Schweitzer Fachinformationen
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Kontext! Wir springen direkt hinein in das erste relevante Kapitel der »High Level Structure«. Was haben Normen und Standards zum Thema »Kontextanalyse« zu sagen? Und wie können wir das als Leitfaden oder Skelett zum Aufbau einer resilienten Organisation nutzen? Natürlich haben alle Standards ganz verschiedene Anwendungsbereiche: Qualitätsmanagement, Informationssicherheit, Business Continuity Management - eine Kontextanalyse wird unter diesen verschiedenen Blickwinkeln verschiedenen Schwerpunkte aufweisen beziehungsweise immer nur die direkt relevanten Bereiche beleuchten. Der Ablauf einer solchen Analyse und die zu betrachtenden Punkte sind aber immer gleich - darum sprach ich in der Einführung oben von einem »Skelett«. Zum »Fleisch am Knochen«, den Muskeln und Sehnen, also den Maßnahmen, die Ihr Unternehmen flexibel und beweglich (und damit in der Summe resilient) machen, kommen wir im letzten Teil des Kapitels .
Als wichtigste und erste Frage müssen wir klären: Was ist mit dem Kontext einer Organisation überhaupt gemeint? Grundsätzlich sind das alle Faktoren, die sich auf das Unternehmen auswirken können, also die, die sich im Inneren der Organisation befinden, und die äußeren, also das Umfeld. Das »Kapitel vier« jedes ISO-Standards fordert uns dazu auf, den internen und den externen Kontext des Unternehmens zu betrachten und zu analysieren. Am Ende einer solchen Analyse haben Sie idealerweise zusätzlich die Stakeholder (»interessierte Parteien«) ermittelt, also alle, die ein irgendwie geartetes Interesse an der Organisation haben. Und deren Erwartungen und Anforderungen ermittelt. Aber alle Theorie ist grau (und die in Normen und Standards besonders) - darum wieder ein Beispiel, bevor wir uns in weitere Fakten vertiefen:
Als der Drahtziehermeister Friedrich Günnemund im Frühjahr 1485 von einer Reise in ein anderes, nördlicher gelegenes Zentrum seiner Handwerkskunst (nämlich Iserlohn) in seine Heimatstadt Nürnberg zurückkehrte, hatte er die Taschen voller Gold und genoss darum den Schutz einer bewaffneten Eskorte. Nach dem scharfen Ritt der letzten Tage und einer groben Attacke gemeiner Wegelagerer war er heilfroh, als sich am Horizont schließlich die innig herbeigesehnten Türme und Zinnen abzeichneten. Und er war auch zufrieden, hatte er doch im Norden neue interessante Geschäftsbeziehungen zu dem Kollegen Volmar Steinfried knüpfen können, ihm darselbst eine große Ladung dünn gezogenen Eisendrahtes verkauft und im Gegenzug dafür neue und feine Zieheisen und das wertvolle Säckchen mit den Goldstücken erhalten, das nun an seiner Brust ruhte.
Das Herz ging ihm auf, als die Sonne durch die Wolken brach und den Nebel auflöste: Nun konnte er die Kaiserburg gut erkennen, in der aktuell der Burggraf residierte, und auch die links der Burg gelegenen stolzen Kirchtürme stiegen langsam aus dem Dunst auf. Nach kurzer Zeit vergoldete die nun immer stärker scheinende Morgensonne leicht die roten Dächer der Bürgerhäuser, wie sie am Hang gelegen waren, der sanft in Richtung der mächtigen Stadtmauer abfiel. Je näher Friedrich mit seiner kleinen, wehrhaften Truppe kam, desto mehr Details erfreuten seine Augen. Kurz hielten er und seine Männer auf dem Hügel vor dem kleinen Tal außerhalb der Stadt inne und ließen das heimelige und gleichzeitig beeindruckende Bild auf sich wirken: die sandige und von Wegen und Hecken durchzogene Senke direkt vor ihnen und die wehrhafte Stadtmauer mit ihrem Verteidigungsring kleiner Türme, dem oberen Wehrgang und den sorgfältig bewachten Stadttoren. In die kleinen und gemütlichen Sträßchen des Zentrums konnte er von seiner Warte aus nicht blicken, aber er wusste, dass dort um diese Zeit das städtische Leben schon erwacht war und Händler auf dem Weg zum Markt, Bürgersleute in Eile zur Ratssitzung und Handwerker zu ihren Werkstätten unterwegs waren.
Abbildung 1.1: Älteste gedruckte Ansicht Nürnbergs in der Schedelschen Weltchronik, 1493 (Quelle: Schedel, Hartmann / Wolgemut, Michael [Illustrator] / Pleydenwurff, Wilhelm [Illustrator]: Registrum huius operis libri cronicarum cu figuris et ymagibus ab inicio mudi, Nuremberge, Consummatu[m] autem duodecima mensis Julij. Anno salutis n[ost]re. 1493 [1493.07.12.] [HC 14508 - BSB-Ink S-195 - GW M40784 - ISTC is00307000])
Ein Tross Karren verließ gerade das linke große Stadttor. Tief im Inneren seufzte Friedrich leise und erleichtert auf, herrschte doch trotz der fast allgegenwärtigen gefährlichen und lästigen Wegelagerei nun schon seit vielen Jahren grundsätzlich Frieden im Land. Lange schon hatte kein Feind mehr vor den Toren Nürnbergs gestanden! Kontinuität hieß das Zauberwort, denn kein Kaiser hatte bis jetzt so lange regiert wie sein Namensvetter Friedrich III., der nun schon vor Jahrzehnten im fernen Rom gekrönt worden war, sich aber immer noch bester Gesundheit erfreute. Das war gut für die Zünfte und das Handwerk, aber auch gut für den Handel generell. Friedrich Günnemunds Stadt erlebte eine nie gekannte Blütezeit. Das hatte sogar den Volksmund dazu bewogen, das Sprichwort >Nürnberger Tand geht durch alle Land< aus der Taufe zu heben. Handel und Wandel gediehen enorm; die protzigen Patrizier im Rat hatten vor einiger Zeit sogar verbreitet, dass das Handelsvolumen der Stadt größer sei als das einer ganzen Provinz (sie meinten damit das ferne Böhmen).
Ob er das so glauben sollte, wusste Friedrich nicht, aber dass sie in guten Zeiten lebten, wollte er nicht bestreiten. Und er hatte auch nicht vergessen, dass die Bürgerschaft ihm in einem Anfall von Weitsicht und Großzügigkeit das Gold geliehen hatte, damit er seine ersten Zieheisen kaufen und damit experimentieren konnte - >zum Wohle deiner Zunft und von uns allen< war die Devise dabei gewesen. Na ja, inzwischen hatte er alles mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt, und es war ihm gelungen, so feine Drähte wie noch nie zu ziehen - die heute sehr hoch im Kurs standen. Sogar bis in den Norden war der Ruhm seiner Zunft und Nürnbergs, des >Schatzkästlein des Reiches<, gedrungen - hatte der Kollege Volmar ihn doch als Ehrengast empfangen und exzellent bewirtet. Tatsächlich spannte sein Reisewams leicht, wie er nun bemerkte; das hatte es bei seiner Abreise noch nicht getan. Mit einem kleinen Willensakt riss Friedrich sich aus seinem Tagtraum, gab seiner Eskorte das Zeichen zum Aufbruch und preschte vom Hügel hinab ins Tal hinein und auf die Tore seiner Heimatstadt zu .
So blumig wie hier in der Retrospektive fallen meine einleitenden Worte im Auditorenseminar selten aus, aber das Bild von Nürnberg, das Sie oben gesehen haben, nutze ich dort sehr regelmäßig für den Einstieg ins Thema. Es hilft dabei, den Kontext einer Organisation zu visualisieren und systematisch zu betrachten. Wenn ich die Teilnehmer frage, was sie sehen, kommen die Antworten erst zögerlich, dann immer flotter und schließlich wie aus der Pistole geschossen: »Türme, Kirchen, Kaiserburg, Stadtmauer, Stadttore, Bürgerhäuser, Straßen, das Land außerhalb der Stadt .« und so weiter. Wenn wir diese Punkte einmal gesammelt haben, fällt die Transferleistung meist sehr leicht. Die Teilnehmer begreifen schnell, dass sie es hier trotz des vielleicht anachronistisch wirkenden Bildes mit einer ausgewachsenen Organisation zu tun haben, die über einen inneren und einen äußeren Kontext sowie diverse Schnittstellen verfügt.
Der innere und äußere Kontext der mittelalterlichen Stadt lässt sich aus der Abbildung 1.1 gut ableiten: Bei genauer Betrachtung kann man sich vorstellen, wie es damals um die innere Struktur der Stadt, um die Ressourcen, den Handel, die Landwirtschaft und die Politik bestellt war. Und wo die Grenzen, die Schnittstellen, Schwachstellen und Durchgänge zur Umwelt hin lagen. Das Leben in der Stadt, Handel und Wandel, Leitungs- und Kontrollinstanzen wie die Bürgerschaft, die Zünfte, der Adel und der Klerus (die alle natürlich auch interessierte Parteien darstellen), Sitten und Gebräuche, Handwerk und Kultur, das System, mit dem regiert und Macht ausgeübt wird - all das machte den inneren Kontext der Metropole aus.
Übertragen wir das auf ein Unternehmen, so liegt es nahe, alle Aspekte zu betrachten, die direkt in seinem Einflussbereich liegen und die durch Führungskräfte, Mitarbeiter, Zulieferer und Dienstleister beeinflusst werden können. Eine solche Analyse nimmt folgende Bereiche in den Fokus:
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