Schweitzer Fachinformationen
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Am ersten Montag im September stand Meredith Elisabeth Anne Harper vor dem großen Spiegel in ihrem begehbaren Kleiderschrank. Die dreistöckige Villa ihrer Eltern mit sieben Schlafzimmern lag im Belfaster Nobelviertel Malone Park. Normalerweise bezeichnete man Meredith Harper als »das Mädchen, das alles hat«. Sie war reich, beliebt, raffiniert, elegant, manipulativ, graziös und geradezu unnatürlich schön. Meredith war schlank und gestylt, hatte perfekt frisierte braune Haare, eine makellose helle Haut und feine Gesichtszüge. Mit sechzehn war Meredith Harper bereits prominent.
Als sie merkte, dass sie gleich losgehen musste, prüfte sie rasch ihre fachmännisch manikürten Nägel und den Lipgloss, der nicht zu sehr glänzen durfte. Ihr Rock hatte die perfekte Länge - nicht zu lang (Loser) und nicht zu kurz (Schlampe). Meredith nahm ihre Birkin-Handtasche, in der sie ihre Schulsachen mit sich trug (Rucksäcke waren einfach abscheulich und nur was für Schüler der Unterstufe und Bücherwürmer), über die linke Schulter und warf einen letzten wohlwollenden Blick auf ihr Spiegelbild. Ihre gute Laune wurde nur dadurch getrübt, dass ihr Schuluniform-Pullover aus Wolle war; für Meredith kam eigentlich nur Kaschmir in Frage, den sie förmlich anbetete; und an fünf Tagen der Woche Wolle tragen zu müssen war im Grunde unerträglich. Sie bückte sich, zog noch einmal sorgfältig die vorgeschriebenen Kniestrümpfe hoch und legte ihren Blazer über den Arm.
Dann rief ihr Vater von unten, um Meredith daran zu erinnern, dass sie losfahren musste, und sie lief schnell die breite Treppe hinunter. Obwohl sie die Tasse Tee und den Teller mit Toast sah, den die Haushälterin ihr hingestellt hatte, rauschte sie daran vorbei zum Auto.
Sie schloss die Haustür hinter sich und setzte sich auf den Rücksitz, während der Fahrer ihres Vaters vorne einstieg und den kurzen Weg zur Schule fuhr. Die herbstlichen Blätter fielen von den majestätischen Bäumen rund um Malone Park, und Meredith bemerkte überall die aufgeregte Stimmung des ersten Schultags nach den Ferien. Attraktive junge Mütter scheuchten ihren fein angezogenen Nachwuchs ins Auto oder brachten ihn umweltfreundlich zu Fuß zu einer noblen Schule in der Nähe.
Meredith lehnte sich in dem kühlen grauen Ledersitz zurück und holte ihren BlackBerry heraus. Sie hatte eine SMS von ihrer besten Freundin Imogen, deren Vater sie gezwungen hatte, zu Fuß zur Schule zu gehen, um einen ihrer jüngeren Brüder an seinem ersten Schultag zu begleiten.
Fünf Minuten später hielt der Wagen der Harpers vor dem Haupteingang der Mount Olivet Grammar School. Meredith stieg aus, bedankte sich beim Fahrer und wandte ihre Aufmerksamkeit dem mächtigen viktorianischen Backsteinbau zu, in dem sie seit elf Jahren ihre Schulausbildung genoss. Mit über eintausendzweihundert Schülern war die Schule mittlerweile sehr viel größer als bei ihrer Gründung durch einen protestantischen Bischof vor hundertzwanzig Jahren. Moderne Gebäude waren nun über das gesamte Gelände verteilt - darunter das Theater, die Turnhalle und der neue Anbau für die Naturwissenschaften. Die einzige Bausünde bestand in Meredith' Augen aus dem scheußlichen Schwimmbad, das in den 1960er Jahren hinzugekommen war. Glücklicherweise lag es hinter der Schule, so dass nur die Sportfreaks es regelmäßig zu Gesicht bekamen.
Meredith war sich dessen bewusst, dass viele Blicke sie vom Schulhof verfolgten, während sie auf die Eingangshalle zuging. Einige Fünftklässler umklammerten krampfhaft ihre neuen Monatskarten für den Bus und musterten sie in einer Mischung aus Verwirrtheit und Bewunderung. Bis zum Monatsende würden sie wissen, wer Meredith war, und sie weiterhin bewundern. Bei diesem beruhigenden Gedanken musste sie lächeln, und dann strahlte sie geradezu, als ein Siebtklässler ihr die Tür aufhielt. Als sie an dem Porträt der Königin vorbeiging, das in treuer Ergebenheit in der Halle hing, drückte ihr eine Achtklässlerin zu ihrer Überraschung ein Flugblatt in die Hand. Sie schob Dienst am Stand der Christian Union. »Jesus liebt dich«, sagte das Mädchen und lächelte sie an.
»Wie alle«, antwortete Meredith und gab ihr das Flugblatt zurück.
Nachdem sie auf der Treppe eine Gruppe nervöser Siebtklässlerinnen überholt hatte, von denen eine »Hallo« quiekte, gelangte Meredith zu ihrem Kursraum. An der Wand lehnte ihr bester Freund und Nachbar Cameron Matthews, der über eins achtzig groß, schlank und muskulös war. Er hatte blaue Augen und dunkle Haare. Wie üblich hielt er seine morgendliche Dosis Cola light in der Hand und simste eifrig, als er Meredith entdeckte und sie anlächelte.
»Hey!«, sagte er und steckte das Handy in die Blazertasche.
»Hallo, Süßer. Siehst du heute wieder gut aus.«
»Danke, du aber auch. Selbstverständlich. Und wie geht's uns so?«
»Besser.«
»Als?«
»Allen anderen.«
In diesem Augenblick hörten sie das Klackern rascher Schritte in Mädchenschuhen, und Kerry Davison rauschte durch den Flur auf sie zu. Ihre pinkfarbene Handtasche schwang neben ihr her, und ihre perfekt gestylten blonden Locken hüpften begeistert im Takt zu ihrem Sturmschritt. Sie grinste leicht dement, als sie neben Meredith und Cameron zum Stehen kam.
»Oh mein Gott«, quietschte sie. »Ich platze, wenn ich es nicht gleich jemandem erzähle! Das Gerücht wird euch gefallen!«
»Hoffentlich«, sagte Meredith. »Nicht wie letztes Mal, als du dachtest, du hättest Cheryl Cole bei Nando's gesehen.«
»O.K. Also, ich habe geschworen, absolut dichtzuhalten, deshalb dürft ihr niemandem erzählen, dass ihr es von mir habt. Jemand hat mir gestern bei Titus Pitts Grillfest berichtet, dass Danielle Morrison angeblich mit Zach Stevens rumgemacht hat, als sie noch mit Neil Pole zusammen war. Ist das nicht ein unglaublicher Skandal? Was. Für. Eine. Schlampe. Also wirklich. Ich musste schwören, nichts zu sagen.«
»Ich weiß«, sagte Meredith kühl. »Weil du es von mir hast.«
Kerrys Unterlippe fing an zu zittern, und ihre Stimme wurde noch weinerlicher als sonst, weil sie Angst hatte, ausgeschimpft zu werden. »Oh. Sorry. Egal . schließlich mögen wir Danielle sowieso nicht besonders. Eigentlich ist es dann doch egal, oder?«
Meredith überlegte kurz, ehe sie seufzte. »Wahrscheinlich hast du recht. Aber erzähl niemandem, dass du es von mir hast.«
Mrs Vaughn taumelte auf sie zu. Sie ächzte unter einer Ladung Bücher und suchte verzweifelt nach dem Schlüssel zum Klassenraum. Statt ihr anzubieten, die Bücher zu nehmen, gingen Cameron, Kerry und Meredith ihr affektiert aus dem Weg. Für Meredith zählte das als >helfen<.
Während es im Klassenraum allmählich voller wurde, ging Cameron zu dem Tisch ihrer Clique im hinteren Teil des Raumes. Sekunden nachdem Meredith und Kerry sich neben ihn gesetzt hatten, wurde ihr Gespräch von Catherine O'Rourke unterbrochen, die einen Pferdeschwanz und einen absurd kleinen blauen Rucksack trug. Cameron und Meredith atmeten tief ein, um sich für Catherines lautstarke Begrüßung zu wappnen.
»Hey!«, bellte sie. »Ich wünsche euch allen einen schönen neuen Schultag! Möchte sonst noch jemand ein Evian aus dem Getränkeautomaten?«
In diesem Moment entdeckte Meredith ihren Rucksack. »Was hast du vor?«, fragte sie.
»Evian holen, habe ich doch gesagt«, flötete Catherine fröhlich.
»Das meine ich nicht. Was hast du damit vor?«
»Ach, die Schultasche? O.K. Na, du weißt doch, dass nur Loser etwas auf beiden Schultern tragen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Also ich dachte, das gilt jetzt schon so lange, dass es eigentlich wieder cool sein könnte«, erklärte Catherine, aber ihr Lächeln schwächelte. »Mit anderen Worten: ta-da!«
Meredith und Cameron schüttelten den Kopf. »Nein.«
»Aber ich habe ta-da gesagt.«
»Das schafft kein ta-da auf der ganzen Welt«, sagte Cameron.
»Heißt das, ihr meint . ich wäre wie ein Loser durch die Schule gelaufen?«
»Ich fürchte, ja, aber vielleicht .«
Bevor Cameron den Satz beenden konnte, hatte Catherine schreiend den kleinen Rucksack vom Rücken gerissen und auf den Boden geschleudert. »Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott!«
»Beruhige dich, Catherine!«
»Wie denn? Alle haben mich gesehen, wie ich eine Tasche auf beiden Schultern mitgebracht habe. Spätestens morgen sehen mich alle komisch an und machen einen auf Guck, da ist die mit dem Rucksack!«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Meredith freundlich. »Die kennen dich nicht gut genug, um sich über dich lustig zu machen. Wahrscheinlich nehmen sie dich gar nicht zur Kenntnis, Catherine.«
Catherine nickte, aber ihr zittriges halbes Lächeln war typisch für Meredith' Opfer, nachdem sie tröstende Worte von ihr empfangen hatten, die unter der Oberfläche gemein waren. Kaum war sie durch die Tür, um zum Getränkeautomaten zu gehen, drehte Meredith sich zu den anderen um: »Nicht zu fassen, oder?«
Cameron nickte zustimmend. »Finde ich auch. Wieso sieht Catherine nicht einfach in den Spiegel, bevor sie das Haus verlässt?«
»Ich meine, diesen Rucksack kann man doch nur eklig finden, oder?«, fragte Meredith.
Kerry blickte von ihrem Taschenspiegel auf. »Was ist los?«
Meredith warf ihr einen gereizten Blick zu und überließ es Cameron zu antworten. »Catherines Rucksack. Sie trägt ihn auf beiden Schultern. Sie dachte, das wäre niedlich. Stattdessen sah sie aus, als wäre sie einem dieser St. Trinian-Filme...
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