Schweitzer Fachinformationen
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März 1839
Chinas offene See. Eine warme Nacht. Eine leichte Brise. Am Horizont Wolkenschlieren und darüber ein silberner Viertelmond zwischen den Sternen.
Die Meere Chinas konnten tückisch sein - während des Monsuns furchtbar. Aber heute teilte sich das schwarze Wasser unter dem Bug des Klippers, glatt wie Lack.
Die Ladung, die unten in fünfhundert Mangoholzkisten verstaut war - einhundert gehörten Trader, ein großer Teil seines Vermögens -, war ebenfalls schwarz.
Opium.
John Trader blickte vom Deck übers Wasser, sein Gesicht unbewegt wie das eines Spielers. Er hatte seine Wahl getroffen. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Er hatte Glück gehabt, dass die Odstocks einen Juniorpartner gesucht hatten. Bereits seit einer Weile kannte er den jüngeren Bruder, Benjamin, bevor er ihn angesprochen hatte, ob er in das Geschäft einsteigen konnte. Zufällig hatte Trader einen guten Zeitpunkt gewählt.
»Mein Bruder Tully ist jetzt fünfzig«, erklärte der stämmige Kaufmann. »War jahrelang in Kanton. Er will zurück und zu unserem Vater in London.« Er lächelte. »Wäre nicht meine Wahl. Vater ist ein mürrischer alter Knacker. Tully braucht also jemanden, der sich in Kanton einarbeiten kann. Meinst du, du kannst das?«
»Das klingt genau nach dem, was ich suche«, hatte Trader geantwortet.
»Wir wünschen uns wen, der sich ins Geschäft einkaufen könnte.« Benjamin hatte ihn scharf angeschaut.
»Ich bin vielleicht interessiert - kommt auf die Bedingungen an.«
»Es ist nicht wie in Kalkutta«, hatte Benjamin ihn gewarnt. »Nicht viel Gesellschaftsleben. In Kanton selbst sind nur Männer zugelassen. Während der Handelssaison müssen sie wochenlang dort bleiben. Die Familien leben draußen in Macau, was kein übler Ort ist. Solide. Die Portugiesen haben da das Sagen, wie Sie wissen, aber es gibt eine englische Gemeinde. Eine englische Kirche. Diese Dinge eben. Und einen Vertreter der britischen Regierung, nebenbei bemerkt. Ein Mann namens Captain Elliot. Ein recht guter Mann, würde ich sagen.«
»Und Sie gehen vermögend in den Ruhestand«, fügte Trader freundschaftlich hinzu. Die Tatsache, dass er hoffte, noch schneller reich zu werden, sollte im Moment wohl besser verschwiegen werden.
»Mit etwas Glück.« Benjamin Odstock betrachtete ihn nachdenklich, während Trader die Tabakflecken auf der weißen Weste des älteren Gentlemans musterte. »In der Branche braucht man Unternehmergeist und starke Nerven. Die Preise schwanken. Manchmal gibt es eine wahre Schwemme.«
»Der Kaiser mag den Handel nicht.«
»Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Die Nachfrage ist riesig und wächst.« Benjamin Odstock blies seine roten Wangen auf. »Behalten Sie einfach einen kühlen Kopf. Es würde mich nicht wundern«, sagte er freundlich, »wenn der Opiumhandel für immer weitergehen würde.«
Die Odstocks verstanden ihr Geschäft. John dachte, er könne ihnen vertrauen.
Es war Mitternacht, als sie den Schoner vor sich sahen. Drei Lichter. Das Signal. Trader befand sich immer noch an Deck und stand in der Nähe des Kapitäns.
»Das wird McBride sein, denke ich«, sagte der Kapitän. »Er holt die Fracht gern hier draußen ab.«
»Warum?« Das Depot befand sich auf der Insel Lintin, im Südchinesischen Meer.
»McBride bevorzugt das offene Meer.« Einen Moment später gab der Kapitän den Befehl: »Beidrehen.« Als sie sich näherten, hielt der Skipper des Schoners eine Laterne hoch, sodass sie sein bärtiges Gesicht erkennen konnten. »Das ist er«, bemerkte der Kapitän.
Dann hörten sie McBrides Stimme übers Wasser rufen. »Auf Lintin wird nichts verkauft. Keine Kundschaft.«
Trader spürte, wie er blass wurde. Glücklicherweise konnte das in der Dunkelheit niemand sehen. »Lügt er?«, fragte er den Kapitän. »Um mich dazu zu bringen, an ihn zu verkaufen?«
»McBride ist ehrlich. Außerdem kauft er nicht. Er verkauft nur auf Kommission.«
Meine erste Reise, dachte John, und die Fracht, in der ich mein Erbe versenkt habe, ist unverkäuflich. Würde er sich ruinieren?
»Ich werde es an der Küste versuchen«, rief McBride. »Ist noch Platz für einhundert Kisten. Sind Sie interessiert?«
John kamen Benjamin Odstocks Worte in den Sinn. Starke Nerven. Ein kühler Kopf. Und Unternehmergeist. Dennoch war er fast überrascht, als er seine eigene Stimme zurückbrüllen hörte. »Wenn du mich mitnimmst und nach Kanton bringst, wenn wir fertig sind.«
Es entstand eine Pause. »In Ordnung«, rief McBride.
Auf dem Schoner befanden sich zwanzig Mann - Engländer, Holländer, Iren, ein paar Skandinavier und vier indische Lascars. Sie benötigten weniger als eine halbe Stunde, um die einhundert Kisten vom Klipper in den großen Laderaum des Schoners zu bringen.
Währenddessen stellte John fest, dass er nicht der einzige Passagier war. Er freute sich, dass Read, sein Bekannter aus Kalkutta, ebenfalls an Bord war.
»Ich wollte eigentlich nach Macau segeln«, sagte der Amerikaner. »Dann rief uns heute Nachmittag McBride an. Als ich hörte, dass er die Küste hinauffahren wollte, sprang ich an Bord und komme für den Törn mit.« Er grinste. »Wie schön, Ihre Gesellschaft zu haben, Trader. Das dürfte interessant werden. Wir haben auch einen Missionar an Bord.« Er deutete mit dem Zeigefinger nach vorne, wo eine Gestalt in einer Hängematte schlief. »Holländer.«
Da seine Ladung nun vollständig war, wollte McBride rasch weiterreisen. Die Besatzung machte schnell, und schon waren sie wieder unterwegs.
»Sie können meine Kajüte benutzen, wenn Sie wollen, Gentlemen«, sagte der Skipper. »Oder wenn Sie lieber an Deck sein wollen, achtern finden Sie Decken. An Ihrer Stelle würde ich mich schlafen legen.«
Read entschied sich fürs Deck. John ebenfalls. Falls etwas passierte, wollte er das nicht verpassen. Sie gingen nach vorne und ließen sich nieder. Die meisten Mitglieder der Besatzung hockten ruhig da oder schliefen. Der Missionar in seiner Hängematte, ein großer, schwerer Mann, der seinen Schlaf nicht unterbrach. Von Zeit zu Zeit mischte sich sein Schnarchen unter das leise Rauschen des Winds in der Takelage.
John schlief sofort ein und wachte erst wieder auf, als das erste Licht der Morgendämmerung zu sehen war. Read war auch wach und blickte nachdenklich zu den verblassenden Sternen hinauf.
»Guten Morgen«, sagte John leise. »Schon lange wach?«
»Eine Weile.« Er drehte sich um und sah zu John. »Gehört Ihnen die Fracht, die Sie an Bord haben bringen lassen?«
»Ein Teil davon.« John setzte sich auf. Eine dunkle Haarsträhne fiel ihm in die Stirn. Er strich sie fort.
»Sie haben sich das also ziemlich was kosten lassen. Haben Sie sich das Geld geliehen?«
»Unter anderem.«
»Mutiger Mann.« Read verfolgte die Angelegenheit nicht weiter.
Sie standen auf und begaben sich zum Skipper am Steuerrad.
»Alles ruhig?«, fragte Read.
»Im Moment müssen wir nur nach Piraten Ausschau halten«, antwortete McBride. »Wenn wir auf irgendwelche Piraten treffen, Sir«, fuhr der Skipper fort, »werde ich Ihnen eine Pistole geben und Sie bitten, sie zu benutzen.«
»Ich werde schießen.« Read holte eine Zigarre heraus.
»Sie sehen aus wie ein Mann«, traute sich der Skipper zu sagen, »der die sieben Weltmeere kennt.«
»Ich komme herum.«
»Was führt Sie hierher, wenn ich fragen darf?«
»Ich gehe meiner Frau aus dem Weg.« Read zündete seine Zigarre an und paffte eine Minute oder zwei schweigend. »Allerdings ist es das erste Mal, dass ich schmuggle.« Er grinste. »Ich war noch nie kriminell.«
»Nur nach chinesischem Gesetz«, sagte McBride. »Und das zählt für uns nicht.«
»Richtig.« Read blickte zu dem Missionar, der gerade lauter schnarchte. »Sagen Sie«, fragte er, »haben Sie immer einen Missionar mit an Bord?«
»Für gewöhnlich. Die verstehen das Kauderwelsch. Brauch sie zum Übersetzen.«
»Und es macht ihnen nichts aus . dieses Geschäft?«
McBride lächelte. »Sie werden es erleben.«
Eine Stunde nach Sonnenaufgang erblickten sie die Küste - eine kleine Landzunge im Westen, die bald wieder verschwand. Daraufhin nichts mehr bis zum Morgengrauen, als dann weitere Küstenlinien auftauchten. Erst eine weitere Stunde später sah Trader die viereckigen Segel auf sich zukommen. Er schaute zu McBride.
»Piraten?«, fragte Trader.
McBride schüttelte den Kopf und übergab das Steuer für einen Moment an Read, während er den Missionar wach rüttelte. »Raus aus den Federn, Van Buskirk. Wir haben Kundschaft.«
Trader beobachtete. Der große Holländer, der gerade aufgewacht war, bewegte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Unter einem Vordach holte er zwei große Weidenkörbe hervor und öffnete sie. Der eine enthielt billig gebundene Bücher, der andere war voll mit bedruckten Blättern in farbigen Papierumschlägen. Dann trat er ans Steuer.
»Bibeln?«, fragte Read.
»Evangelien, Mr Read, und christliche Traktate. Auf Chinesisch, natürlich. Gedruckt in Macau.«
»Um die Ungläubigen zu bekehren?«
»Das ist meine Hoffnung.«
»Seltsame Art, Menschen zu bekehren, wenn ich das so sagen darf - von einem Opiumschiff aus.«
»Wenn ich das Evangelium an Land predigen könnte, ohne verhaftet zu werden, wäre ich nicht an Bord dieses Schiffes«, antwortete der große Mann. Er schaute zum Skipper. »Welche Ladung verkaufen wir zuerst?«
McBride deutete auf Trader. Der Holländer wandte sich an John. »Ich habe Ihre...
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