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Ein übereifriger Sprinkler hatte schon seit geraumer Weile die aus Redwoodholz gebaute Sonnenterrasse von Max Malones Stadtvilla unter Wasser gesetzt. Dass der Sprinkler überhaupt lief, war eine eklatante Verletzung sowohl der während der letzten Dürre verhängten neuen Sprengordnung als auch des ökologischen Empfindens einiger seiner über mehr Gemeinsinn verfügenden Nachbarn. Malone, ein Mann schon beinah mittleren Alters im sorgfältig zusammengestellten Designerfreizeitoutfit, entschuldigte sich bei dem mit dem Kritzeln eines Strafzettels befassten Officer, indem er erklärte, er sei so intensiv damit beschäftigt gewesen, seinen Porsche-Oldtimer zu waschen, dass er die Überflutung seiner Terrasse gar nicht bemerkt habe. Während er auf dem dampfenden Gehweg von einem nackten Fuß auf den anderen hüpfte, machte ihn der Officer darauf aufmerksam, dass das Autowaschen per Gartenschlauch nicht mehr zulässig war, und drückte ihm noch einen zweiten Strafzettel in die Hand.
»Am besten erlassen sie gleich ein Gesetz -«, sagte Malone sarkastisch.
»Haben sie ja schon«, fiel ihm der Officer ins Wort. Dann tippte er sich an die Mütze, kletterte in sein schwarzweißes Gefährt, fuhr vor bis zum Ende der Sackgasse, wendete und kam wieder zurück zu dem sonnengebräunten, verwirrt dreinschauenden Delinquenten, der einen Haufen Papier in der zur Faust geballten Hand hielt. Der Officer rollte gemächlich weiter bis zu Malones Auffahrt, stellte sich quer davor und ließ das Fenster an der Beifahrerseite herunter.
»Und im Übrigen gibt es auch«, donnerte er mit einem Blick auf die durchnässten Strafzettel, »ein Gesetz gegen die Missachtung von Gesetzen.« Er füllte einen weiteren Strafzettel aus und hielt ihn Malone hin. »Jetzt sperren Sie endlich den Hahn zu, sonst lass ich Ihnen das Wasser abstellen.«
Malone befolgte mürrisch den Befehl. Wehmütig sah er den stahlgrauen Lack seines Große-Jungs-Spielzeugs unter dem trocknenden Seifenschaum erblinden und hoffte inständig, dass dieser uniformierte Aufpasser endlich verschwand und er den Wagen wieder ordentlich blank wienern konnte. Der Ordnungshüter verzog den Mund zu einem breiten, höchst zufriedenen Grinsen, schraubte seine Thermoskanne auf und goss sich einen Becher Kaffee ein, schloss die Faust um ein Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade, biss ab und kaute. Kaute gründlicher, als jede von Verdauungsangelegenheiten besessene Großmutter hätte fordern können. Dann schluckte er runter und nippte an seinem Kaffeebecher. Und biss wieder ab. Die Sonne brannte hernieder. Der Seifenschaum dampfte und zischelte, und bald war die ganze blitzende Karosse mit einer feinen stumpfen Kruste überzogen. Er griff nach seinem Telefon und rief auf dem Revier an. »Brian O'Brien hier. Ich bin oben am Oak Hill Drive, bin einer Beschwerde wegen Wassermissbrauch nachgegangen. Die Lage verlangt ein bisschen persönliche Beaufsichtigung, darum bleib ich jetzt erst mal hier, bis ihr mich braucht. Meldet euch, wenn was reinkommt.« Er machte das Radio an, drückte mehrmals den digitalen Suchlauf und erzeugte damit irgendwelche zusammenhanglosen Klanghäppchen - meldet Massenandrang an den südlichen Stränden aufgrund von - Anzahlen und mitnehmen - Pfund in nur drei Wochen mit - Bap shoo wah shoo wah - in der Chicano-Community führte zu - globalen Finanzkrise gibt es keine Anzeichen - wirksam gegen Fußschweiß in siebzig - Teenagerschwangerschaften während - der Euro fiel gegenüber -, um schließlich bei der schmalzigen Stimme eines ätzend sarkastischen Populisten stehen zu bleiben, der gerade seine zighundertste Schmährede abließ gegen POTUS, Akronym für President of the United States. O'Brien brachte den Fahrersitz in Liegeposition, zog sich die Polizistenmütze über die Augen und machte es sich gemütlich.
Malone stapfte die Vortreppe hinauf, widerstand aber angesichts seiner wachsenden Sammlung von Strafzetteln der Versuchung, die Haustür hinter sich zuzuknallen. Dass man sein Auto mit dem Wassereimer waschen durfte, war ihm bekannt, aber so was Profanes wie einen Wassereimer besaß er gar nicht. Darum nahm er seinen Nudeltopf, ließ ihn volllaufen und schleppte ihn nach draußen, um seinen Lack vor der Sonne zu retten. Nachdem er etwa fünfzehn Mal zwischen Auto und Küche hin- und hergelaufen war, hörte er den Polizeifunk krächzen: »O'Brien, im Bay View Park hinter der Tribüne holt irgend so 'n Perverser seine Kronjuwelen raus. Schau doch mal nach dem Rechten.« O'Brien schob mit dem Zeigefinger seine Mütze zurück, stellte seinen Sitz wieder aufrecht, startete den Motor seines Binärfahrzeugs, schenkte dem Wasserverbrecher noch ein letztes breites, zufriedenes Grinsen und fuhr davon.
Sobald der Polizist um die Ecke verschwunden war, stürzte Malone zum Wasserhahn, doch noch ehe er ihn richtig aufgedreht hatte, bog schon ein anderer Wagen in seine Sackgasse ein und kam auf ihn zugerollt. Er kannte das Auto und kannte den Besitzer, seinen Hauptkonkurrenten in der Development-Abteilung. Zwischen den beiden war alles in Butter, wobei es ja auch ranzige Butter gibt.
»Hallo, Max. Wie ich sehe, leisten Sie Ihren Beitrag zur Bekämpfung der Dürre. Autowaschen mit dem Nudeltopf. Sehr löblich. Von einem Träger des Whitmore Award für hervorragende Dienste hätte ich das allerdings nicht erwartet - Max Krach-Bumm-Danke-Uncle-Sam Malone, der dynamische Spezialist für staatliche Fördergelder.«
»Ach so? Na ja . wo kommen wir denn hin, wenn jeder einfach seine Geranien gießt, seinen Wagen wäscht und seine Toilettenspülung benutzt, wie er lustig ist? Deine Geranien haben Durst? Dann fütter sie gefälligst mit gebrauchtem Abwaschwasser. Dein Kombi ist eingestaubt? Dann staub ihn ab, Herrgott noch mal. Du musst pinkeln? Dann halt's ein oder such dir 'n Baum«, knurrte Malone.
Flapp erkannte an Malones Ton, dass der Zeitpunkt für seinen Besuch suboptimal war, und beschloss, seinen heftigsten Instinkt zu unterdrücken und keine neugierigen Fragen zu stellen.
»Also, ich hab zwar keine Ahnung, Max, was Ihnen heut den Tag gerettet hat, aber ich sag Ihnen mal, was es bei mir war. Ich hab nämlich grade kurz bei Willy Wonty vorbeigeschaut. Hatten Sie mir nicht erzählt, dass der Typ in den Achtzigern Lineman bei Iron Horse war, dass seine alte Alma Mater einen festen Platz in seinem Herzen hat und er im Besitz von 'n paar hundert Millionen Dollar ist, mit denen er nichts anzufangen weiß?«
»Stimmt. Mehr oder weniger. Quarterback, sogar ein ziemlich vielversprechender, ist aber aus dem Team geflogen, weil er Raucher war. Und einen Platz in seinem Herzen hat Parrington Simmons allemal . bloß leider deutet einiges darauf hin, dass dieser Platz im Augenblick recht klein ist. Und weil sein Herz so groß ist, dürfte es wohl eher unwahrscheinlich sein, dass man einen Platz, der so klein ist, darin gleich beim ersten Versuch findet.« Etwas zwischen Grinsen und höhnischem Feixen blitzte in Malones Gesicht auf, und Flapp spürte, dass er reingelegt worden war.
»Wie viel hat er denn bis jetzt gespendet?«
»So aus dem Kopf kann ich das nicht sagen, aber sein Spendenverhalten ist etwas exzentrisch, das ist allgemein bekannt. Kommen Sie, wir loggen uns mal mit Maxens mächtigem Modem auf dem Giga-Geldgroßrechner ein.« Einer der wenigen akademischen Begriffe, die Max in seiner Collegezeit kapiert hatte, war »Alliteration«. Seine Englischlehrerin im ersten Studienjahr hatte dieses literarische Stilmittel eines schönen Tages am Beispiel seines Namens vorgeführt: Max Million Malone (eigentlich Maximillian, nach seinem Großvater, aber seine Eltern, die in den Casinos von Las Vegas arbeiteten, hatten die Schreibweise leicht verändert). Im ansonsten eher profanen Leben dieses nicht gerade philosophisch veranlagten Mannes war das ein Moment der Erleuchtung gewesen. Ein Name, dem es gerecht zu werden galt. Nach diesem Vorkommnis begann er seine Äußerungen in alliterative Wortketten zu fassen, wann immer ihm auf die Schnelle Wörter einfielen, die mit Konsonanten anfangen, eine Angewohnheit, die ihm den Ruf einbrachte, der einzige Gebrauchsalliterat der ganzen Universität zu sein.
Als Max und Moritz die Eigentumswohnung betraten, schlüpfte Max barfuß in ein Paar Bruno-Magli-Slipper. Die Inneneinrichtung war bemerkenswert, aber beileibe nicht das, was man sich gemeinhin unter einem gemütlichen Heim vorstellt. Ein Interieur wie zusammengestellt von Zsa Zsa Gabor: burgunderrote Brokattapeten, eine unter der Last zahlloser Kissen ächzende antike Couch, Straußenfedern in einer chinesischen Vase, über der Couch - und genauso lang wie sie - ein Ölgemälde in barockem Goldrahmen, das eine bacchantische Szene zeigte, ein dicker Teppichboden in gedämpftem Meerschaumgrün, diverse kleine Kerzenleuchter. Von der Eingangstür zu der im Gegensatz zum Wohnzimmer offenbar gänzlich leeren Küche zog sich eine dünne Wasserspur. Malone hatte es versäumt, schnell die Tür zum Schlafzimmer zu schließen, damit Flapp nicht die goldgefleckten Spiegel sah, mit denen dort die Wände und die Decke verkleidet waren. Malone klappte seinen Laptop auf, schloss einen gigantischen externen Monitor an, drückte ein paar Tasten, und schon flimmerte auf dem Bildschirm eine Datenbank. Er wählte Wonty III, Windeshake.
Abschluss 1987, B.A. in Journalistik und Zoologie, Notendurchschnitt 3,8. Ledig. Medienmilliardär, besitzt und leitet einen Konzern von Zeitungsverlagen, Radio- und Fernsehsendern. Spenden: 2001: $ 4.500 an den Bogenschieß-Club für neue Zielscheiben,...