Schweitzer Fachinformationen
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Die junge Strafverteidigerin Alice Logan kann ihrem Vater nicht verziehen, dass er nie für sie da war und ständig ihre Mutter betrogen hat. Doch ist er auch ein Mörder? Als er für einen viele Jahre zurückliegenden Mordfall zum Tode verurteilt wird, muss sie sich entscheiden. Erst will sie seinen Unschuldsbeteuerungen gar nicht zuhören, doch dann tauchen ähnliche Fälle auf, zwischen denen es einen Zusammenhang zu geben scheint. Ist ihr Vater tatsächlich unschuldig Opfer einer Verschwörung geworden? Alice beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, und so beginnt ein rasanter Wettlauf gegen ihre Widersacher und gegen die Zeit. Denn ihr Vater soll schon in sieben Tagen hingerichtet werden ...
Montag - noch sieben Tage
»Moment, ganz langsam«, sagt Alice, und ihr Gehirn hat Mühe, mit der Granate klarzukommen, die Fiona gerade in ihre Richtung geworfen hat. »Was meinst du damit, die werden ihn töten? Wer will ihn denn umbringen?«
Fiona sieht sie an, als sei Alice eine Fünfjährige, die immer wieder dieselbe Frage stellt.
»Damit meine ich, dass sie ihn buchstäblich töten werden, und zwar in genau einer Woche«, antwortet sie, wobei sie dem Wort töten einen besonderen Nachdruck verleiht. Ihre Augen sind gerötet, als habe sie geweint.
»Wer denn?«
»Heute Morgen habe ich einen Anruf bekommen. Er sitzt im Todestrakt. Die werden ihm in sieben Tagen eine verdammte Nadel verpassen.«
Alice stößt vernehmlich die Luft aus, in ihrem Kopf dreht sich alles. Dann stützt sie sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab. »Fang bitte noch einmal von vorn an, Fi. Wer hat dir das erzählt? Hattest du Kontakt mit ihm?«
Sie hat nicht gewollt, dass es wie eine Anschuldigung klingt, aber leider kommt es so rüber.
»Was? Nein, ich habe seit Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. Mariella hat mich heute Morgen angerufen.«
Mit diesem Namen wird Alice immer die Kluft assoziieren, die sich in ihrer aller Leben aufgetan hat, und diese Kluft spürt sie bis zum heutigen Tag.
»Und weiter? Sie ruft einfach so aus heiterem Himmel an, um an die alten Zeiten anzuknüpfen, und lässt dann fallen, dass Dad in der Todeszelle sitzt? Verdammt noch mal, was geht hier vor, Fiona?«
Dutzende Fragen wetteifern um die Pole-Position. Dad war schon einmal im Gefängnis, daher kann dieser Teil Alice nicht schocken - aber der Todestrakt? Dort kann er nur aus einem Grund sitzen, wegen Mordes. Mord, verdammt! Wen hat er wohl umgebracht, um dort zu landen? Die Genehmigung für eine Hinrichtung zieht sich oft über Jahre, sie wird nicht binnen weniger Tage angeordnet. Wie lange sitzt er also schon in einer Zelle? Fionas Worte haben Alice' Welt aus den Angeln gehoben, und jetzt will sie tausend Fragen gleichzeitig stellen, verharrt aber stattdessen nur mit offenem Mund.
»Dad wollte nicht, dass wir davon erfahren«, unterbricht Fiona das Schweigen. »Das will er übrigens immer noch nicht, wie ich von Mariella weiß. Sie musste ihm versprechen, dass sie gar nicht erst versucht, uns ausfindig zu machen, aber jetzt ist es nur noch eine Woche. Sie hat es einfach nicht mehr ausgehalten. Sie hat mich auf Facebook gefunden und mir geschrieben, dass sie mich sprechen möchte. Es gehe um Leben und Tod. Schätze, das war kein Scherz.«
»Und damit hat es sich?«, hakt Alice nach. »Sie teilt es uns mit, und dann? Ich meine, Gott, falls das stimmt, Fi, dann hat er tatsächlich jemanden umgebracht.«
»Was meinst du mit >falls das stimmt<?«, gibt Fiona scharf zurück, ihre Augen weiten sich vor Ungläubigkeit. »Wer lügt denn bei einer solchen Sache?«
»Darin sind sie beide gut«, kommt es ebenso scharf von Alice. »Das haben sie doch prima hingekriegt, als sie hinter Mums Rücken agiert haben.«
»Verdammt noch mal, Alice, unser Dad wird sterben.«
»Er ist schon viele Jahre lang nicht mehr unser Dad gewesen.«
Von der Kälte in ihrer Stimme ist selbst Alice überrascht, und sie sieht, wie ihre Schwester zusammenzuckt.
»Ich weiß, dass er kein toller Vater gewesen ist«, setzt Fiona an, und Alice kann gerade noch ein spöttisches Lachen unterdrücken. »Und ich will ja auch nicht sagen, dass wir je auf Familie gemacht haben, aber er wird sterben, Alice. Das wiegt doch wohl schwerer als irgendein Scheiß, den du immer noch aus der Kindheit verarbeiten musst?«
Du. Du musst das noch verarbeiten. Nicht wir. Mit der Andeutung, dass Alice diejenige ist, die ein Problem hat.
Alice schluckt einen Schwall bissiger Bemerkungen herunter. Viel von dem Frust, den sie mit sich herumträgt, kommt von Dad, nicht von Fiona. Nun ja, größtenteils von Dad. Wie dem auch sei, wenn sie sich auf einen Streit mit ihrer kleinen Schwester einlässt, bekommt sie nicht die Antworten, die sie braucht.
»Hast du Mum schon davon erzählt?«, will Alice wissen.
»Noch nicht.«
»Aber du hast es vor?«
»Sie hat genau wie wir das Recht, es zu erfahren«, sagt Fiona mit einer Hartnäckigkeit, die Alice schon ihr ganzes Leben lang von ihrer Schwester kennt.
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Fi«, meint Alice und spürt die ersten Anzeichen einer Migräne.
Fiona war gerade einmal acht, als ihre Eltern sich trennten. Zu jung, um sich richtig erinnern zu können. Dad hatte bereits seine Zeit abgesessen, ehe Fiona geboren wurde. Zwei Jahre für Diebstahl. Ihre Schwester war zu jung, um überhaupt zu wissen, was dann kam. Alice weiß es. Die Jahre, als das spätabendliche Geschrei der Eltern durch die Wände des Kinderzimmers drang. Nächte, in denen ihr Vater nicht nach Hause kam. Alice ist immer noch verblüfft, dass ihre Mutter überhaupt den Mut aufbrachte, ihn zu verlassen. Und als sie den Schritt machte, war es so, als trenne man einen Parasiten von seinem Wirt. Es dauert verdammt lange, bis die Wunden wirklich nicht mehr zu sehen sind, wenn sie je ganz weggehen.
»Wenn ich sie wäre, würde ich es wissen wollen«, sagt Fiona, und Alice ist klar, dass sie es Mum sowieso erzählen wird, egal, was sie als ältere Schwester dazu meint.
»Was hat sie denn nun gesagt?«
Fiona atmet hörbar aus, lange und langsam, als würde das letzte bisschen Luft aus einem kaputten Reifen entweichen. Alice gibt ihr die Zeit, ihre Gedanken zu ordnen.
»Sie meinte, dass er 2011 verhaftet wurde, weil er einen Typen in Florida umgebracht haben soll, doch er schwört, dass er's nicht getan hat.«
Alice hätte fast aufgelacht, kann sich aber gerade noch zurückhalten. »Oh, klar, wenn er's schwört .«
»Hör auf damit!«, fährt Fiona sie an.
»Womit denn?«, schießt Alice zurück. Inzwischen hat sie das Gefühl, von zwei Strudeln erfasst zu werden, von Wut und Übelkeit. Ihr Dad. Ein Mörder. Nicht nur das, denn ausgerechnet jetzt fällt ihm ein, sich wieder in ihr Leben zu drängen, und zwar mit der Wucht einer Abrissbirne.
»Das ist eine ernste Sache, Al. Sie halten ihn in einem Ort namens Raiford fest, in Florida, und er soll nächsten Montag die Giftspritze bekommen. Offensichtlich fühlt sich sein Anwalt nicht mehr für ihn verantwortlich.«
»Strafverteidiger«, unterbricht Alice sie.
»Hm?«
»Es wird nicht irgendein Anwalt sein, sondern sein Strafverteidiger.«
Fi zieht angesichts dieser Haarspalterei eine Augenbraue hoch.
»Sorry«, sagt Alice und versucht, die ohnehin angespannte Stimmung nicht weiter anzuheizen. »Und war es das dann?«, fügt sie hinzu und sieht, wie Fiona die Nase rümpft, weil diese letzte Frage so kühl und abwertend geklungen hat. »Ich meine, hat sie uns wirklich nur angerufen, um uns das mitzuteilen? Oder ist das mal wieder seine Art, uns dazu zu bringen, dass wir wieder mit ihm sprechen?«
»Er weiß doch nicht, dass sie angerufen hat!«, ruft Fiona ihr in Erinnerung.
Schweigen senkt sich über das Büro. Die beiden Schwestern starren einander an, und Fi sieht aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Für Alice sind die Neuigkeiten wie eine kalte Kompresse, die ihr jemand auf die Brust legt. Betäubend. Es fällt ihr schwer, etwas für einen Mann zu empfinden, dem seine eigene Familie offenbar nicht genug am Herzen lag, um sie zusammenzuhalten. Alles in allem ein sonderbares Gefühl für Alice.
»Sie möchte mit uns sprechen«, sagt Fiona schließlich. »Uns beiden.«
»Und was will sie uns sagen?« Alice sieht ihre Schwester herausfordernd, fast ein bisschen hochnäsig an.
»Sie sagt, er ist unschuldig. Sie meint, die Polizei hat sich geirrt.«
»Und was sollen wir jetzt deswegen unternehmen?«
»Ich weiß es auch nicht!«, giftet Fiona zurück. »Aber du willst mir doch wohl nicht weismachen, dass es für dich okay ist, was passiert, und dass es dir komplett egal ist, ob er stirbt oder nicht? Ja, er war ein Scheißvater. Ist es das, was du hören willst? Ja, er hat sich fies benommen, aber das heißt nicht, dass es uns nichts angeht, wenn er stirbt.«
Fi redet sich allmählich in Rage, und Alice muss zusehen, dass sie nicht vor Wut platzt und Kollegen und Klienten jedes schmutzige Detail mithören. Sie beugt sich vor, bedeckt die Hand ihrer Schwester mit ihrer.
»Du hast recht«, sagt sie. »Auch wenn ich nichts mit ihm zu tun haben will, möchte ich nicht, dass er stirbt. Ich weiß nur nicht, was wir für ihn tun können - oder für sie.«
Selbst jetzt kann sie sich nicht dazu durchringen, Mariellas Namen auszusprechen.
»Wir sind nicht die Einzigen, die ihn verlieren werden, Alice«, meint Fiona und schnieft laut. »Du kannst machen, was du willst, aber ich werde wieder mit ihr reden. Ich denke, das solltest du auch, aber du machst ja sowieso nur, was du willst. So war es schon immer.«
Alice zählt im Stillen bis fünf. Reagiert nicht auf die Stichelei. Sie versucht, den Altersabstand von dreizehn Jahren zu ihrer Schwester so zu ertragen, wie es eine große Schwester tun sollte. Die...
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