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Mit Ausnahme der Geologen, die sich für das Gestein und die Entstehung der sonderbaren Felsen interessierten, verirrten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur einige wenige Touristen und Touristinnen in das Gebiet der Dolomiten. Es waren zumeist Reisende von den britischen Inseln oder aus dem deutschen Sprachraum, die ihre Italienreise mit einem Abstecher nach Tirol und zu den Dolomiten verbanden, um ihrer Wanderlust zu frönen und ihr Wissen über Land und Leute zu vertiefen. Die Anreise erfolgte zumeist von Süden, das heißt von Mailand über Venedig und Cortina d'Ampezzo, oder von Norden, das heißt vom Brennerpass über das Pustertal und Toblach nach Schluderbach, Sexten und Prags. Ein weiterer beliebter Zugang zu den Dolomiten war Bozen, um beispielsweise über Atzwang, Völs und Kastelruth weiter in das Gebiet rund um Gröden, die Seiser Alm und das Fassatal einzudringen.
Einer der Ersten, die die Dolomiten aus der Ferne bemerkten, ohne sie jedoch mit ihrem späteren Namen, der gerade erst geprägt wurde, zu nennen, war Sir Richard Colt Hoare, ehemaliger Bürgermeister von London. In seinem Reisebuch "Recollections abroad during the years 1790, 1791", das 1818 in Bath in einer privaten Edition und in einer Auflage von nur 50 Exemplaren erschien, schrieb er über seine Reise von Verona nach Innsbruck und erwähnte den Anblick von Felsen von "großer und stattlicher Form und eine Landschaft, die den Pinsel von Salvator Rosa [italienischer Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts, Anm. I. R.] wert ist". Hoare bleibt nicht der einzige Reisende dieser Zeit, der seine ersten Begegnungen mit dem Dolomitengebiet und den noch weitgehend unbekannten Bergformationen literarisch festhält.
Nur kurze Zeit später und unter völlig anderen Bedingungen tritt ein junger französischer Rechtswissenschaftler und Inspektor der Wissenschaften, Künste und Manufakturen der Kaiserlichen Universität von Montpellier seine Reise nach Tirol an. Pierre Toussaint Marcel de Serres de Mesplès, geboren um 1780 in Montpellier, ist noch keine 30 Jahre alt, als er 1809, mitten im Österreichisch-Französischen Krieg, von Napoleon Bonaparte in Sondermission nach Österreich entsandt wird, um die Gewerbebetriebe Wiens zu besichtigen, mit dem Ziel, eventuelle Verbesserungsmaßnahmen an den heimischen französischen Werkstätten vorzunehmen. Die Lage ist prekär. Doch davon scheint sich Marcel de Serres keineswegs abschrecken zu lassen und verbringt ganze zwei Jahre im "Feindesland". Der Aufenthalt muss ihm zugesagt haben, denn bereits kurz nach seiner Rückkehr machte sich der inzwischen zum Professor für Mineralogie und Geologie avancierte Gelehrte 1811 erneut auf den Weg und erkundete Bayern und Tirol. Aus seinen landeskundlichen Untersuchungen und Beschreibungen der beiden Länder entstand ein faktenreiches zweibändiges Werk, das 1823 unter dem Titel "Voyages dans le Tyrol, et une partie de la Bavière" publiziert wurde. Die zahlreichen Daten, die die Bevölkerung, das Klima, die Geografie und die Wirtschaft sowie die Geschichte betreffen, lockerte Marcel de Serres vielfach mit alltäglichen Erlebnissen auf und lieferte so eine spannende und oft heitere Lektüre. Der Blick des französischen Gelehrten auf Tirol und Bayern ist auch deshalb bemerkenswert, da die beiden Länder während der Napoleonischen Kriege generell wenig bereist wurden. Auffallend ist, dass sich der Verfasser, der de facto der Besatzungsmacht angehörte, dem Land Tirol und seiner Bevölkerung gegenüber nie herabwürdigend äußerte, sondern mit Respekt und Hochachtung, ja sogar Bewunderung und Sympathie. Er schreibt:
"So sind die Tiroler. Abwechselnd von starken Nationen geschlagen, gehorchen sie zwar, doch unterwerfen sich nie. Ungeachtet der Gesetze und Sitten, die man ihnen auferlegen wollte, blieben sie immer dieselben."
(Serres, Voyages dans le Tyrol, Bd. 1, S. XIV)
Marcel de Serres ist einer der ersten Reisenden und Naturwissenschaftler, die in ihren Schriften die Dolomiten zwar noch nicht bei ihrem späteren Namen nennen, aber deren Namensgeber erwähnen. Über das Fassatal, genauer in Bezug auf das Gebiet der Canzoccoli bei Predazzo schreibt er:
"Die Naturforscher sollten das kleine Fassatal, das sich am Ende des Fleimstals befindet, besuchen. Fassa oder Fascia ist ein kleines Dorf, das an und für sich uninteressant ist, aber seine Umgebung ist extrem eindrucksvoll. Das Gelände des Tales besteht zu einem großen Teil aus jener Trappformation, die die einen vom Wasser, die anderen vom Feuer verursacht halten."
(Serres, Voyages dans le Tyrol, Bd. 2, S. 257)
In einer Fußnote merkt er an:
"Monsieur Dolomieu hat uns in einem Brief vom 7. Mai 1797, der in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen ist, genauere Informationen zur Bildung dieser Täler geliefert."
(Serres, Voyages dans le Tyrol, Bd. 1, S. XX)
Nach seinem Aufenthalt in Bayern und Tirol tauchte Marcel de Serres weiter in verschiedene Wissensgebiete ein. Er wurde Mitglied des Berufungsgerichts von Montpellier, verfasste verschiedene Arbeiten über die Höhlen Südfrankreichs und die darin aufgefundenen Knochen und gehörte außerdem zu den Ersten, die die Existenz von quaternären Systemen anerkannten. Mit seinem 1851 erschienenen Buch "Über die graduelle Perfektionierung der organisierten Wesen" wurde er zu einem Vorreiter der Evolutionstheorie von Charles Darwin. Sein Grab befindet sich im Friedhof Saint-Lazare in Montpellier.
Mehr durch Zufall gelangte der Brite Charles Joseph Latrobe (auch La Trobe) in das Gebiet der Dolomiten. Der 1801 in einer Hugenottenfamilie in London geborene Latrobe war 1830 im Schweizer Simmental gestartet, um sich zu Fuß über Graubünden, den Brennerpass, das Pustertal, das Eisack- und das Etschtal sowie das Valsugana nach Venedig, Triest, Ancona und schließlich nach Rom zu begeben. Auf dieser Strecke erblickte Latrobe die Dolomiten zum ersten Mal von Niederdorf aus. Doch es war auf seiner Rückreise durch das Pustertal - Latrobe musste seinen ursprünglichen Plan, ins Defereggental zu wandern, aufgrund eines Wetterumbruchs aufgeben -, dass er die Dolomiten nicht nur aus der Ferne sah, sondern sich ihnen näherte und direkt in das Gebiet eintauchte. Das Erlebnis dokumentierte der begeisterte Wanderer, der selbst zwischen 1824 und 1826 verschiedene Gipfel zum Teil als Erster erklommen hatte, in seinem 1832 veröffentlichten Reisebuch "The Pedestrian. A Summer's Ramble in the Tyrol, and Some of the Adjacent Provinces". Latrobe schreibt:
"Vom ersten Augenblick, als ich diese eigenartigen Berge erblickte, auf die so oft hingewiesen wird und die den südöstlichen Teil Tirols einnehmen, wurde ich von einem heftigen Wunsch erfüllt, in ihr Inneres einzudringen: Doch bis dahin waren all meine Pläne in dieser Hinsicht aufgrund verschiedener Umstände gescheitert und die einzige Gelegenheit, die mir noch blieb, war, dass ich versuchen musste, es jetzt auf meiner Reise von Brunecken nach Botzen zu tun. Da ich den normalen Weg zwischen den zwei Städten bereits gegangen war, wollte ich diesmal einen anderen versuchen: Und als ich die Landkarte studierte, wählte ich das Gadertal, das sich südlich von St. Lorenzen öffnet, als die beste Art und Weise in das Innere des Gebiets zu gelangen."
(Latrobe, The Pedestrian, S. 291)
Diesen kurzen, aber intensiven Ausflug ins Herz der Dolomiten beschreibt Latrobe sehr anschaulich und lebendig. So berichtet er unter anderem vom Versuch, in eine Dorfschenke im Wallfahrtsort St. Leonhard einzukehren, aus der er jedoch regelrecht vertrieben wird:
"Als ich ankam, freute ich mich auf eine Erfrischung, aber im Wirtshaus wurde ich von einer giftigen alten Frau derart angemotzt, dass mir nichts Anderes übrig blieb, als weiterzugehen und zu hoffen, beim nächsten Mal besser abzuschneiden."
(Latrobe, The Pedestrian, S. 294)
Und dies gelingt ihm im Weiler Stern, den er aber bald wieder verlässt und über den er kaum ein Wort verliert. Dafür zeugt seine Beschreibung der Felsen, die sich ihm jetzt offenbaren - die Cirspitzen, der Sellastock und der Langkofel -, von seiner Begeisterung für die so außergewöhnliche Landschaft. Es ist wohl eine der ersten Beschreibungen dieser Art und einer der ersten Texte, die so ausführlich auf die Dolomitenlandschaft und deren Bewohner eingehen:
"Stern fand ich am Fuße eines Dolomitfelsen gelegen; und nach einem kurzen Halt zog ich weiter in Richtung Talende an Colfosco, dem letzten Dorf vorbei, und stieg auf das Joch, das das Gader- vom Grednertal trennt. Dieses erstreckt sich ziemlich hoch zwischen zwei gegenüberstehenden Felsstöcken, die miteinander hinsichtlich ihrer Öde und grotesken Form wetteifern. Der südlichere muss von...
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