Schweitzer Fachinformationen
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Mittwoch, 26. Mai
Auf den Schreck mit dem Foto gab es gestern Abend noch ein kurzes Gewitter in der Doppelhaushälfte, das aber dank eines Bades im nigelnagelneuen Whirlpool rasch vorbeigezogen ist. Zwei Schokoladepalatschinken und eine Flasche Veltliner vom Schachl haben den Pokorny dann endgültig entspannt und mit einem gewissen Wurschtigkeitsgefühl ins Traumland geschickt.
Völlig untypisch wird der Pokorny erst gegen sieben Uhr durch den herrlichen Duft von aufgebrühtem Kaffee wach. Wochentags ist er meist schon gegen fünf Uhr dreißig mit der Maxime unterwegs ins Café Annamühle, genießt dort seinen ersten Espresso und nimmt für die Toni frische dunkle Semmerln und für sich Kürbiskernweckerln mit. Heute jedoch ist alles anders, und da fallen ihm die Ehrung und der Artikel im Stadtanzeiger wieder ein. Also nicht, dass er etwas gegen die gestrige Abendgestaltung gehabt hätte. Aber heute zusätzlich noch das Frühstück serviert zu bekommen ist für ihn mehr als verdächtig. Als dann von unten der Song von Peter Cornelius, »Der Kaffee ist fertig, klingt das nicht irgendwie herrlich«, ertönt, ist für den Pokorny klar, dass es ganz dick kommen wird.
»Guten Morgen, Bärli. Ich habe mir gedacht, heute verwöhne ich dich mal und hole für uns das Frühstück. Mit der Maxime war ich schon draußen«, trällert ihm die allerbeste Ehefrau der Welt fröhlich entgegen.
»Guten Morgen«, murmelt er. »Was ist los? Sonst magst du so gar nicht aufstehen, und heute überschlägst du dich richtig.«
»Du musst jetzt stark sein. Die Bürgermeisterin will sich ja bei uns für die Aufklärung der Mordfälle bedanken.«
Er beißt in sein Kürbiskernweckerl mit Honig und brummt: »Ja, eh. Das hast du mir gestern schon erzählt. Soll sie eben auf einen Sprung vorbeikommen. Das halt ich schon aus. So fröhlich wie die Jubilare bei den runden Geburtstagen dreinzuschauen, bekomme ich auch hin. Lang kann's ja nicht dauern.«
»Hm.«
»Was, hm?«
Die Toni wiegt den Kopf. »Also das Dankeschön soll schon offiziell über die Bühne gehen. Hat sie gesagt.«
»Und das heißt?« Zögerlich legt er das angebissene Weckerl zur Seite, schlagartig ist ihm der Appetit vergangen. Er bereut, den Artikel im Stadtanzeiger nicht fertig gelesen zu haben.
»Na ja, halt Ehrung, Rathaus, Presse, aber alles nur im kleinen Rahmen. Am Freitag bei der Eröffnung der Schlosspark-Lounge«, antwortet sie und umarmt ihn zärtlich von hinten. »Bitte, Willi, wir unternehmen sonst eh nie was, das wird sicher nett werden. Ist doch schön, dass die im Rathaus zu schätzen wissen, was wir geleistet haben.«
»Kleiner Rahmen, haha. Bei der Eröffnung sind immer urviele Leute. Geh, Toni, ehrlich. Muss das sein?« Da schon alles in trockenen Tüchern scheint, verpufft diese völlig unnötige Frage vor einem inhaltsschweren Nicken der Toni.
Plötzlich hellt sich sein Gesicht auf. »Du, da geht's nicht. Wir haben der Katzinger für ihre Geburtstagsfeier zugesagt. Und da kommen wir nicht mehr raus. Vielleicht lässt sich die Ehrung ja verschieben?«, meint er allen Ernstes.
»Lässt sich nicht! Ich wollte die ohnehin angespannte Stimmung gestern nicht weiter in den Keller treiben und der Katzinger gleich absagen. Warum sie gerade am Freitag die Feier plant, versteh ich ehrlich gesagt nicht. Sie weiß doch, dass an diesem Tag die Ehrung stattfindet. Und bei aller Liebe, uns erst drei Tage vorher zu ihrem Siebziger einzuladen, finde ich unter uns gesagt eigentlich eine Zumutung. Wir sehen uns fast täglich, und so nebenbei erwähnt sie ihre Feier«, echauffiert sich die Ehrenbürgerin in spe. »Tut mir leid, entweder sie verschiebt, oder sie muss alleine feiern.«
»Schon, aber sagen müssen wir - falsch, du - ihr's schon.«
»Beim nächsten Treffen. So, und jetzt muss ich mich fertig machen, die Tatjana hat angefragt, ob ich sie trotz Urlaub heute Vormittag vertreten kann. Die Kleine hat starke Bauchschmerzen, eventuell der Blinddarm. Also, bis später. Bussi.«
So rasch wird er von seiner Liebsten selten abgefertigt. Dass damit kein Raum für weitere Argumentationsversuche besteht, ist ihm völlig klar. »Für dich mach ich das, aber brauchen tue ich's wie einen Kropf. Das ist dir schon klar?« Wenn es ihm jetzt auch nichts nutzt, aber ein paar Pluspunkte für Kooperation auf seinem Konto können nie schaden.
Der Ärger bei der Toni ist wie verflogen. Glückselig fällt sie ihm um den Hals, erst nach einem langen Kuss macht sie sich auf in die Stadtbücherei. »Bis zwölf Uhr, dickstes Bussi, was geht.«
Er nutzt die moderate Morgentemperatur von plus zwanzig Grad Celsius, mäht den Rasen und versucht, dem alles überwuchernden Klee Herr zu werden. Bei aller Liebe zu den Bienen, die die zahlreichen Insektenhotels im Garten im Sekundentakt anfliegen, irgendwann ist es genug mit den fleißigen Bestäubern. Weil wenn keiner mehr einen Schritt im Garten machen kann, ohne gestochen zu werden, hört der Spaß auch für den Honigliebhaber auf.
Nach getaner Arbeit, die sehr zur Freude der Nachbarin Hanifl in einem Desaster für den Klee geendet hat, setzt er die Maxime in die Transportbox am hinteren Kotflügel seines froschgrünen E-Bikes und fährt zur Waldandacht. Gleich über dem Weingut Schlossberg ist eine Stelle hinter den Weinrieden, wo es einen guten Ausblick auf das Haus der Zwatzl gibt. Die Pokornys haben die Nachbarschaftsstreitereien in der Bogengasse letztes Frühjahr manchmal von hier oben beobachtet. Allerdings muss er dabei vorsichtig sein, da ihn die Zwatzl, wie er im Nachhinein erfahren hat, dort öfters gesehen hat. Zur Sicherheit lässt er sein Elektrofahrrad - er mag aufgrund seiner Abneigung gegen alles Fremdsprachige das Wort »E-Bike« nicht - zweihundert Meter entfernt stehen und schleicht die letzten Meter bis zu der Stelle.
»Hm«, murmelt er, »nichts von ihr zu sehen. Vielleicht gibt's da ja noch andere Stasikollegen.«
Gerade als er sich umdrehen will, hört er hinter sich eine vertraute Stimme: »Sie schon wieder! Stecken Sie Ihre Nase immer noch in fremde Angelegenheiten hinein?«
Erschrocken fährt er herum und wird rot, als die Zwatzl hinter einer Eiche hervortritt. Weil es halt peinlich ist, selbst beim Spionieren überrascht zu werden. Tatsächlich schaut die Zwatzl verändert aus. Sie hat stark abgenommen, der frühere Prinz-Eisenherz-Haarschnitt ist einer Stoppelfrisur gewichen. Nur bezüglich ihrer Bekleidung, den Stiefeln und ihrem Gewand, ist sie den Tarnfarben treu geblieben.
»Es stimmt also tatsächlich, Sie sind wieder im Lande. War's Ihnen in der alten Heimat zu fad, oder haben Sie nur neues Material mitgebracht? Weil Ihnen kann, nachdem Ihr Grundstück umgegraben wurde, ja nicht viel davon geblieben sein.«
»Geh, Sie und die Polizei haben ja keine Ahnung. Ich hab genug Depots, war ja nur eine Frage der Zeit, bis Sie einmal genauer nachschauen. Aber ja, mitgebracht hab ich schon was Neues, die Technik hat sich weiterentwickelt, man muss am Puls der Zeit bleiben. Einen Gartenzwerg mit Kamera werden Sie bei mir nicht mehr finden. Also, warum starren Sie auf mein Haus hinunter?«
»Ich wollte nur schauen, ob bei Ihnen ein Badeanzug zum Trocknen aufgehängt ist. Weil neuerdings sind Sie ja gerne im Thermalbad unterwegs.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na wie wohl? Die Kocmanek hat einen Ihrer Zapfen nach mir geworfen. Klingelt's bei Ihnen?«
»Zapfen? So ein Blödsinn. Den Mist hab ich früher verwendet. Stammt nicht von mir. Also, was wollen Sie? Ich hab mit den ganzen Streitereien dort unten nichts zu tun.«
»Wenn Sie nichts damit zu tun haben, woher wissen Sie dann, dass im Bad gestritten wird? Und vom wem sollen die Attrappen sonst sein?«
Sie schaut genervt auf die Uhr. »War's das dann mit Ihren lästigen Fragen? Gesehen haben Sie mich ja jetzt, lassen Sie mir den Gruppeninspektor Sprengnagl schön grüßen. Tschüss.« Sie dreht sich um und verschwindet wie ein Geist im dichten Wald.
»Marantana, die ist ja noch unheimlicher geworden«, wispert er, geht zu seinem E-Bike und fährt mit der Maxime zum Bierhof.
Fünf Minuten nach zwölf Uhr betritt die Toni zusammen mit dem Sprengnagl den Bierhof an der Wiener Neustädter Straße. Der Pokorny, der hinsichtlich seines Tagesablaufs, der Auswahl der Restaurants und seiner Speisen maximal unflexibel ist, erwartet die beiden schon ungeduldig an seinem Stammplatz. Immer zur gleichen Zeit, am gleichen Ort und möglichst auch am gleichen Tisch das Gleiche zu essen ist aufgrund familiärer Prägung eine gelebte Konstante in seinem Leben. Für die beiden anderen Mittagsgäste liegen schon die für ihn unnötigen Speisekarten bereit. Mehr als ein Nicken zu der netten Mitarbeiterin ist für die Aufnahme seiner Bestellung, ein Rindsgulasch mit Semmelknödel sowie ein Soda-Zitron, nicht notwendig. Länger dauert es bei der Toni und beim Sprengnagl, die vom Vor- und Zurückblättern in der Karte anscheinend nicht genug bekommen können.
Nach einer gefühlten Ewigkeit bekommen die drei ihr Essen serviert. Die Toni genießt ein Naturschnitzel von der Pute mit Grillgemüse und Reis sowie einem Seiterl Ottakringer Helles, und der Gruppeninspektor, der heute mächtig Stress hat, würgt während seiner Erzählung mit Käse überbackene Schinkenfleckerln hinunter und spült mit einem alkoholfreien Bier nach.
»Tut mir leid, dass ich so schlinge, gerade bin ich von der Dienststelle angerufen worden. Die Högerl ist abgängig. Die Zobel macht Stress und hat die alte Frau als vermisst gemeldet.«
»Das geht doch erst nach achtundvierzig Stunden?«, meint die Toni.
Der Pokorny schwenkt die leere Gabel hin und her. »Geht auch früher«, nuschelt er...
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