II.
Der Gang der Epidemie von 1889/90.
1. Heyfelder, Die Epidemie in Buchara und St. Petersburg. Wien. klinische Wochenschr. III. 1. 1890.
2. Th. Hermann, Die Influenza in St. Petersburg 1889. St. Petersburg. med. Wochenschr. XIV. 50. 89.
3. A. Sokolowski, Bemerkungen über den Character der Influenza epidemie in Warschau. Gazeta Lekarska. X. 5-8. 1890.
4. Th. Heryng, Einiges über die Influenza in Warschau. Gazeta Lekarska. X. 2. 1890.
5. W. Szyszl1o,Medycyna. XVIII. 1. 1890. '
6. Verhandlungen des Vereins f. innere Medicin zu Berlin. 1889 bis 1890. S. 164 und S. 187.
7. Die Grippe-Epidemie im deutschen Heere 1889/90. S. Mittler und Sohn. Berlin 1890. Bericht der Medicinalabtheilung des Kgl. Preussischen Kriegsministeriums.
8. Jasiewicz, Die Grippe und die Infectionskrankheiten. Journ. de Medec. Paris. 4. 1890.
9. Bertillon in Le Progres medical. 6. 1890. L'Epidemie de grippe. Annales d'Hygiene publ. XXIII. 3. 1890. p. 221.
10. Arnould, La grippe dans le Ißr corps darmee 1889-90.
Arch. de med. et de pharm. militaire. XV. 6. 1890. p. 409.
11. Proust, Grippe. Mercredi med. No. 5. 1890.
12. Dubrulle, La grippe au 145. regiment d'infanteric. Graz. hebd. XXXVII. 13. 1890.
13. L. F. Brison, New York med. Journ. 1. Febr. 1890. p. 120.
14. B. Ornstein, Deutsche medicin. Wochenschrift. 1890. No. 48.
15. Koranyi, Die Influenza-Epidemie in Budapest. Wien. medic. Presse. XXXI. 7. 1890.
16. Frank Clemow, The Epidemie of influenza in eastern Europa. British med. Journ. 7. Dec. 1889. p. 1305.
17. Frank Clemow, The epidemic of influenza in Russia. Brit. med. Journ. 4. Jan. 1890. p. 46.
18. Soloweitschyk, An early case of influenza. New York medic. Record. XXXVII. 1. 1890.
19. Drasche, Influenza. Wiener medic. Wochenschr. XL. 6. 1890.
20. William Scholtz, The epidemic at the Cape. The British medic. Journ. March 15. 1890. p. 600.
21. Barnes, Notes on 290 cases of influenza. The British medic. Journ. March 15. 1890. p. 599.
22. J. Fred Haller, Report of three hundred and fourteen cases of influenza. Boston med. and surgical Journ. Febr. 13. 1890. p. 151.
23. John W. Moore, The influenza of 1889-1890, as observ. in Dublin. Dublin Journ.' April 1890. p. 300.
24. M. A. Lunz, Einiges über die Influenza-Epidemie in Moskau 1889. Deutsche medicinische Wochenschrift. XVI. 18. 1890.
25. David J. Brakenridge, The present epidemic of so-called influenza. Edinb. med. Journ. Mai 1890. p. 996.
26. Shattuck, Some remarks opening a discussion on influenza.
Boston med. and surgic. Journ. Febr. 13. 1890. p. 148.
27. W. Squire, The infection of epidemic influenza. Lancet I. 16. 19. April 1890. p. 843. ' .
28. W. Tibbles, The epidemic of influenza in the rural sanitary district of Melton Mowbray. Brit. medic. Journ. April 12. 1890. p. 834.
29. Edw. Trombly, Epidemic influenza amony the poor. Boston medic. and surgic. Journ. March 20. 1890. p. 270.
30. Quinton, An epidemic of influenza in a prison. Brit. medic. Journ. Febr. 22. 1890. p. 417.
31. Hubert Bristowe, Notes on an outbreak of influenza at King Edwards schools for girls. British med. Journ. Febr. 22. 1890. p. 418.
32. George Preston, An outbreak of influenza on board of the industrial trainingship Mount Edgcumbe. The Brit. medic. Journ. March 1. 1890. p. 477.
33. Röwer, Influenza auf See. Dtsche. Medicinal-Zeitung. 1890. No. 45.
Diese Schiffsepidemie scheint keine Influenza gewesen zu sein, was einmal aus dem Krankheitsbilde, das Röwer entwirft, deutlich hervorgeht, zweitens wegen der langsamen Verbreitung des Leidens, drittens wegen der Tatsache, daß die Deckmannschaft, d. h. die der Luft am meisten ausgesetzten Schiffsinsassen, am wenigsten ergriffen wurden.
34. Straub, Influenza-Epidemie in Esslingen. A. d. Württemb. Corr.-Bl. LX. 13. 1890.
35. Demuth, Über Influenza. Ver.-Bl. d. pfälz. Aerzte. VI. 1. 180.
36. Tueffert, La Grippe et ses complications. Gaz. des Hopit. LXIII. 13. 1890.
37. Bouchard, Sur la contagiosite de la grippe. Bull. de I'Acad. de med. LIV. 9. 1890.
DIE erste sich auf die große Influenzapandemie beziehende Mitteilung entstammt der Feder Heyfelders (1), der im Sommer 1889 die Influenza in Buchara sah; ihm ist um so mehr Glauben zu schenken, als er selbst im Winter die Influenza in Rußland beobachtete und die in Buchara stark hausende Epidemie mit dieser zu vergleichen und die Erscheinungen beider zu identifizieren im Stande war. Die Epidemie begann in Buchara schon in der zweiten Hälfte des Mai 1889, und zwar bei den dort wohnenden Europäern. Die zuerst auftretenden Fälle zeigten nervöse Symptome, während erst nach einiger Zeit die katarrhalischen Formen der Krankheiten mehr hervortraten. Ferner glaubte Heyfelder gefunden zu haben, daß die Bewohner von Keller- und Parterrewohnungen früher erkrankten, als die der höheren Stockwerke, daß sich in Kasernen, Schulen und Instituten nicht nur relativ, sondern auch absolut zahlreichere Erkrankungen zeigten.
Weitere Berichte über Influenza, und zwar vom 25. Oktober, lauteten aus Ssaljan im Kaukasus, wo kein Haus ohne Patienten blieb. Vielleicht noch früher, etwa um die Mitte des Oktober, soweit Kasanski Listok berichtet, scheint die Epidemie Wjatka erreicht zu haben. Am 17. Oktober trat die Influenza in Tomsk auf, wo sie "sibirisches Fieber" genannt wurde; etwa zu gleicher Zeit liefen die ersten Berichte über das Erscheinen der Epidemie aus Moskau, Riga, Wilna, Sebastopol und Kaluga ein. Nach Lunz (24) herrschte sie in Moskau Ende Oktober epidemisch.
In St. Petersburg trat die Influenza, nachdem daselbst einzelne Fälle bereits Ende Oktober vorgekommen sein sollten, in den ersten Tagen des November als Epidemie auf, und zwar in dem auf einer Newainsel liegenden Stadtbezirk Wassily-Ostrow. Schnell zunehmend, stieg die Epidemie in den ersten Tagen des Dezember auf ihre Höhe, sodaß fast die halbe Stadt krank sein sollte. Nach Berichten aus der Stadt litten zu einer Zeit etwa 150.000 Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung an der Krankheit. Nicht das rauhe Klima oder ein besonders harter Winter, eine im Gegenteil für diese Zeit besonders milde Witterung schien an der Massenerkrankung schuld zu sein. So hieß es damals.
Fabriken und Schulen mußten geschlossen werden. Fast drei Viertel aller über den Krankenbetten angebrachten Schilder trug den Namen Influenza, und die Hospitaldirektoren bemühten sich eifrig um Vermehrung der Krankenbetten (Petersburger Zeitung). Ganze Regimenter waren ergriffen; nach Hermann (2) erkrankten 35 Prozent der Polizisten. Im Maria-Magdalena-Hospitale wurden zu gleicher Zeit das ganze ärztliche Personal und sämtliche Operierte von der Influenza erfaßt usw. In Petersburg sprach Zdekauer die sonderbare Meinung aus, die bereits von Heidenreich 1831 in gleichem Sinne geäußert war, daß die Influenza der Vorläufer der Cholera sei, eine Ansicht, von der nur das Publikum Notiz nahm, für die nirgends in der Geschichte der Influenza eine beweisende Tatsache zu finden ist, falls man von den phantastischen Ideen Heidenreichs und Schweichs absieht.
Mitte November zeigte sich die Influenza epidemisch in Lodz, Krakau und Warschau, nachdem der Angabe von Sokolowski (3) gemäß, der erste charakteristische Fall von ihm in Warschau am 20. Oktober gesehen worden war. Andere polnische Städte, z. B. Lemberg, zeigten das epidemische Auftreten der Influenza etwas später. Nach Pawlikowski herrschte die Krankheit in der zuletzt genannten Stadt in der ersten Hälfte des Januar und erlosch bereits schon Ende dieses Monats. Hier war sie sehr milde, während sie in Warschau und Krakau heftig wütete. Nach Warschau sollte die Epidemie, wie Heinrich Pacanowski angab, durch ein junges, aus Südrußland zugereistes und bereits krank ankommendes Mädchen verschleppt worden sein. Sie dauerte während des ganzen Dezembers an; am Ende dieses Monats kamen weniger neue Fälle vor, dagegen mehrten sich sekundär hinzutretende Krankheiten der Respirationsorgane (Sokolowski)
Über Polen weiterziehend, erschien die Influenza etwas früher in Berlin als in Wien; zu der Zeit, wo die Epidemie in St. Petersburg sich ihrem Höhepunkte nahte, traten die ersten, sporadisch verteilten Fälle in Berlin auf, deren Diagnose erst mit Sicherheit ex post zu stellen war, als das Erscheinen von vielen gleichartigen Erkrankungen die Influenza konstatieren ließ; freilich wunderte man sich seiner Zeit genugsam über die Erstlingsfälle, die nicht in das Schema der eigentlichen katarrhalischen Affectionen hineinpaßten, die anfangs schwere gastrische Fieber, ja Typhen und sogar Meningitiden vortäuschten, bis man durch die Erkenntnis des Mißverhältnisses zwischen den subjektiven Beschwerden und dem objektiven Befunde und in der Erinnerung an die Petersburger Epidemie zu der Wahrnehmung kam, daß die Influenza ihren Einzug gehalten habe.
Die ersten Fälle sollten bereits nach Fürbringer (s. Verhandl. d. Ver. f. innere Medicin z. Berlin. 1889/90. S. 169) in den ersten Tagen des Monats November vorgekommen sein, während dagegen z. B. Löwenstein (s. diese Verhandlungen S. 172) den Beginn der Epidemie von dem 10. Dezember an datierte, ich selbst den ersten Influenzafall am 4. Dezember sah.87 Diese so different ausfallenden...