verantwortlich sein?» Dieses Buch ist ein Versuch, die Antwort zu geben.
Der Untergang der CS und die Übernahme durch die UBS wurde bisher immer als alternativlose Konsequenz eines jahrelangen Missmanagements dargestellt. Doch dem ist nicht so. Auch im letzten Jahr vor dem Untergang, als das Duo Axel Lehmann/Ulrich Körner an die Macht kam, gab es noch Momente, in denen sie das Ruder hätten herumreissen können. Im Frühling 2022 war noch so einen Moment. Damals meldete sich der Spitzenbanker Bob Diamond bei Axel Lehmann und unterbreitete ihm den Vorschlag, zusammen mit einer Investorengruppe die Investmentbank für 5 Milliarden Franken abzukaufen. Der scheidende Konzernchef Thomas Gottstein hatte zudem einen Käufer für das Asset-Management gefunden, der 5 Milliarden Franken zahlen wollte. Und es lag auch ein fixfertiger Vertrag fu¨r das Derivategeschäft («Securitized Products») auf dem Tisch. 6 Milliarden wollte das Private-Equity-Unternehmen Apollo dafür bezahlen. Wäre das damals bekannt geworden, die CS-Aktien hätten einen Freudensprung gemacht und es hätte sich eine Strategie erarbeiten lassen, die zwar zu einer deutlich kleineren Bank geführt hätte, aber zu einer überlebensfähigen.
Die CS/UBS Pressekonferenz mit Bundesrat vom 19. März 2024
Dass dies nicht geschehen ist, hat verschiedene Gründe. Zum einen gab es Schwierigkeiten mit dem Regulator, der Finanzmarktaufsicht (Finma). Die Credit Suisse hatte die ausländischen Tochtergesellschaften mit viel zu hohen Werten in den Büchern. Ein Missstand, den die Finma über Jahre zugelassen hat. Der langjährige Direktor Mark Branson hat der CS eine spezielle Ausnahmeregelung (Filter) gebaut, die Fantasie-Zahlen zu akzeptierten Bilanzwerten machte. Diese Fiktion wurde nun zum Problem. Es hätte eine Bilanzsanierung gebraucht, obwohl die CS auf dem Papier 40 Milliarden Franken Eigenkapital auswies. Wahrscheinlich hätte es auch die Hilfe der Notenbank gebraucht, aber keine Zwangsfusion. Doch diese Diskussion wurde nie geführt. Stattdessen operierten Körner und Lehmann mit einem völlig untauglichen Businessplan.
Ein anderer Grund ist ein handfester Interessenkonflikt, einzelne Verantwortliche der CS wollten von der Notlage profitieren. Im Sommer 2022 setzte der CS-Verwaltungsrat einen Strategieausschuss ein. Präsidiert wurde dieser von Michael Klein, ein Mitglied war Blythe Masters. Beide sassen schon zuvor im CS-Verwaltungsrat. Im Herbst 2022 stellte sich heraus, wie sie sich die Sanierung der CS vorstellten. Klein wollte nicht nur eine persönliche Beteiligung an der Investmentbank, sondern er wollte erst noch, dass die CS ihm seine Privatfirma für 210 Millionen Franken abkauft. Später hätte er dann die Investmentbank an die Börse gebracht, wobei nur 25 Prozent des Erlöses an die CS gehen sollten. Masters hätte von einem völlig intransparenten Deal mit Apollo profitiert, der nicht 6 Milliarden Franken gebracht hätte, sondern nicht einmal eine Milliarde. Wie das möglich war, müsste eigentlich ein Staatsanwalt untersuchen.
Im Herbst 2022 gab es eine weitere Chance, die Lehmann und Körner verpassten: Am 2. November beschloss der Bundesrat, den Weg freizumachen für ein Nothilfepaket von 150 Milliarden Franken. Im PUK-Bericht ist belegt, wie Axel Lehmann dies ablehnte und Finanzminister Ueli Maurer daraufhin die geplante Rettungsaktion abblies.[1] Für Maurer war die Meinung des Bankpräsidenten wichtiger als die der Regierung.
Maurer versuchte sich später damit herauszureden, dass er nicht genügend informiert war. Das ist nachweislich falsch. Er wusste, dass die CS kurz vor der Pleite stand. Zusammen mit Thomas Jordan, dem Präsidenten der Nationalbank, und Marlene Amstad, der Präsidentin der Finma, sass er im Lenkungsgremium für Finanzkrisen. Dort wurde alles besprochen, wie der PUK-Bericht nachweist. Obendrein hatte er mehrere Geheimtreffen mit Lehmann und Jordan. Am 21. Oktober 2022 diskutierte Maurer an einem solchen Geheimtreffen mit Jordan erstmals die Übernahme der CS durch die UBS. Das Projekt bekam den Codenamen «Como». An einem weiteren Geheimtreffen, das ebenfalls im Herbst 2022 stattfand, besprachen Maurer und Jordan das Projekt «Como» mit UBS Präsident Colm Kelleher. Es gab also kaum jemanden, der besser informiert war über den Zustand der CS als Ueli Maurer bis zu seinem Rücktritt.
Das war nicht nur fahrlässig, weil es die Gefahr eines Bank Runs verstärkte, sondern kontraproduktiv, weil die Amerikaner daraufhin «Ring-Fencing-Massnahmen» ergriffen und zusätzliche Liquidität verlangten.
Finma-Präsidentin Marlene Amstad wollte nicht an den Geheimtreffen teilnehmen. Ihr Fehler war, dass sie Lehmann nicht die Gewähr entzog, als er am 2. November 2022 die Staatshilfe ablehnte. Sie zwang auch den CS-Verwaltungsrat nicht dazu, Sanierungsmassnahmen einzuleiten, obwohl diese gesetzlich vorgeschrieben sind.[2] Stattdessen erlaubte die Finma der CS mehrmals, gegen die vorgeschriebenen Mindestwerte bei der Liquidität zu verstossen. Das war nicht nur fahrlässig, weil es...
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